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Geht’s auch auf Deutsch?

Nach­dem letz­te Woche – eigent­lich eine ganz paten­te Fügung, wenn man’s recht bedenkt – der Aus­flug ins Fran­zö­si­sche dazwi­schen kam, wei­ter im Text. Sie erin­nern sich? Es geht um mehr oder weni­ger aktu­el­le Trends beim Übersetzen…
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Nach mei­nem klei­nen Plä­doy­er für den Blick ins Wör­ter­buch von letz­ter Woche… Eigent­lich eine ganz paten­te Fügung, wenn man’s recht bedenkt, die­ser klei­ne Aus­flug ins Fran­zö­si­sche, ist er doch als ers­te Andeu­tung dar­auf zu wer­ten, dass das Pro­blem doch nicht aus­schließ­lich die Über­set­zung aus dem Eng­li­schen ist, son­dern womög­lich eher grund­sätz­lich ein per­ver­tier­tes Ver­ständ­nis von Über­set­zen und ein Man­gel Gefühl für die Mut­ter­spra­che an sich.

Resul­tat die­ses merk­wür­di­gen Ver­ständ­nis­ses vom Über­set­zen, ich kann es fast nicht »lai­en­haft« nen­nen, denn es gibt ja durch­aus Fach­leu­te, die der Ansicht sind, unidio­ma­ti­sches Deutsch in einer Über­set­zung las­se bestimm­te sprach­li­che und kul­tu­rel­le Eigen­hei­ten des Aus­gangs­tex­tes erken­nen. Also blei­ben wir bei »unidio­ma­tisch« – und Sie dür­fen, was mich anbe­langt, jeder­zeit dafür »lau­sig« ein­set­zen oder jedes ande­re Syn­onym, dass Ihnen für »beschis­sen« einfällt.

Da der Rah­men für das Pro­jekt hier auf erst mal wenigs­tens 52 Fol­gen abge­steckt ist und an Bei­spie­len für lau­si­ges Deutsch in Über­set­zun­gen auch die­ses Jahr mit Sicher­heit kein Man­gel herr­schen wird, leis­te ich mir hier den Hin­weis dar­auf, dass ich mit mei­nen Moni­ten –  »Gemau­le« for »us regu­lar folks who might wear a ten­nis shoe or an occa­sio­nal python boot«nicht ganz allein auf wei­ter Flur ste­he.

Ehr­lich gesagt, ich weiß noch nicht mal so recht, ob das Fol­gen­de hier rein­ge­hört. Schließ­lich habe ich noch kei­ne so rech­te Ahnung, wo mei­ne Kolum­ne mich hin­füh­ren wird und ob sich mei­ne dump­fen Gefüh­le bewahr­hei­ten wer­den. Aber da ich mich hier und da sicher in Tira­den ver­lie­ren wer­de, die Sie an mei­ner Zurech­nungs­fä­hig­keit wer­den zwei­feln las­sen, möch­te ich doch erst mal bele­gen, dass ich so ganz allein nicht bin mit mei­nen Zwei­feln an so eini­gen Trends bei der Übersetzerei.

Las­sen Sie mich dazu aus mei­ner Samm­lung ein­schlä­gi­ger Zei­tungs­aus­schnit­te zwei zitie­ren. Der ers­te stammt von Lorenz Jäger und ist aus einer alten FAZ:

Wer nun den neu­en Band zur Hand nimmt, wird fest­stel­len, daß er meist dem eng­li­schen Satz­bau genau­er folgt – aber um den Preis alles Cha­rak­ter­vol­len der deut­schen Spra­che. Es ist ein aus­ge­lei­er­tes, unidio­ma­ti­sches Deutsch, das die Neu­über­set­zung lei­tet… Das heu­ti­ge Deutsch, von dem die neue Über­set­zung eine gute Pro­be bie­tet, krankt an einer schwin­den­den Prä­ge­kraft. Erin­nern wir uns, daß unse­re Groß­müt­ter, so unge­bil­det sie auch sein moch­ten, manch­mal rede­ten, als for­mu­lier­ten sie gera­de ein Sprich­wort, das die Jahr­hun­der­te über­dau­ern wür­de?1

Nun, hier wird allem Anschein nach zwar eher umge­kehrt argu­men­tiert, näm­lich dass das »heu­ti­ge Deutsch« die Über­set­zung zu ver­ant­wor­ten habe. Aber es ist ja nicht aus­zu­schlie­ßen, dass die­ses »heu­ti­ge Deutsch«, das da als »unidio­ma­tisch« emp­fun­den wird, durch »unidio­ma­ti­sche« Über­set­zun­gen geprägt wur­de. Sophis­te­rei? Ich weiß nicht, für mich gibt es durch­aus indi­ge­ne – sor­ry – Neu­prä­gun­gen, die sich hal­ten wer­den. Ob die Groß­müt­ter von Mor­gen sie ihren Kin­dern erzäh­len wer­den, sei dahin­ge­stellt. Sind ja schließ­lich die Mut­tis, die heu­te – blind gegen­über den Rea­li­tä­ten von Isis, Por­nos und Hol­ly­wood­ge­walt – Grimms Mär­chen oder was weiß ich zen­sie­ren, weil sie ihnen für die Ohren ihrer Brut zu bru­tal anmu­ten. Aber ich schwei­fe ab…

Dank dem Inter­net brau­chen Sie mei­nen Akten­ord­ner ver­mut­lich gar nicht; Sie fin­den Lorenz Jägers Rezen­si­on ver­mut­lich eben­so rasch im Web wie den fol­gen­den Aus­schnitt aus einem ein­schlä­gi­gen Spie­gel-Arti­kel der Kol­le­gin Elke Schmit­ter. Nach dem Zitat eines Satz­mons­ters aus einer Über­set­zung bemerkt sie:

Wer bringt die lie­ben­de Ver­stan­des­kraft auf, aus die­sem Wust von gram­ma­ti­ka­li­schen Unzu­läng­lich­kei­ten und Begriffs­ver­wir­run­gen, aus die­ser heil­lo­sen Ver­kno­tung des­sen, was ein­mal Spra­che und viel­leicht Gedan­ke war, eine Vor­stel­lung zu ent­wi­ckeln? Kon­sul­tiert man das Ori­gi­nal, stellt man fest: Schon [der Autor] hat sich in sei­nem Ehr­geiz ver­lo­ren… Der Über­set­zer hat die Sache noch ver­schlim­mert – unter ande­rem durch eine ängst­li­che Wort-für-Wort-Über­tra­gung, wie sie in der ers­ten Arbeits­pha­se üblich sein mag… In jedem Fall ist es vom zitier­ten Wort­hau­fen zur Spra­che noch ein wei­ter Weg.2

Okay, hier sind genau die Reiz­wör­ter drin, die wir hier brau­chen kön­nen: »Wort-für-Wort-Über­tra­gung«, »Wort­hau­fen«, etc.

Bei bei­den Zita­ten geht es mir nicht um die dar­in kri­ti­sier­ten Über­set­zun­gen, ich habe sie mir nicht ange­se­hen; ich möch­te ledig­lich andeu­ten, dass ich nicht der Ein­zi­ge bin, der den Trend spürt, um den es in die­ser Kolum­ne unter ande­rem gehen soll. Und auch dass die­ser Trend, wie Sie aus dem Erschei­nungs­da­tum der bei­den Arti­kel erse­hen kön­nen, nicht erst ges­tern auffiel.

Wie gesagt, inwie­fern ich hier tren­nen soll­te zwi­schen Über­set­zun­gen in Büchern und über­setz­ten Zita­ten in der Pres­se bzw. im Web, weiß ich noch nicht. Ich weiß noch nicht mal, ob es hier dar­um gehen soll, dass es immer schon lau­si­ge Über­set­zun­gen gab und hier von einem Gna­den­stoß am idio­ma­ti­schen Deutsch die Rede sein wird oder davon, dass sich die lau­si­ge Über­set­zung zuneh­mend – kon­zep­tu­ell oder nicht – durch­setzt, weil die Spra­che an sich längst dar­un­ter Scha­den genom­men hat. Oder umgekehrt.

Ich weiß noch nicht, wie ich Inter­net & sozia­le Medi­en hier rein­brin­gen wer­de, ob sich das alles unter einen Hut brin­gen lässt. Ich wer­de jeden­falls nicht solan­ge auf den Fak­ten rum­häm­mern, bis sie in mei­ne eher dump­fe gefühl­te »The­se« pas­sen. Des­halb spre­che ich ja von einem Mosa­ik, viel­leicht auch einem Puzzle.

Sam­meln wir also wei­ter Teil­chen dafür.

Und das nächs­te Mal gibt’s ver­mut­lich erst noch mal ein Demen­ti, das ich schon in der zwei­ten Fol­ge hat­te anbrin­gen wollen…

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  1. FAZ 24.12.05. []
  2. Der Spie­gel Nr. 8/16.2.04 Lite­ra­tur []

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