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Was soll’s denn sein – Blitz­krieg oder Fahrvergnügen?

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Die Welt ver­dankt uns Deut­schen ja lei­der nicht nur Gutes. Das gilt auch für die eng­lisch­spra­chi­ge Welt. Um so erstaun­li­cher, dass sich doch eine statt­li­che Rei­he von deut­schen Wör­tern dort ein­ge­bür­gert bzw. gehal­ten haben.*

Dass man im Eng­li­schen »Gesund­heit!« sagt, wenn jemand niest, ist hier­zu­lan­de satt­sam bekannt – und übri­gens seit Jah­ren laut Knig­ge bereits unhöf­lich, da man damit wohl ein »Gebre­chen« sei­nes Gegen­über zur Kennt­nis nimmt. Und dass die Eng­län­der den in Guer­ni­ca geprob­ten deut­schen »Blitz­krieg« nicht aus den Kno­chen bekom­men, kann man ver­ste­hen. Ich mei­ne mich noch zu erin­nern, dass Boris Beckers Sieg in Wim­ble­don als »blitz­krieg«  Schlag­zei­len mach­te, was in der deut­schen Pres­se Ent­rüs­tung her­vor­rief. Zu Unrecht, denn das Wort hat sich längst vom Zwei­ten Welt­krieg gelöst. Aller­dings muss man sagen, dass es sich im All­tag nicht in Gän­ze gehal­ten, son­dern als »blitz« über­lebt hat. In die­ser Form frei­lich ist es womög­lich erfolg­rei­cher als jeder ande­re deut­sche Import. »Blitz« bezeich­net nicht nur jede Art von Atta­cke, etwa im Ame­ri­can Foot­ball, son­dern jede Art von hek­ti­scher Betrieb­sam­keit, mit der man etwas in Angriff nimmt. Goo­geln Sie nur mal nach »ad« oder »adver­ti­sing blitz«. Im Guar­di­an hieß es bereits 1960 mal: »The women did only the bare essen­ti­als of house­work during the week with a ›blitz‹ at weekends.« Und selbst im aktu­el­len schwarz­ame­ri­ka­ni­schen Slang fin­det man »blitz up on someone«, wenn jemand auf den ande­ren los geht, sei es phy­sisch oder verbal.

Apro­pos »blitz up«. Das hören sie in jeder Küche, wenn es dar­um geht mal rasch etwas auf­zu­ko­chen oder durch die Pfan­ne zu schie­ßen. Auch »blitz it in the micro­wave« fin­det sich.  »Get­ting blit­zed« bedeu­tet sich zuzu­knal­len, und das Ergeb­nis »blit­zed« für high oder betrun­ken ist ja nun als »ver­blitzt« wie­der in Deutsch­land gelandet.

Der angeb­lich vom Aus­ster­ben bedroh­te Lon­do­ner Rhy­ming Slang schließ­lich kennt den »ball­room blitz«. Das reimt sich auf und heißt damit »tits«. Der Begriff kam übri­gens erst in den1970ern auf, nach dem gleich­na­mi­gen Song von Sweet.

Muss man jetzt nicht wit­zig fin­den; was ich wit­zig fand, ist folgendes:

Bereits in der ers­ten Staf­fel der kul­ti­gen TV-Serie Fri­ends stell­te Chand­ler – er hät­te einen Küchen­tisch kau­fen sol­len– sei­nen Freun­den eine Errun­gen­schaft vor, die sich zu einem Mit­tel­punkt der Serie ent­wi­ckeln sollte.

CHANDLER: So, what do you think?
ROSS: I think It’s the most beau­tiful table I’ve ever seen.
CHANDLER: I know!

Und als das Teil eini­ge Epi­so­den spä­ter einen Namen bekam, muss­te ich lachen: »a foos­ball table«. Es han­del­te sich um ein Tisch­fuss­ball­spiel oder »Kicker«, wie das rich­tig deutsch heißt, auch wenn der Duden Letz­te­ren noch heu­te nicht ken­nen mag. Wie auch immer, ich dach­te, die hät­ten das Wort in der Serie erfun­den, weil ich es nicht kann­te, aber Mer­ri­am-Webs­ter ist der Ansicht, dass es bereits 1977 nach Ame­ri­ka kam.

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Und dann muss­te ich mal in einem Wer­be­block auf­hor­chen (in der eng­li­schen Wer­bung kann man ja wenigs­tens etwas ler­nen), als das Wort »kin­der sur­pri­se« fiel. Und das war dann tat­säch­lich unse­re »Kin­der­über­ra­schung«, Sie wis­sen schon, das klap­pern­de Scho­ko-Ei. Ich fand’s lus­tig, obwohl ich stark ver­mu­te, dass das die Eng­län­der die­se eher dem Mar­ken­na­men ver­dan­ken, der sich nun mal nicht ver­mei­den ließ. Ich bin mir nicht sicher, ob jeder Eng­län­der die Ver­bin­dung zum »kin­der­gar­ten« zieht, den man immer­hin in Lon­don seit 1851 kennt. Was gar nicht so schlecht ist, bedenkt man, dass der Päd­ago­ge Fried­rich Frö­bel den ers­ten deut­schen Kin­der­gar­ten erst 1840 gegrün­det hat­te. 1856 zog man in Ame­ri­ka nach. Für Ein­wan­de­rer­kin­der zunächst, natür­lich, aber das Bei­spiel mach­te rasch Schu­le, und heu­te haben wohl die meis­ten Ame­ri­ka­ner einen sol­chen besucht. Inter­es­sant ist hier nur noch, dass ein »kin­der­gart­ner« zunächst ein Leh­rer im Kin­der­gar­ten war, heu­te hei­ßen die Kin­der, die ihn besu­chen so.

Nicht weni­ger Erfolg war dem deut­schen »Ruck­sack« beschie­den; es gibt ihn in Ame­ri­ka wie in Eng­land, obwohl heu­te offen­sicht­lich nur auf bri­ti­schen Insel die Kin­der mit ihrem »ruckie« zur Schu­le gehen.

So rich­tig modisch ist unser »über« (bei uns mal Adverb, mal Prä­po­si­ti­on) im Eng­li­schen als Wort­bil­dungs­ele­ment, das sich wie bei uns prak­tisch jedem Nomen (also Sub­stan­ti­ven wie Adjek­ti­ven) vor­an­stel­len lässt. Auf den Zusam­men­hang von »Über­mensch« und »Super­man« erschöp­fend ein­zu­ge­hen, wür­de hier zu weit füh­ren; Geor­ge Ber­nard Shaw hat Nietz­sches Prä­gung jeden­falls bereits 1903 über­setzt, und wir beka­men ihn als flie­gen­den Comic-Hel­den von den Ame­ri­ka­nern zurück. Aber »Über­mensch« ist seit 1902 auch im Eng­li­schen bekannt, und Tat­sa­che ist, dass »über« bzw. »uber« sich ver­selbst­stän­digt hat und seit­her den intel­lek­tu­el­len Dis­kurs schmückt, in den letz­ten Jahr­zehn­ten ad nau­seam. Ich erwäh­ne mal den »über­nerd« und sei­nen Vet­ter, den »über­ge­ek«, oder »über­cool«, was bei uns wohl »megal­cool« hei­ßen wür­de. Oder »geil«. »Uber« fin­det sich über­all dort, wo man um den »zeit­geist« weiß.

Die Lis­te an Ger­ma­nis­men ist nicht end­los, aber lang. Nur ein paar geläu­fi­ge­re zur Kostprobe:

abseil, ach­tung, angst, bil­dungs­ro­man, blitz­krieg, brat­wurst, bret­zel, dachs­hund, deli­ka­tes­sen, dop­pel­gan­ger, dreck, ersatz, fest, firn, gestalt, gesund­heit, glock­spiel, göt­ter­däm­me­rung, hin­ter­land, kaput, kibitz, kitsch, mues­li, nood­le, pol­ter­geist, pum­per­ni­ckel, scha­den­freu­de, schmoo­ze, schnit­zel, shlep, Sturm und Drang, ver­bo­ten, wan­der­lust, welt­an­schau­ung, wie­ner, wun­der­kind und zeitgeist

Die meis­ten Wör­ter sind aus dem All­tag; so ist »absei­ling« ein belieb­ter Frei­zeit­sport, und »dop­pel­gan­ger« und »pol­ter­geist« kennt jeder Horrorfilmfan.

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Und wenn man dar­auf kon­di­tio­niert ist, fal­len einem auch auch recht net­te Spie­le mit die­sen Wör­tern auf. So meint etwa Rose, Char­lies leicht beschubs­te Stal­ke­rin, in Two and a Half Men (Mein coo­ler Onkel Char­lie) mal zu ihrem Opfer:

Rose: And I’m sor­ry for my scha­den­freu­de the other day. I’ve been ridd­led with glau­kensch­tu­ken ever since.
Char­lie: Glau­ken… schtuken?
Rose: It means: »Fee­ling guil­ty for having felt schadenfreude.«
Char­lie: They’­ve got a word for that?
Rose: Not yet.

Wit­zig fin­de ich auch »angsty«, eine Ablei­tung von »angst«, was tat­säch­lich meist »angst­be­setzt« heißt und im Sin­ne von »Exis­tenz­angst« zu deu­ten ist. So ist es ent­spre­chend oft im Zusam­men­hang mit Teen­agern zu hören.

So bei Buffy:

I don’t know. I mean, a lot of teens post some pret­ty angsty poet­ry on the web. I mean, I even pos­ted a melo­dra­ma­tic love poem or two back in the day.

Das trifft es aus­ge­zeich­net. Aber auch fol­gen­de Stel­le aus Skins.

How’s being an angsty litt­le prick working out for you?

Aber die Bedeu­tung wei­tet sich aus. Noch­mal Buffy:

She’s a litt­le angsty around com­man­do types.

Ach ja, zum Titel: »blitz­krieg« hat­ten wir ja; »fahr­ver­gnü­gen« stammt aus der Volks­wa­gen-Wer­bung. Micha­el J. Fox sagt das in Spin City (Cha­os City) mal zu Hei­di Klum auf ihre Fra­ge, ob er denn Deutsch kön­ne: »Fahr­ver­gnu­gen.«

»Vor­sprung durch Tech­nik« kann man da nur sagen; auch das kennt man in Eng­land wie in den USA.

Dass nun angeb­lich aus­ge­rech­net unser Pseu­do-Anglizi­mus »Han­dy« in den USA ange­kom­men sein soll, sah ich behaup­tet, aber bis­lang noch nicht belegt. Der Schau­spie­ler Ste­hen Fry (Oscar Wil­de) mein­te mal in sei­ner Serie QI: »The Ger­mans call their cell pho­ne ›Han­dy‹. ›Ich habe mein Han­dy ver­ges­sen.‹ The Ger­man lan­guage is so camp.« Aber der mein­te in einer ande­ren Fol­ge auch mal, »Das Boot« wür­de »buht« gespro­chen, also was soll’s…

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* Klei­ner his­to­ri­scher Aus­blick dazu gefäl­lig. Lesen Sie die ers­ten paar Absät­ze die­ses Ein­trags.

Wer sich näher mit dem The­ma befas­sen möch­te, der blät­te­re doch mal in einem der Bücher, die die­sen Ein­trag zieren.