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Mur­doch, Whit­man, Stimm­vieh & Tratsch

Im Rah­men der degou­tier­li­chen Geschich­te um Medi­en­zar Rupert Mur­doch und sei­ne Jour­na­lis­ten­ban­de ist ja immer wie­der die Rede davon, dass es seit Jahr­zehn­ten weder in sei­ner Hei­mat Aus­tra­li­en, noch in Eng­land Regie­run­gen gege­ben habe, die ihm nicht gepasst hät­ten.1 In den USA scheint sei­ne Macht weni­ger aus­ge­prägt, sonst wären offen­sicht­lich Clin­ton und Oba­ma nicht »pas­siert«. Trotz­dem ist man jetzt auch in dem Land auf­ge­wacht, in dem Mur­doch mit dem Fox News Chan­nel einer der wider­lichs­ten TV-Sen­der gehört, in den ich je näch­tens rein­ge­zappt bin. Und irgend­wie geht es bei alle­dem um das mehr oder weni­ger zar­te Gebil­de Demokratie.

In so einem Augen­blick merkt man schon auf, wenn man, eher zufäl­lig in Walt Whit­mans Pro­sa­schrif­ten blät­ternd, in den Demo­cra­tic Vis­tas auf Pas­sa­gen wie die fol­gen­de stößt:

»Ich wer­de die Wör­ter Ame­ri­ka und Demo­kra­tie als aus­tausch­ba­re Begrif­fe benut­zen. Es geht hier um nichts Gewöhn­li­ches. Die Ver­ei­nig­ten Staa­ten sind dazu bestimmt, ent­we­der die glanz­vol­le Geschich­te des Feu­da­lis­mus zu über­win­den oder andern­falls sich als der unge­heu­er­lichs­te Fehl­schlag aller Zei­ten zu erwei­sen. Nicht den gerings­ten Zwei­fel habe ich hin­sicht­lich der Aus­sich­ten auf ihren mate­ri­el­len Erfolg. Ihre glor­rei­che Zukunft in den Berei­chen Geschäft, Geo­gra­phie und Pro­duk­ti­vi­tät ist gewiss, und das in grö­ße­rem Umfang und in grö­ße­rer Viel­falt denn je.  In die­ser Hin­sicht wird die Repu­blik bald (wenn sie es nicht bereits getan hat) alle bis­her bekann­ten Bei­spie­le über­flü­geln und die Welt domi­nie­ren.«2

Kein Zwei­fel, der »mate­ri­el­le Erfolg« hat sich ein­ge­stellt und auch die welt­be­herr­schen­de Stel­lung der Ame­ri­ka­ner ist kaum zu über­se­hen. Und »die glanz­vol­le Geschich­te des Feu­da­lis­mus« haben die USA nun sicher über­wun­den; sie haben sie durch die kaum weni­ger glanz­vol­le, aber weit weni­ger offen­sicht­li­che Plu­to­kra­tie ersetzt. Und Mur­doch hin oder her, der Erfolg der von eben die­sen Plu­to­kra­ten finan­zier­ten Tea Par­ty-Bewe­gung und der zähe Gue­ril­la­krieg gegen urde­mo­kra­ti­sche Ein­rich­tun­gen und Errun­gen­schaf­ten wie das Gesund­heits­we­sen und die Gewerk­schaf­ten des öffent­li­chen Diens­tes3 las­sen kaum eine ande­re Sicht­wei­se zu.

Best­sel­ler­au­tor Jere­my Rif­kin, der in sei­nem jüngs­ten Buch Die drit­te Indus­tri­el­le Revo­lu­ti­on sei­ne Erfah­run­gen im Kampf um eine nach­hal­ti­ge Ener­gie­po­li­tik in Ame­ri­ka wie in Euro­pa zusam­men­fasst, sieht das folgendermaßen:

» Obwohl es nicht eigent­lich falsch ist, die Ver­diens­te des frei­en Mark­tes zu prei­sen, das kate­go­ri­sche Bestrei­ten des fort­wäh­ren­den Zusam­men­spiels von öffent­li­chem und pri­va­tem Sek­tor, das zu einem Gut­teil für den wirt­schaft­li­chen Erfolg jeder Indus­trie­na­ti­on ver­ant­wort­lich ist, kann durch­aus nega­ti­ve Kon­se­quen­zen für die Gesell­schaft haben. Zuerst ein­mal führt es dazu, dass Staat und Wirt­schaft ihre Bezie­hung dem Blick der Öffent­lich­keit ver­bor­gen im Unter­grund pfle­gen; hier ver­birgt man sei­ne Trans­ak­tio­nen unter einem Schlei­er gehei­mer, tief in undurch­schau­ba­ren Geset­zen ver­gra­be­ner Deals. Als Gegen­ga­be erstickt man die Volks­ver­tre­ter mit groß­zü­gi­gen Wahl­kampf­spen­den, die ihre Wie­der­wahl garan­tie­ren. Zwei­tens ermög­licht die­ser Man­gel an Trans­pa­renz der Wirt­schaft die fort­ge­setz­te Pro­pa­gie­rung des Mythos, Ame­ri­kas Erfolg sei ein­zig und allein markt­wirt­schaft­li­chen Tugen­den zuzu­schrei­ben. Das wie­der­um gibt ihr die Mög­lich­keit, Geset­zes­vor­la­gen gegen den Miss­brauch die­ser Frei­heit oder zur Kon­trol­le der unge­zü­gel­ten Macht über Wirt­schaft und Gesell­schaft zu kri­ti­sie­ren.«4

 

Den­noch lässt sich, bei allen Eigen­hei­ten der ver­schie­de­nen Wahl­sys­te­me und der einen oder ande­ren Unre­gel­mä­ßig­keit beim Aus­zäh­len der Stim­men, kaum bestrei­ten, dass das Volk ihre jewei­li­gen poli­ti­schen Herr­scher wählt. Was sagt das über den Wäh­ler? Nun, was die Eng­län­der angeht: Wenn Sonn­tag für Sonn­tag durch­schnitt­lich über 2,5 Mil­lio­nen Leu­te dafür bezahl­ten, sich an Nach­rich­ten von zwei­fel­haf­tem Wert über Freaks und Pro­mi­nen­te auf­zu­gei­len… Das ist ein erheb­li­cher Anteil der knapp 30 Mil­lio­nen Wäh­ler von 2010. 5  Und Ame­ri­ka? Im Fal­le der Tea Par­ty scheint das rasch beant­wor­tet: die­se Leu­te wol­len mit dem Staat nichts zu tun haben – er soll sich nicht in ihre Ange­le­gen­hei­ten mischen, dafür mischen sie sich nicht in die sei­nen (die ganz offen­sicht­lich nicht die ihren sind). Da lässt es sich für den Plu­to­kra­ten an sich natür­lich pri­ma – in die eige­ne Tasche – regieren.

Der Tri­umph der Demo­kra­tie lässt sich ver­mut­lich kaum leug­nen. Das Pro­blem ist nur, dass in Ame­ri­ka – wie über­all auf der Welt – der demos, der da krat­eint (sor­ry), ein­fach größ­ten­teils nicht den nöti­gen Durch­blick hat, um die »Rich­ti­gen« zu wäh­len, oder zu sehr mit sei­nen eige­nen Pro­ble­men befasst, um sich dar­über hin­aus mit etwas ande­rem zu befas­sen als Aus­kom­men, Frei­zeit, Urlaub, Fern­se­hen, Musik und Tratsch. Und dann macht Mau­len natür­lich ohne­hin mehr Spaß als wäh­lend mit­zu­re­gie­ren. Was wol­len wir uns also beschweren?

  1. Dass ver­schie­de­ne Par­tei­en an der Macht waren, liegt dar­an, dass Mur­doch selbst hier und da die »Rich­tung« gewech­selt hat. []
  2. Walt Whit­man, Demo­cra­tic Vis­tas, 1871 – Über­set­zung von mir []
  3. http://tinyurl.com/6awc7eo []
  4. auf Deutsch bei Cam­pus, Sep­tem­ber 2011 []
  5. http://news.bbc.co.uk/2/shared/election2010/results/ []
SlangGuy

Übersetzer & Wörterbuchmacher

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