Sehr entgegen kommt mir diesbezüglich die mit dem 2. Weltkrieg eingeleitete und vom Internet mittlerweile unendlich beschleunigte Entwicklung, gewisse Wörter eine gesamtdeutsche Karriereleiter hinaufzuschieben. Leider leistet das deutsche Lektorat, das grundsätzlich jede Übersetzung auf den eigenen Horizont zusammenzustreichen geneigt ist, dabei erheblichen Widerstand – ganz im Gegensatz zur lesenden deutschen Bevölkerung, wie ich finde: So rüde der Ton in den zahllosen Foren aus dem deutschen Sprachraum auch sein mag, noch nie habe ich gesehen, dass da jemand wegen eines Dialektwortes platt gemacht worden wäre. Und selbst ein namhafter Übersetzerkollege wie Eike Schönfeld schrieb in seiner Sammlung jugendsprachlicher Ausdrücke Abgefahren – Eingefahren 1985: „Eine genaue Ortsangabe würde allerdings dem Interesse der Benutzer zuwiderlaufen.“ Das hat mir sehr gefallen in einer Zeit, in der ich mich daran machte, meine eigenen Sammlungen zu systematisieren und in Wörterbüchern wie etwa American Slang nutzbar zu machen. Ich sah mich mit meiner Einstellung nicht mehr gar so allein. Als Eike dann in seiner Neuübersetzung von Salingers Fänger im Roggen das Wörtchen „schwiemelig“ einsetzte / einsetzen durfte, hat mich das richtig gefreut.
Der Duden bezeichnet schwiemelig als „norddeutsch“ bzw. „salopp“ und definiert es mit „schwindlig“ und zitiert keinen geringeren als Heinrich Mann mit einem Satz aus dem Professor Unrat: „Es ward einem manchmal ganz schwiemelig.“ Claus Sprick in seiner famosen kleinen Sammlung von Ruhrpottdeutsch definiert es mit “schwindlig, benommen, schwummerig“. Auch mein derzeitiges Lieblingswörterbuch, das Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache der deutschen Akademie der Wissenschaften, bezeichnet das Wort als „landschaftlich“ bzw. „salopp“ und definiert es mit „taumelig, schwindlig“. Und obzwar alle Quellen es bislang eher im Norden platzierten, schreibt bei mundmische 2008 ausgerechnet jemand aus Bayern unter schwiemelig „von verschwiemelter Gemütsverfassung; unwohl; schwindelig; nimmt die Realität nur verschwommen war“.
Und die kleine Spielerei mit schwiemelig bringt mich ganz nebenbei auf schwirblig, das Franz Joseph Stalder in seinem Versuch eines schweizerischen Idiotikon 1812 ebenfalls mit „schwindlig“ definiert. Er leitet es von dem Verb „schwirbeln“ ab, von dem er – siehe da! – als Nebenform „schwurbeln“ zitiert, das mich – ganz plötzlich in unserer Zeit als Modewort auffällig geworden – jüngst schon beschäftigt hat: schwurbeln, schwurbelig, Schwurbel.
Warum also derart engstirnig bei den Verlagen, wenn es um die Verwendung von „Landschaftlichem“ in Übersetzungen geht? Warum nicht auch hier den gesamten reichen deutschen Sprachraum ausschöpfen? Der Volksmund macht das doch wie eben dargelegt auch…
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