Ein Dutzend Beispiele der letzten Woche gefällig? (Die Reihenfolge ist beliebig. Die Spinnerei hier kostet mich Zeit genug.)
(1) Sagt Ihnen die Wendung Tennisschläger & Kanonen etwas? Genau, die TV-Serie aus den 60er-Jahren! I, Spy hießt die im Original, und die Los Angeles Times hat mich daran erinnert. In Form eines kleinen Interviews mit Bill Cosby. Es war, wie ich dort erfahre, nicht nur die erste US-TV-Serie mit einem schwarzen Helden, sie machte Cosby und Culp auch zu Freunden fürs Leben. Sehr zum Verdruss ihrer Ehefrauen…
(2) Wer es noch nicht mitgekriegt haben sollte: Unter einer Brücke in Miami hausen seit – keine Ahnung, aber ich verfolge die Geschichte nun schon gut ein Jahr – über 50 Sexualtäter. Sie haben ihre Zeit abgesessen und wissen seit ihrer Entlassung nicht wohin. Gesetze und Stadtverordnungen machen es ihnen praktisch unmöglich, irgendwo sonst unterzukommen. Die Miami New Times berichtet über den letzten Neuzugang.
(3) Larry King ist ein Olympier unter den amerikanischen Nachrichtenleuten, und CNN liefert mir, seit ich am Web hänge, Tag für Tag eine Mitschrift seiner Show vom Vorabend ins Haus. Was für ein Fundus an Wissen, Drama und Klatsch. Am 26. war Snoop Dogg bei Larry King Live zu Gast . Er trommelt für seine fünfte Solo-LP und einen Film. Wir erfahren, dass er 25 Autos besitzt, die er in einer Art Bat Cave untergebracht hat. You know how Batman got the little underground cave…
(4) Nicht nur ist die gute alte Village Voice einer meiner liebsten Anlaufstellen, sie hat auch einen hammermäßigen Artikel über New York’s zehn übelste Slumlords. In einer Stadt voller Slumlords will das was heißen. Auch ein Rabbiner ist darunter, und von dem, was er der Stadt im Jahr an Geldbußen für seine rattenverseuchte Bruchbude abdrücken sollte, könnte ich fünf Jahre leben.
(5) Eines meiner Lieblingsmagazine war schon immer The Atlantic. Normalerweise lese ich da eher mal Sachen, die ich bestenfalls mit einiger Mühe verstehe; diesmal geht man dort der Frage nach, ob die nervige Tea Party-Bewegung den Republikanern letztendlich eher nützen oder schaden wird. Aber wo diesen Leuten letztlich nur nach weniger Steuern und genügend Munition für ihre Ballermänner ist, bringen sie wohl landesweit so schnell keinen Kandidaten ins Feld.
(6) Ein oft bemühtes Lesezeichen ist bei mir das von Now Magazine Toronto, einem Stadtmagazin der kanadischen Metropole. Mag sein, dass die kanadische Stadt nicht eben im Zentrum des Weltinteresses steht, aber dem Magazin nach zu urteilen, ist dort mächtig was los. Wenn auch das Interview mit Jonathan Demme über seinen neuen Neil Young-Film überall hätte erscheinen können. Der Konzertfilm Neil Young Trunk Show hört sich eher nach dem Gegenteil des wunderbaren Heart of Gold an, nicht von der Qualität her, sondern was die Beschaulichkeit anbelangt: Das Konzept der beiden laut Demme: “Let’s make this a very punk response to the elegance of Heart Of Gold.”
(7) Die stets interessante Webzeitung Media Matters bietet eine nette Auflistung des Schwachsinns, den die Tea Party mit ihren Hintermännern, vor allem den Geigen bei Fox News so anzetteln. Die bösartige Hysterie, die man dabei entwickelt, den Schwarzen im Weißen Haus wieder loszuwerden, ist so erstaunlich wie erschreckend.
(8) Eigentlich ist es ja nur eine Werbepostille der Plattenbranche, aber das Jazz Echo hole ich mir auch ganz gern mal aus Papier. Man kann sich schön darin fest lesen. Im Web geht das weniger, weil nicht alles nebeneinander steht, was aber letztlich auch billiger kommt. ECM (Manfred Eicher sollte man endlich kanonisieren.) bringt Chick Coreas Soloalben für das Münchner Label als Box heraus. Da wird zwar flockig von „trügerischer Leichtigkeit“ und „intellektuellem Tiefgang“ gelabert, was mich eher abstößt, aber die Meldung ist es was zählt.
(9) Ich lese gerne Interviews mit Leuten, die mehr zu sagen haben als ich. (Nicht dass das eine Kunst ist.) Und eine der großen Interview-Sites für mich ist die des Edelraucher-Magazins Cigar Aficionado. Und sie hat die Mutter aller Francis Ford Coppola-Interviews. Dass Der Pate als Billigversion des Bestsellers von Puzo gedacht war und Coppola als 29-jähriger Filmstudent in das entsprechende Konzept von Paramount passte. Eine nette kleine Anekdote in Sachen Synchronizität erzählt er: Er bekam eines Tages Besuch von Al Ruddy und Gray Frederickson. Am selben Tag sah er in der Zeitung eine Werbung für den Roman von Mario Puzo, den er für so etwas wie Italo Calvino hielt. Und während des Besuchs der beiden Produzenten rief Marlon Brando an, dem er ein Skript geschickt hatte. Und dann bot man, unabhängig von alledem, kurz darauf Ruddy und Frederickson Puzos Roman zur Verfilmung an. Sie produzierten den Film. Völlig unerheblich, aber schlicht genial.
(10) Ein Magazin, dessen Seite ich seit Jahren besuche, ist das 3amMagazine: „Whatever it is, we’re against it“ lautet das Motto, und es ist mitnichten so nihilistisch, wie sich das anhören mag. Dieser Artikel beschäftigt sich mit mit der Erotik japanischer Mangas und dem interessanten Fakt, dass Washington und Tokyo sich bei allen Meinungsverschiedenheiten dieser Tage immerhin darüber einig sind, dass die gezeichneten Protagonisten entschieden zu kindlich sind…
(11) Eine weitere Postille, die ich mag, ist der Modern Drunkard. Der feiert die Trunkenheit und das gottgegebene Recht eines jeden, betrunken zu sein. Ein Hochglanzmagazin. Die Webseite ist entsprechend ansprechend. Auch hier gibt’s neben allerhand Tipps rund ums Picheln Interviews. Ausnahmslos von zertifizierten Trunkenbolden. Das hier ist mit dem Autor Tucker Max. und für den Fall, dass sie den noch nicht kennen, eine der weisen Frage des Magazins an den Süffel des Monats: „Sie haben 20 Mücken für Alkohol, was machen Sie?“ Antwort: „ Ich such mir ein Mädel, dass mir einen spendiert.“
(12) The Nation ist ein Magazin, das es seit 1865 gibt, und das sich eher politisch betätigt. Hier fand ich letzte Woche einen Artikel vom letzten Jahr „Ten Things You Need to Know to Live on the Streets“ . Von keinem geringeren als Walter Mosley, der hierzulande leider nur durch absolut schauderhafte – soweit ich sie kenne – Übersetzungen bekannt ist. Seine Tipps für Leute, denen die Straße droht, sind alles andere als witzig gemeint: „There is no private space to which you may retreat. Your are on display 24/7.“ Eine Horrorvorstellung.
(13) AlterNet ist eine Publikation, bei der man sich ernste Gedanken über die Gesellschaft rund um den Globus macht. der Artikel „A ‘Ho’ By Any Other Color“ beschäftigt sich mit dem Problem des Bilds von der schwarzamerikanischen Frau, nicht zuletzt in der Rapmusik: „Seeing that her womb supplied the steady flow of slaves that facilitated the accumulation of wealth for plantation owners and the various industries in this country … America was built, in large part, on the sexual exploitation of the Black woman.“
Es sind dreizehn geworden, ja. Noch nie von einem „baker’s dozen“ gehört?
Wie auch immer, Sie können das Web als Wichsvorlage für Analphabeten bezeichnen, ich habe nichts dagegen (gebe Ihnen sogar Recht), aber ich habe letzte Woche wieder eine Menge erfahren. Und Spaß dabei gehabt. Ob mir das was bringen wird? Genauso viel wie es mir gebracht hätte, hätte ich es aus den Printmedien erfahren.
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