Ein Thema, das in den Vereinigten Staaten von Amerika wie hierzulande die Gemüter – vermutlich derselben Art von Psycherln – in Wallung bringt, sind Migranten und Asylsuchende: »Fremde, die bei uns nichts verloren haben.« Und die kommen in Amerika natürlich vor allem über die Grenze zu Mexiko. Und gerade die Republikaner machen damit, das heißt mit dem Chaos an der mexikanischen Grenze, seit Jahren erfolgreich Politik. Sie erinnern sich an Trumps Mauer? Jetzt haben sich beide Parteien auf einen Border Deal geeinigt, der den Republikanern – mal von der physischen Mauer abgesehen – so gut wie alles geben würde, wovon sie je geträumt haben. Und sie schmettern ihn zynisch ab, um ihrem orangenen Guru nicht die Wahlkampfmunition zu nehmen …
Die Zahl der Flüchtlinge, die täglich über die mexikanische Grenze ins gelobte Land USA strömen, schwankt je nach Dringlichkeit und politischer Ausrichtung. Hier nur drei Zitate, die etwas von den Dimensionen sagen, von denen hier die Rede ist: »Die US-Einwanderungsbehörden entlang der Südgrenze sind auf dem besten Weg, im Dezember mehr als 300.000 Migranten zu bearbeiten – ein monatlicher Höchststand, zu dem wahrscheinlich auch eine Rekordzahl von Familien mit Kindern gehören wird, wie aus internen Daten hervorgeht, die CBS News vorliegenden.«1 Das ist allem Vernehmen ein historischer Höchststand.
Für den Januar findet sich folgende offizielle Verlautbarung: »Es sieht so aus, als würde die Border Patrol an der Grenze täglich zwischen 3.000 und 4.000 Migranten aufgreifen, ein deutlicher Rückgang gegenüber einem Durchschnitt von mehr als 8.000 pro Tag im Dezember. Die Sektorenleiter in Tucson und San Diego berichteten jedoch von einem Anstieg nach dem Tiefstand nach den Feiertagen. Die Migrationszahlen in Honduras und Panama bleiben auf dem niedrigsten Stand seit mehreren Monaten.«2
Natürlich ist das ein massives Problem, von welcher Warte aus immer man das sehen will, zumal es darüber hinaus auch noch um die Unmengen von Drogen – vor allem Kokain und Fentanyl – geht, die ins Land gelangen. Aber bleiben wir beim Migranten-Problem. Die Regierung Biden hat nun versucht, gemeinsam mit den Republikanern ein Gesetz auszuarbeiten, dem zufolge unter anderem die Grenze dicht gemacht wird, wenn die Tagesquote illegaler Grenzgänger an einem Tag 5.000 übersteigt.3
Was Trumps Lager natürlich sofort hochgerechnet hat und Rekordzahlen von Zuwanderern sieht. Nun können diese Menschen dem Gesetzentwurf zufolge freilich nicht einfach einwandern, können die Grenze nicht einfach illegal überqueren. Im Gegenteil, während man bislang nach der Methode »Fangen und Freilassen« gearbeitet hat, bei der Grenzschutzbeamte Migranten in die USA entlassen, wo sie auf ihre Anhörung warten können, würden Illegale sofort in Gewahrsam genommen und über ihre Asylanträge noch während der Inhaftierung entschieden werden. Personen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, würden binnen zwei Wochen abgeschoben.
Auch wenn der Entwurf härter ist, als die Demokraten sich das je gewünscht hätten, er sieht immerhin Ausnahmen von der Inhaftierung für unbegleitete Minderjährige und Familien vor. Sie würden jedoch unter kommunale Aufsicht gestellt werden; wie diese im Einzelnen aussehen würde, läge im Ermessen des Ministeriums für Heimatschutz.
Der Entwurf ist im Detail natürlich umfangreicher, aber er enthält im Prinzip all das, was die Republikaner bislang gefordert haben und vieles, was die Demokraten nie hätten haben wollen. Und die ganze Angelegenheit gestaltet sich in der Praxis komplizierter, weil eine ganze Reihe bundesstaatlicher und kommunaler Behörden involviert sind. Aber so komplex das auch sein mag, daran scheint die Vorlage letztlich nicht zu scheitern. Was sie zum Scheitern gebracht hat, ist vor allem Donald Trumps »Veto«. Gavin Newsome, Gouverneur eines ebenfalls betroffenen Grenzstaats, brachte das auf den Punkt:
»Mitch McConnell, also ich fand das beschämend, was da berichtet wurde, einfach komplett umzufallen und zu kapitulieren. Von der Schwäche des derzeitigen Sprechers des Hauses möchte ich gar nicht erst anfangen. Ich meine, die wollen keinen Deal. Period. Punkt und aus. Sie wollen keinen Deal. Sie wollen nicht, dass dies – in Anführungszeichen – ein Wahlsieg für Joe Biden wird. Das sagt alles, was man über den Betrug wissen muss, den sie in Sachen Grenze aufrechterhalten. Sie wollen daraus ein politisches Thema machen – und das war immer so …«
Wie gesagt, der Entwurf war so gar nicht nach dem Geschmack der Demokraten, aber nachdem die Republikaner die weitere Unterstützung unter anderem der Ukraine von einem Deal abhängig gemacht hatten, konnten sie nicht mehr anders. Es ist also auch nicht so, wie Trump behauptet, dass Biden nur nachgegeben hätte, weil seine Zahlen so lausig aussehen. Trumps eiserner Griff um den ohnehin altersgeschwächten Hals der Grand Old Party würgte alle einschlägigen Versuche in seiner Partei brutal ab.
Worauf selbst einige von Trumps Parteigenossen nur verständnislos den Kopf schütteln konnten. Zumal der »Befehl«, den Entwurf für diesen überparteilichen Deal plattzumachen, bereits vor Bekanntwerden des Inhalts kam. Trump sprach bereits da von einem »Verrat«.
Senator Cassidy: »Hat er denn Zugang zu dem Entwurf?«
»Sieht nicht so aus.«
Senator Cassidy: »Er wurde noch nicht veröffentlicht. Wie will er wissen, dass er einen Verrat darstellt, wenn er ihn nicht gelesen hat? Ich meine, wie ignorant kann man sein – lesen Sie den Entwurf!«
Einer der vier Republikaner die für den Gesetzesentwurf waren, darunter der Chef des Verhandlungsteams Senator James Lankford aus Oklahoma berichtet von unverhohlen Drohungen für den Fall, dass die Vorlage durchkommen sollte:
»Ich sprach vor vier Wochen mit einem beliebten Kommentator, der mir ganz offen gesagt hat, noch bevor er irgendetwas von dem Inhalt des Entwurfs wusste, von dem war ja zu dem Zeitpunkt noch nichts bekannt, sagte der Mann mir ganz offen: Wenn Sie versuchen, in diesem Präsidentschaftsjahr einen Gesetzentwurf zur Lösung der Grenzkrise vorzulegen, werde ich nichts unversucht lassen, Sie zu vernichten, da ich das Problem nicht während der Präsidentschaftswahlen gelöst sehen will.«
»Mike Johnson, der Sprecher, hat eben gesagt, dass [der Entwurf] tot im House angekommen ist, er ist tot. Wir wollen entweder ein starkes Gesetz oder gar keins, und was auch immer passiert, passiert, aber das ist im Augenblick die größte Bedrohung für unser Land.«
Und dann brüstet er sich damit, den Entwurf plattgemacht zu haben.
»Vergessen wir nicht, dass wir diese Woche auch einen weiteren großen Sieg errungen haben, den jeder Konservative feiern sollte: Wir haben Crooked Joe Bidens verheerendes Gesetz zur Öffnung der Grenzen plattgemacht. Plattgemacht.«
Dabei habe der Entwurf sich Beteiligten zufolge in der mit den Verhandlungen betrauten Kommission weitgehender Unterstützung erfreut. Ein republikanischer Senator, der nicht genannt werden wollte, sagte CNN: »Dieser Vorschlag hätte ohne Donald Trump eine so gut wie einstimmige republikanische Unterstützung gehabt.«4
Nichts könnte deutlicher machen, worum es eigentlich geht: Das Grenzproblem mit dem damit einhergehenden Chaos hat weiter zu schwären, damit Trump damit Wahlkampf, sprich Stimmung machen kann. Aber was noch schlimmer ist als dieses Maß an Zynismus, das ist wohl, dass die Masse hirnloser Adepten seines MAGA-Kults die Arie von der Schuld der Demokraten, die einfach nicht zu Potte kommen wollen, ihm nach wie vor abkauft.
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