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Lau­si­ges Deutsch bei Über­set­zun­gen: Pflicht?

Meis­tens, wenn ich mir die Über­set­zung eines ande­ren vor­neh­me, um etwas dazu zu ler­nen, gehe ich von einer Fund­sa­che aus, die mir gefällt. Das wer­de ich bei Gele­gen­heit auch mal ver­wen­den, den­ke ich mir. Und dann sehe ich mir Ori­gi­nal und Über­set­zung wei­ter an in der Hoff­nung, dort noch mehr gute Lösun­gen zu ent­de­cken. Das heu­ti­ge Bei­spiel fürs Töpfchen:

His ner­ves jangled.
Sei­ne Ner­ven lagen blank.

Okay, das ist eine pri­ma Lösung; die mer­ke ich mir.

Lei­der bleibt es oft bei dem einen Fund. Der Rest ist bes­ten­falls Durch­schnitt. So auch die­ses Mal, wo sich mir nach eini­gen Sei­ten wie­der mal die Fra­ge auf­drängt: Müs­sen denn Über­set­zun­gen gar so kon­se­quent in zwei­fel­haf­tem Deutsch abge­fasst sein. Was ich damit mei­ne? Nun, ein paar Bei­spie­le mögen dies verdeutlichen.

[Comet] hers­elf was in a sta­te of high excitement.
[Die Hün­din] war in einem äußerst erreg­ten Zustand.

Wer, so fra­ge ich mich, redet denn so? Es geht um den Begrü­ßungstanz einer Hun­de­da­me beim Anblick des Herr­chens, nicht etwa dar­um, dass sie läu­fig ist. In dem rasch zu Rate gezo­ge­nen Quer­schnitt deut­scher Lite­ra­tur auf mei­ner Fest­plat­te ver­mag ich – Gott sei’s gedankt! – die­se Wen­dung über­haupt nicht zu fin­den, eben­so wenig den “Zustand äußers­ter Erre­gung”, den ich gera­de noch akzep­tiert hät­te. Ich fin­de immer­hin drei­mal einen “Zustand höchs­ter Erre­gung” und ein­mal den “Zustand äußers­ter Auf­re­gung”, wenn man schon meint, “sta­te” müs­se wie­der zu fin­den sein. Aber war­um über­haupt so unidio­ma­tisch? “In hel­ler Auf­re­gung” hät­te es doch auch getan oder “ganz aus dem Häus­chen”. Das Eng­li­sche bevor­zugt nun mal, ganz anders als das Deut­sche, Wen­dun­gen mit “Sub­stan­tiv + of”, das heißt nicht, dass die Wen­dung nicht all­täg­lich ist; die 129.000 (!) Fund­stel­len für “sta­te of high exci­te­ment” bei Goog­le bestä­ti­gen das allemal.

Gleich dar­auf heißt es:

– and it only made him feel even guiltier.
– und sei­ne Schuld­ge­füh­le wuch­sen noch.

In kei­nem der Tau­sen­den von deut­schen Büchern, die ich rasch durch­su­che, ver­mag ich die­sen Unfug zu fin­den. (Wie­der zu mei­ner Erleich­te­rung, wie ich geste­hen muss, dann nicht sel­ten muss ich mei­ne anfäng­li­chen Zwei­fel revi­die­ren und ler­ne – mit einem schuld­be­wuss­tem Schlu­cken – dazu.) Im Deut­schen, wür­de ich sagen, “fühlt man sich schul­dig”, oder man “hat ein schlech­tes Gewis­sen”; bei­de Lösun­gen eig­nen sich für den Kom­pa­ra­tiv; er könn­te sich “umso schul­di­ger füh­len”, aber vor allem die zwei­te Lösung ist abso­lut gebräuch­lich: er hat­te eben “ein noch schlech­te­res Gewis­sen” dem Tier gegen­über als ohne­hin schon.

that what he was about to do had never been done by anyone.
dass er im Begriff stand, etwas zu tun, das noch nie von irgend jeman­dem getan wor­den war.

Ein gutes Bei­spiel dafür, dass man das Pas­siv im Deut­schen nicht über­stra­pa­zie­ren soll­te; “was noch kei­ner gemacht hat­te” reicht völ­lig aus .

Und gleich noch was die­ser Art:

How could this be done?
Wie könn­te das getan werden?

“Wie wäre das zu machen?”, wür­de ich sagen. “Wie lie­ße sich das bewerkstelligen?”

“That’s exact­ly what I’m going to do.”
“Das ist genau das, was ich tun werde.”

War­um nicht ein­fach: “Genau das wer­de ich tun.” Oder “Das wer­de ich auch.”

“I’ve got a cab waiting.”
“Ich habe ein Taxi, das auf uns wartet.”

In der gesam­ten Geschich­te war­ten­der deut­scher Taxen hat das noch kei­ner gesagt!

“Dad, how come things look dif­fe­rent if I open one eye and clo­se the other real quick?”
“Dad, wie kommt es, dass die Din­ge anders aus­se­hen, wenn ich ein Auge auf­ma­che und das ande­re ganz schnell zumache?«

Wer je ein Kind in der “Warum”-Phase erlebt hat, wird wis­sen, was für ein Blöd­sinn das ist; dass “how come” Umgangs­spra­che ist und eben für eine weit klo­bi­ge­rer Kon­struk­ti­on steht, kommt erschwe­rend hinzu.

the odd poun­ding sound of the blades.
das selt­sa­me, schla­gen­de Geräusch sei­ner Rotoren.

“The sound of” bzw. “verb + ing sound”, das sind alte Bekann­te eines jeden über­set­zen­den Pro­fis; das Deut­sche kennt die­se Kon­struk­ti­on – von einem Geräusch zu spre­chen und das dann näher zu benen­nen – prak­tisch nicht. Man sagt ein­fach, was man hört, bas­ta: das “Rau­schen des Mee­res”, das “Pochen des Her­zens”, das “Heu­len des Winds”…

rich-loo­king women in tight white ten­nis shorts dar­ted back and forth.
reich aus­se­hen­de Frau­en in knap­pen wei­ßen Ten­nisshorts hin und her rannten.

“Reich aus­se­hen­de Frau­en”? Ich bit­te Sie. Es gibt in dem Buch auch noch “schick aus­se­hen­de Bar­kee­per” und der­glei­chen mehr. Die “sehen nach Geld” aus, wür­de ich sagen, und die Bar­kee­per sind ein­fach “schick”…

So geht das Sei­te für Seite.

Selbst­ver­ständ­lich kann man im Bereich der Spra­che nicht eigent­lich etwas aus­schlie­ßen, was sich für einen ande­ren womög­lich als Stil dar­stellt, Tat­sa­che ist jedoch, dass sich Bücher deut­scher Autoren, selbst die min­de­rer Sti­lis­ten ein­fach nicht so lesen. Man fin­det die­se Art von unbe­hol­fe­ner Spra­che immer nur in Über­set­zun­gen. Das soll­te zu den­ken geben; wenigs­tens ab und an, bevor wir Über­set­zer alle wie Son­der­schü­ler par­lie­ren müs­sen, um über­haupt noch was über­set­zen zu dürfen.

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