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Schieß­wü­ti­ges Ame­ri­ka — recher­chefau­les Deutschland

In Ame­ri­ka (und letzt­lich nicht nur dort) kom­men zu vie­le Men­schen durch Schuss­waf­fen um, da sind wir uns einig. Und das gilt auch, ohne dass wir mit fal­schen Zah­len hoff­nungs­los über­trei­ben. Genau das macht näm­lich die Bericht­erstat­tung hier­zu­lan­de, wenn sie schreibt, es wür­den in den USA pro Jahr über 30.000 Men­schen erschos­sen. Das ist näm­lich falsch. Da wird ver­mut­lich, ganz im Trend der Zeit, nur irgend­wo abge­schrie­ben, anstatt an die Quel­le zu gehen. Und das ist doch in Zei­ten des Inter­nets nun wirk­lich nicht schwer.

Ich will hier nicht über Sachen reden, von den ich nichts ver­ste­he; ich habe kei­ne Ahnung, ob die Ame­ri­ka­ner nun zu vie­le Knar­ren zu Hau­se ste­hen haben oder noch immer zu wenig. Ein Blick nach Aus­tra­li­en könn­te natür­lich die Ansicht nahe legen, der Zusam­men­hang zwi­schen Zahl und vor allem Typ der Schuss­waf­fen in Prvia­tbe­sitz sei augen­fäl­lig, aber wie gesagt, ich habe kei­ne Ahnung, und gemut­maßt wird andern­orts genug. Man könn­te auch fra­gen, wie soll­te der Run auf die ört­li­chen Waf­fen­ge­schäf­te, wie wir ihn nach jedem Mas­sen­mord an einer Schu­le erle­ben, eben die­sem Tat­be­stand abhel­fen? Rei­ne Idio­tie, die ledig­lich den ein­schlä­gig phan­ta­sie­ren­den Kin­dern wei­te­re Waf­fen zur Ver­fü­gung stellt. Aber sei’s drum, hier geht’s nur um die Recher­che, die ein so wich­ti­ger Bestand­teil des Über­set­zens ist. Und den­noch offen­sicht­lich immer wie­der schwie­ri­ger als man mei­nen möchte.

Um in die­sem Fall an kor­rek­te – oder wenigs­tens offi­zi­el­le – Zah­len zu kom­men, ist rela­tiv ein­fach. Man muss dazu nur ein paar Bro­cken Eng­lisch kön­nen. Ich will mal zwei Bei­spie­le nennen.

Zum einen, gibt es in den USA eine Behör­de, die wir alle aus zahl­rei­chen Kata­stro­phen­fil­men ken­nen, ins­be­son­de­re sol­chen, in denen ein Kil­ler­vi­rus für gen­re­ei­ge­nen Kit­zel sorgt. Kur­ze Denk­pau­se. Klingelt’s? War­ten Sie, Sie brau­chen kei­nen Bekann­ten anzu­ru­fen. Ich spre­che vom Cen­ter for Dise­a­se Con­trol. Die­se Behör­de weiß alles, was in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten mit Gesund­heit und Tod zu tun hat. Und das alles in der har­ten Wäh­rung der Sta­tis­tik. Alters­be­rei­nigt wenn es sein muss. Und eben nicht was exo­ti­sche fie­se anste­cken­de Viren angeht. Das CDC weiß schlicht und ergrei­fend, was dem Ame­ri­ka­ner pas­siert, von klei­ne­ren Unfäl­len bis hin zu den Todes­ur­sa­chen. Von denen natür­lich jedes Jahr eine »Hit­pa­ra­de« erstellt wird. Aber die ist eher unin­ter­es­sant im Ver­gleich zu den akri­bi­schen Berich­ten zu jeder nur erdenk­li­chen Art von Unfall. Neh­men wir nur ein Beispiel:

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Da heißt im Mor­bi­di­ty and Mor­ta­li­ty Weekly Report des CDC vom 10. Juni 2011 eine Über­schrift »Non­fa­tal Bath­room Inju­ries Among Per­sons Aged ≥15 – United Sta­tes, 2008«. Dort ist mit ande­ren Wor­ten zu lesen, was dem Ame­ri­ka­ner ab 15 im Jah­re 2008 so in Bad und Toi­let­te pas­siert ist, ohne dass er gleich dar­an starb. Das sind immer­hin geschätz­te 234.094 Unfäl­le, deren Fol­gen behan­delt wur­den. Es ist selbst­ver­ständ­lich noch ordent­lich auf­ge­schlüs­selt, ob in den jewei­li­gen Unfall ein Dusch­vor­hang oder ein Kin­der­thron ver­wi­ckelt war.1 Aber es soll­te ja nur ein Bei­spiel sein, was man beim CDC so alles in Erfah­rung brin­gen kann.

Was den Tod durch Schuss­waf­fen anbe­langt, wird man hier eben­falls bes­tens bedient. So etwa im Natio­nal Vital Sta­tis­tics Reports, Vol. 61, No. 6. Hier erfah­ren wird – neben allen ande­ren Todes­ur­sa­chen – die end­gül­ti­gen ein­schlä­gi­gen Zah­len für 2010 und die vor­läu­fi­gen für 2011.

So erfah­ren wir, dass durch ver­se­hent­li­ches Ent­la­den von Schuss­waf­fen 2011 851 Leu­te ums Leben kamen im Gegen­satz von nur 606 im Jah­re 2001. Sind die Ame­ri­ka­ner nur schuss­li­ger – no pun inten­ded – gewor­den? Oder liegt’s etwa am erhöh­ten Durch­satz der Bevöl­ke­rung mit Schieß­zeug? Das lie­ße sich durch­aus über­prü­fen; aber blei­ben wir beim Thema.

Wir brau­chen aus die­sem – rela­tiv end­lo­sen Bericht – die fol­gen­den Zeilen:

Assault (homic­i­de) (…)  15,953  5.1  5.2  16,259  5.3  5.3
Assault (homic­i­de) by dischar­ge of fire­arms (…)  11,101  3.6  3.6  11,078  3.6  3.6
Assault (homic­i­de) by other and unspe­ci­fied means and their seque­lae (…)  4,852  1.6  1.6  5,181  1.7  1.7

Die ers­te fet­te Zahl ist die für 2011, die zwei­te für 2010. Wir erfah­ren also, dass von den 15.953 Men­schen, die 2011 in Ame­ri­ka umge­bracht wur­den, 11.101 mit einer Schuss­waf­fe erschos­sen wor­den, nicht etwa erschla­gen, was uns das »dischar­ge« sagt.2

Wo kom­men nun die fabel­haf­ten 30.000 her? Ganz ein­fach. Die Gesamt­zahl der durch Schuss­waf­fen zu Tode gekom­me­nen beträgt für 2011 (vor­läu­fi­ge) 32.163, für 2010 31,672.3 So soll­ten wir defi­ni­tiv schon mal den ganz beträcht­li­chen Pos­ten des Sui­zids durch Schuss­waf­fe abzie­hen, der fol­gen­der­ma­ßen bezif­fert wird:

Inten­tio­nal self-harm (sui­ci­de) by dischar­ge of fire­arms (…)  19,766  6.3  6.1  19,392  6.3  6.1

Sich zu erschie­ßen scheint mir eine durch­aus ehr­ba­re & frei­wil­li­ge Art, aus dem Leben zu schei­den. Und selbst wer das anders sieht, soll­te die­se knapp 20.000 Men­schen nicht zur Zahl der mit Schuss­waf­fen Ermor­de­ten zäh­len. Man kann von mir aus noch die 222 dazu rech­nen, bei denen die Absicht der Ent­la­dung nicht geklärt ist, und die 258, die bei Poli­zei­ein­sät­zen umka­men, also in der Regel erschos­sen wur­den. Aber die Zahl ist groß genug. Das sind bei 11.101 immer­hin gut 30 Erschos­se­ne pro Tag.

Auch das FBI gibt ein­schlä­gi­ge Sta­tis­ti­ken her­aus etwa unter dem schi­cken Titel Homic­i­de trends in the United Sta­tes.4.

Aber alles, was ich eigent­lich sagen woll­te, ist schlicht: Man kann durch­aus nach­schau­en, bevor man in Berich­ten mit Zah­len han­tiert. Man kann da auch einen Über­set­zer zuhil­fe nehmen…

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  1. Frag mich kei­ner, wie jemand, der das 15. Lebens­jahr über­schrit­ten hat, einen Unfall mit einem Kin­der­töpf­chen haben kann… Na, viel­leicht ist er rein­ge­tappt und dann dumm gefal­len. []
  2. Bei den »seque­lae« han­delt es sich um die Fol­gen wie »starb an den Fol­gen einer Schuss­ver­let­zung«. []
  3. wie aus der Zei­le »Inju­ry by fire­arms (…) 32,163  10.3  10.1  31,672  10.3  10.1« zu erse­hen []
  4. Tötungs­trends bzw. Trends bei Tötungs­de­lik­ten in den USA oder []

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