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»Trümm­lig« – Wie­der so ein Schwindel

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Mit einer Ent­schul­di­gung an unse­re Schwei­zer Nach­barn – und die Schwaben…

Ich sto­ße im Web fast jeden Tag auf neue Wör­ter, nicht nur Neu­bil­dun­gen, son­dern auch sol­che, die schon älter, aber eben mir unbe­kannt sind. In der Regel schla­ge ich sie nach, und die Sache ist mit einem Ein­trag in mei­ne Daten­bank – zur für­de­ren Ver­wen­dung – erle­digt. Hin und wie­der ist aber auch eines inter­es­sant genug, um mich ein­ge­hen­der damit zu befas­sen. Schon gar wenn so ein Wort nicht im Duden steht. So ging es mir die­se Woche mit trümm­lig bzw. trüm­me­lig. Auf der Suche nach Zita­ten für ein ganz ande­res Wort stand ich plötz­lich in einem Schwei­zer Forum vor dem fol­gen­dem Satz:

Was bist du nur für ein “trümm­li­ger” ego­is­ti­scher Typ?

Der Duden hat es, wie schon ange­deu­tet, nicht, die­ses »trümm­lig«. Weder in der einen noch in der ande­ren Vari­an­te. In mei­ner eige­nen Daten­bank für deut­sche Umgangs­spra­che fin­de ich ledig­lich trüm­meln, was offen­sicht­lich in Ham­burg »rol­len, wäl­zen« heißt. Das bringt mich erst mal nicht weiter.

Also wie­der ein Goog­le­hupf. Ein­fach mal rein. Der ers­te Such­lauf für trümm­lig ist mit 2390 Fund­stel­len viel ver­spre­chend; trümm­li­ge bringt 1800 und trümm­li­ger immer­hin noch 39, und trümm­li­gen gar noch mal 2070. Das ist erst­mal eine Men­ge Holz für ein Wort, das man nicht kennt. Rein instink­tiv, man macht das ja nicht zum ers­ten Mal, pro­bie­re ich es noch in einer Vari­an­te mit »e«: für trüm­me­lig ist mit 66 Fund­stel­len schon klar, wo es lang­geht; trüm­me­li­ge bringt 6 Fun­de, trüm­me­li­ger gera­de noch 1 und trüm­me­li­gen immer­hin wie­der 4. Alles in allem nicht schlecht.

Bei genaue­rem Hin­se­hen bestä­tigt sich, was mit dem aller­ers­ten Fund bereits zu ver­mu­ten war: das Wort gehört allem Anschein nach zunächst ein­mal in die Schweiz. Aber dort spricht man ja auch Deutsch, also hilft nur eines: ganz von vor­ne anfan­gen. Ich wer­fe also mei­nen Grimm an, und wer­de auch schon fündig:

TRÜMMELIG, trüm­me­l­echt, adj., zu trum­mel, m.; ‘tau­me­lig, schwind­lig’ (vgl. dru­me­lich teil 2, 1457): (die wäsche­rin wur­de) so trüm­lig, das sie über­ab­fiel in Necker zim­mer. chron.2 4, 36 B. etc. etc.

Und zu tun hat das mit:

TRÜMMELN, trim­meln, vb., ‘tau­meln’, das­sel­be wie dru­meln teil 2, 1453, dür­meln ebda 1733; umbil­dung von mhd. tür­meln, turm­eln, vgl. LEXER 2, 1582, mhd. wb. 3, 151. obd., seit dem mhd. belegt, vgl. ver­ti­go trümm­len (sub­st. inf.) DIEFENBACH nov. gl. 380a; … vgl. drüm­meln ‘in einem rin­ge, krei­se her­um­ge­hen’ STALDER 1, 313, trümm­len ‘eine kreis­för­mi­ge bewe­gung machen’ FISCHER schwäb. 1, 424. sonst wie mhd. tür­meln im sin­ne ‘tau­meln, schwan­kend gehen’ etc. etc.

Das ist doch schon mal die hal­be Mie­te, was die Bedeu­tung anbe­langt. Nur eines bewegt mich erst mal noch, und das ist, wie­so das Wort sich so sang- und klang­los in die Schweiz ver­zo­gen haben und allei­ne dort über­lebt haben soll­te. Ich che­cke mal, was hier so an Dia­lekt­wör­ter­bü­chern her­um­ku­gelt; immer­hin habe ich bei Grimm eini­ge ein­schlä­gi­ge Namen erspäht.

Fün­dig wer­de ich in Her­mann Fischers sechs­bän­di­gem Schwä­bi­schen Wör­ter­buch, das den Unter­ti­tel trägt »auf Grund der von Adel­bert v. Kel­ler begon­ne­nen Samm­lun­gen und mit Unter­stüt­zung des würt­tem­ber­gi­schen Staa­tes, 1851–1920«. Dort ver­weist man mich bei „T“ übri­gens auf „D“! Das fin­de ich im zwei­ten Band, auf dem es denn sin­ni­ger­wei­se »D.T.E.F.V.« heißt.

Unter »D.T.« bekom­me ich, was ich als unbe­zahl­ter Wort­klau­ber am meis­ten fürch­te, näm­lich den Over­kill. Fast zwei Sei­ten zum The­ma »schwä­bi­schen Schwin­del«. Aber letzt­lich genügt für unse­re Zwe­cke hier fol­gen­der Eintrag

trümm(e)lig …. trumm(e)lig … Adj. schwind­lig; all­gem., nur aus dem NW. des Gebiets nicht bezeugt. etc. etc.

Und wo es in die­sem älte­ren Wör­ter­buch schon mal belegt ist, ver­su­che ich es noch in einem neue­ren Werk, dem Schwä­bi­schen Hand­wör­ter­buch von Her­mann Fischer und Her­mann Tai­gel von 1999, das trüm­me­lig eben­falls mit »schwind­lig« defi­niert.

Wei­ter nörd­lich sieht’s eher düs­ter aus, obwohl das bereits erwähn­te Ham­bur­ger trüm­meln in die rech­te Rich­tung zu gehen scheint. Das muss denn aber mal war­ten. So ganz scheint mir näm­lich der Fall trümm­lig damit längst nicht geklärt. Sowohl das ein­gangs genann­te Bei­spiel wie auch gut die Hälf­te der ande­ren Fund­stel­len schei­nen wir näm­lich ganz dar­auf hin­zu­wei­sen, dass noch eine ande­re Bedeu­tung mit ihm Spiel ist; ich tip­pe mal auf »duss­lig«, »dumm« oder »däm­lich«.* Also bis die­ser Tage.

***

* Die Fort­set­zung die­ses Arti­kel, in der ich den im letz­ten Abschnitt ange­stell­ten Ver­mu­tun­gen zu »trümm­lich« nach­ge­he, gibt es hier.

Zu »schwind­lig« hat­te ich hier schon mal  was. Wei­te­re Arti­kel zum The­ma , & .

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