Kennen gelernt habe ich die Arbeit des genialen französischen Soundbastlers bereits vor einigen Jahren auf der Über-Musiksite Jamendo, das trippige Tag »Abstract Hiphop« hatte mich – oder meinen ebenfalls einschlägig interessierten Nachbarn – zu ihm geführt. Als er von Jamendo nach einiger Zeit wieder verschwand, fand ich das schade. Aber nach dem ersten Schreck entdeckte ich dann seine Homepage, auf der man seine Mucke größtenteils für lau1 abgreifen kann. Mit Abstract Symposium, Broken Symphony, Time to Take Out the Trash, Only After the Show und Aquilon-lp01 habe ich mittlerweile fünf großartige LPs von dem Mann.
»Ich sehe und lebe meine Musik so«, heißt es auf seiner Website, »Zerlegen, Zusammensetzen, Zermahlen und TEILEN!«Und der Stil? Nun, wenn man den Sound von Degiheugi denn schon unbedingt mit einem Etikett versehen und vergleichen muss, so bewegt er sich, laut dem Meister selbst, »zwischen Rjd2, Blockhead, Bonobo oder Chinese Man und Wax Tailor, um nur einige zu nennen«. Nichtsdestoweniger hat er eine ganz eigene Handschrift, die einen seine Tracks praktisch vom Fleck weg erkennen lässt.
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Zugange ist er eigener Aussage nach seit 1998. Angefangen hat er als DJ und Spaß am Vinyl. Und nach einigen Jahren Scratchen hat er eine Rapgruppe kennen gelernt. Und schließlich realisierte er seine ersten Produktionen. Seit 2003 entwickelt er sich nach und nach weg vom »traditionellen Hiphop« und fand zu einer eigenen Stimme, einem eigenen Touch, einem eigenen Stil. Gedrängt, seinen Stil zu definieren, spricht er von einer Mélange aus »Hiphop, Triphop, und Abstract Hiphop«.
Mehr als auf seiner schönen Homepage ist, so scheint es, ist über seine MySpace-Seite in Erfahrung zu bringen. Zum Beispiel ein Link zu einem Interview auf trip-hop.net. Und hier gleich noch eines auf L’arbre Marius.
Er gibt sich übrigens recht bescheiden:
Trip-Hop.net : The Broken Symphony war ein eher bescheidener Erfolg beschieden, wurde aber rasch zu einer Art Referenz für das Genre. Ohne hier die ewige Debatte um die Qualität von Gratismucke aufzugreifen, hast du dir hinsichtlich deines nächsten Opus das eine oder andere gegönnt?
Degiheugi: Referenz für das Genre – also das ist jetzt aber von dir! Ich hab nur gemacht, was mir Spaß macht und was ich damals eben grade gern hörte. Ich habe durch das Album neue Leute kennen gelernt, die größtenteils auch auf dem neuen eingeladen waren. Außerdem hat es mir eine gewisse Bekanntheit beschert, ich hatte eine Menge Zuschriften, und mit einigen dieser »Fans« habe ich derzeit einen regen Austausch, interessante Begegnungen, wirklich, menschlich sehr positiv.
Okay, und bei Marius erfahren wir denn endlich ein bisschen mehr zu seiner Biographie.
Ich komme aus Saint-Malo, einer kleinen Stadt in der Bretagne. Ich stamme aus recht bescheidenen Verhältnissen, Vater Maurer, Mutter Hausfrau… Kurz, es war kein Zuckerlecken. Ich bin in einer Sozialwohnung aufgewachsen, aber meine Eltern haben dafür gesorgt, dass es uns an nichts fehlte, meinen Schwestern und mir, mit ihren bescheidenen Mittel, klar… Aber sie haben uns eine gute Schulbildung mitgegeben, wofür ich ihnen dankbar bin. Andernfalls… ich war ein Straßenjunge, was soll ich sagen?! Die Karikatur der kleinen Rotznase aus dem Viertel! Immer auf dem Sprung, ziemlich respektlos, jeden Scheiß gemacht, den man nicht machen sollte. Ich habe lange gebraucht, um mich zu beruhigen. Die Schule habe ich mit 15 geschmissen. Lehre als Metallbauer… Recht jung schon arbeitslos… Bis ich dann den Hintern hoch gekriegt habe und wieder zur Schule gegangen bin. Um schließlich Infografiker2 zu werden, und ich kann dir sagen, das liegt mir hundertmal mehr als der Metallbau! Was meine kulturelle Bildung angeht, puh… ich bin mit Fernseher und Videospielen aufgewachsen! Ich habe nie groß Bücher gelesen, mein Lebtag nicht. Aber ich bin recht neugierig, ich lerne unheimlich gern was dazu. Mich interessiert alles Mögliche… Was ich mir vorgestellt habe, wenn ich mal groß bin? Na, dass ich reich werde, wenn ich groß bin, werd ich reich! Aber im Ernst, ich wollte von meiner Musik leben, aber ich habe mich im Lauf der Jahre damit abgefunden, dass ich einfach nicht motiviert genug bin, mit Sicherheit nicht beständig genug. In meiner Umgebung hieß es meist, »such dir einen Job, dann kannst du Musik machen!« Ich bin’s im Augenblick recht zufrieden damit, aus Spaß an der Freude Musik zu machen, und ich habe daneben noch ein Leben, mit dem ich voll zufrieden bin.
Ach ja, und da wäre noch der Name…
Degiheugi, ist das dein Vorname? Warum Degiheugi?
Jou, keiner kriegt den Namen richtig hin! Okay, mal so gesagt, hätt ich gewusst, dass ich mal ein Bein auf den Boden kriege, ich hätte mir einen anderen Nick ausgesucht… Aber unter meinen Kumpeln war der Name die Gaudi… Ich war vorher DJ bei einer Rapgruppe.… Da war ich Djej, weil ich DJ war und mit Vornamen Jérome heiße, also haben meine Freunde mich Jej oder Jéjé genannt… Und als ich das dann mal Buchstabe für Buchstabe las, kam’s mir: D.J.E.J…3 Und das hab ich dann so unmöglich geschrieben, wie’s eben ging: Degiheugi! Uff! Soweit die Erklärung zu zwei Euro!
- eine Spende wäre natürlich sicher willkommen, der Mann ist jeden Cent wert [↩]
- Er sagt »infographiste«; ich hoffe, das Wort, das mir bis heute unbekannt war, drückt im Französischen dasselbe aus; wenn ich mal Zeit habe, versuche ich dem nachzugehen [↩]
- Er spricht natürlich Französisch: dö-schi-ö-schi; mit französischem »ö«, versteht sich [↩]
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