Nur wo Duden draufsteht…

Ges­tern habe ich mir mit eini­ger Ver­spä­tung end­lich den neu­en „Sze­ne­du­den“ geleis­tet, das vom Trend­bü­ro her­aus­ge­ge­be­ne Wör­ter­buch der Sze­nespra­chen. Ich bin ein gro­ßer Fan, letzt­lich schon seit dem Trend­wör­ter­buch von Horx, das die­se eben­so nütz­li­che wie inter­es­san­te „Rei­he“ sei­ner­zeit ein­ge­lei­tet hat. Noch nicht mal einer wie ich, der selbst stän­dig in eige­ner Sache die Sprach­front rauf und run­ter hetzt, kann all die Neu­schöp­fun­gen in sei­ner Daten­bank haben, die die völ­lig unüber­sicht­li­che Sze­nen­land­schaft heu­te so prägen.

Gera­de weil ich auch die­ses neue Büchl wie­der mag, fällt mir auf, was mir schon bei Horx unan­ge­nehm auf­ge­fal­len ist, und das sind die gro­ben Schnit­zer in Sachen Ety­mo­lo­gie. Es ist ja nun – lei­der – über wei­te Stre­cken alles Eng­lisch, was in sol­chen Samm­lun­gen drin steht, und so bie­ten sich Erklä­rungs­ver­su­che, was die Her­kunft eines Wor­tes angeht, natür­lich an. Ich erin­ne­re mich an den blü­hen­den Unsinn, den Horx damals über den „Nerd“ ver­zapft hat. Das nimmt man hin, ich mei­ne, wir hau­en alle mal dane­ben; die Zwei­fel, die sol­che Feh­ler bei ande­ren Publi­ka­tio­nen am Rest des Inhalts auf­kom­men las­sen, sind rasch zer­streut, weil man sieht, da kennt sich einer mit „Sze­nen“ aus. Dass er nicht eigent­lich um die Ursprün­ge eines Begriffs weiß, tut dem kei­nen Abbruch. Das ver­hält sich mit dem Bänd­chen aus dem Biblio­gra­phi­schen Insti­tut frei­lich etwas anders, weil nun mal „Duden“ drauf­steht. Von Duden möch­te man kein Gefa­sel, schon gar kei­ne aus den Fin­gern geso­ge­nen Etymologien.

Ich habe ges­tern Nach­mit­tag über einer Tas­se Tee ein biss­chen in der Samm­lung geblät­tert, und selbst da, ohne also danach zu suchen, fie­len mir bereits eine Hand­voll die­ser ety­mo­lo­gi­schen „Frei­hei­ten“ auf.

So heißt es etwa unter „Mosh­pit“:

Zusam­men­set­zung aus engl. mosh = Cha­os und engl. pit = Kreisel… 

Nun ist mos­hen ja bereits in den 1980ern auf­ge­kom­men, Zeit genug, möch­te man mei­nen, da mal in einem ordent­li­chen Wör­ter­buch nach­zu­schla­gen. Da hät­te man dann gese­hen, dass das nur eine Aus­spra­che­va­ri­an­te von mush ist und mush seit Jahr­hun­der­ten für „Pam­pe“ und sonst aller­hand „Brei­iges“ steht. Das weckt doch Asso­zia­tio­nen. Und „pit“? Nun, kei­ne Ahnung, wie’s heu­te um die Popu­la­ri­tät von Edgar Allan Poe bestellt ist, aber zu mei­ner Zeit hät­te man dabei sofort an „The Pit and the Pen­dulum“ gedacht. Und „pit“ ist nun mal jede Art von „Gru­be“, die man sich den­ken mag – bis hin zu den Pocken­nar­ben mos­hen­der Punks. Im Beson­de­ren steht „pit“ aber hier natür­lich für etwas, was man bei uns „Orches­ter­gra­ben“ nennt… Büh­ne, Orches­ter­gra­ben, Platz vor der Büh­ne… alles klar?

Zu „Bash“ heißt es kaum weni­ger verwegen:

Abkür­zung von engl. bash­ment = Party

War­um denn, wenn „bash“ im Eng­li­schen bereits seit min­des­tens 1900 jede Art von mas­si­ver Fete bezeich­net und das kari­bi­sche „bash­ment“ erst gut 80, 90 Jah­re spä­ter – womög­lich (ich will hier nicht den­sel­ben Feh­ler machen) als Deri­vat davon – auf­kam.  Ich weiß nicht mehr, ob ich „bash“ vor Dylans „Mil­li­on Dol­lar Bash“ bereits kann­te, aber spä­tes­tens seit­her ist mir das Wort ein Begriff.

Dass „smoof“ (von smooth) ein „f“ bekommt, liegt nicht etwa an den hier unter­stell­ten Pro­ble­men der Deut­schen mit dem „th“; das Wort kommt schon so aus dem Eng­li­schen, wo es es als „smoo­ve“ im Tee­nies­lang lan­ge für „groß­ar­tig“ stand und wo es über­dies bereits seit vie­len Jah­ren für die Art von anämi­schem Plät­scher­jazz steht, wie er loung­i­ge Radio- & Inter­web­s­en­der füllt (und für den letzt­lich Stee­ly Dan ver­ant­wort­lich sind).

Etwas merk­wür­dig ist auch, und sie ist nahe­zu kon­se­quent durch­ge­zo­gen, die Unart, bei den ety­mo­lo­gi­schen Anga­ben die Slang­be­deu­tung der zitier­ten eng­li­schen Wör­ter zu über­ge­hen, auf der die deut­sche Bedeu­tung ja eigent­lich fußt, und auf gera­de die Bedeu­tung zurück­zu­grei­fen, die mit der deut­schen nun so gar nichts zu tun haben mag. Anders gesagt, das von uns über­nom­me­ne Wort ist doch bereits Slang, und die­se Slang­be­deu­tung des Worts ist ety­mo­lo­gisch rele­vant, nicht sei­ne ursprüng­li­che Bedeu­tung. „Straight Edge“ etwa bezieht sei­ne Bedeu­tung nicht von „straight“ = gera­de, son­dern von „straight“ = dro­gen­frei, clean. Das­sel­be gilt für „tight“: Nicht die Bedeu­tung dicht ist hier maß­geb­lich, son­dern sei­ne schon uralte Slang­be­deu­tung, näm­lich groß­ar­tig, klas­se, cool.

Ich drän­ge mich ja nicht gern auf und mag an sich kei­ne tren­di­gen Leu­te, kann euch Leu­ten vom Trend­bü­ro aber trotz­dem nur nahe­le­gen, sich für die nächs­te Aus­ga­be mal bei mir zu mel­den. Wie gesagt, ich mag das Büchl eben­so wie sei­nen Vor­gän­ger, set­ze aber von Haus aus gern tren­dig mit ober­fläch­lich (um nicht zu sagen hirn­los) gleich, und möch­te mich gra­de bei die­sem Bänd­chen nicht immer wie­der dar­in bestä­tigt füh­len. Ich den­ke, wo Duden drauf­steht, soll­te auch Duden drin sein. 

SlangGuy

Übersetzer & Wörterbuchmacher

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