Beschäftigen wir uns heute mit zwei der zahllosen Begriffe, die für die tickende Orange jenseits des großen Teichs Fremdwörter sind: Loyalität und Loyalität. Genauer gesagt, Loyalität gegenüber anderen und Loyalität ihr selbst gegenüber. Ein sich zeitlebens durch alle seine Beziehungen ziehendes Paradigma sieht folgendermaßen aus: Solange jemand ihm nützlich ist und in den Arsch kriecht, solange ist er geduldet; ist er nicht mehr nützlich oder lässt auch nur einen Hauch von Zweifel an seiner orangen Hoheit erkennen, bekommt er stillschweigend den Laufpass, sieht er sich abgeschossen, in die Wüste geschickt. Wenn er Glück hat. Heute findet das nämlich mit großem Brimborium öffentlich unter einem Schwall mehr oder weniger kindischer Beleidigungen statt.
Die Zahl derer, die Trump in seinem Leben den Wölfen zum Fraß vorgeworfen hat, wenn sie nicht mehr spurten oder ihm einfach nicht mehr von Nutzen waren, ist Legion. Nehmen wir, sozusagen als Appetithappen, nur ein besonders typisches Beispiel aus grauer Vorzeit.
Wie sattsam bekannt, bekam Trump von seinem Vater ein stattliches Startkapital mit auf den Weg, wahrscheinlich auch das Sammelsurium an Macken, die seinen Charakter konstituieren. Den eigentlichen Schliff jedoch bekam er von seinem Mentor, einem Mann, den gleich drei seiner Bekannten später unabhängig voneinander als »das Böse« bezeichneten: dem berühmt-berüchtigten New Yorker Anwalt Roy Cohn. Dieser hatte sich unter anderem schon als Senator McCarthys Chefjurist bei der Kommunistenhatz einen Namen gemacht, bevor er Anwalt sowohl der Mafia als auch der Erzdiözese New York wurde. Donald und Roy lernten sich kennen, als die Trumps einen Anwalt brauchten, der sie vor Gericht vertrat, nachdem sie sich geweigert hatten, in ihrem Immobilienimperium in Brooklyn und Queens an Schwarze zu vermieten. Die beiden waren sofort dicke Freunde und stürzten sich gemeinsam ins dekadente New Yorker Nachtleben.
Laut einem Artikel der New York Daily News brachte Roy Cohn Trump unter anderem bei, »das Rechtssystem zum routinemäßigen Betrug zu missbrauchen, mittels so origineller wie dynamischer Methoden Steuern zu umgehen und seine Ziele durch die Verbreitung von Unwahrheiten und Anspielungen zu erreichen«.
Herrgottnochmal: Trump hatte ein Foto von Cohn auf dem Nachttischchen stehen! Als er jedoch erfuhr, dass sein schwuler (wenn auch vehement homophober) Busenfreund an AIDS erkrankt war, ließ er ihn prompt fallen.1
Und der Mann war sein »bester Freund« und hatte ihm noch einmal was getan …
Aber nehmen wir einige der für den Augenblick relevanteren Beispiele für Trumps Verständnislosigkeit für das Konzept der Loyalität an sich. So schreibt Steven Hassan, in seinem Buch Cult of Trump, der damalige Präsident habe »seit seinem Amtsantritt Hunderte beschämt, schikaniert und herabgesetzt, insbesondere seinen einstigen Getreuen … Jeff Sessions, den er als ›geistig zurückgeblieben‹ und als ›tumben Südstaatler‹ bezeichnete«.2
Sie erinnern sich vielleicht noch: Jeff Sessions hatte sich als frischgebackener Justizminister in Trumps handverlesenem Kabinett geweigert, die Untersuchung, seines Sonderermittlers Robert Mueller bei der Untersuchung von Russlands Einmischung bei den amerikanischen Wahlen 2016 zu »beaufsichtigen«, und seinen Rücktritt erklärt. Grund dafür war ein Interessenkonflikt daraus entstanden, dass er seine Begegnungen mit dem russischen Botschafter Sergei Kisljak nicht gemeldet hatte. Anwälten des Justizministeriums hatten ihm dazu geraten: die Demokraten könnten Trump womöglich einen Strick daraus drehen. Auch wenn Trump seinen Rücktritt zunächst nicht akzeptierte, machte Sessions sich mit weiteren »Befehlsverweigerungen« so unbeliebt, dass der orangene Präsident im November 2018 schließlich seinen Rücktritt verlangte.3 Seither drischt Trump auf ihn – wie auf jeden anderen »Verräter« – gnadenlos ein.
Im Mai 2020 verteidigte Sessions zum wiederholten Mal seine damalige Entscheidung und beteuerte, er habe Präsident Donald Trump damit helfen wollen: »Wie allseits bekannt, war der Präsident mit meiner Entscheidung nicht einverstanden, aber ich habe getan, was das Gesetz von mir verlangt. Ich war eine zentrale Figur in der Kampagne und selbst Gegenstand und Zeuge der Ermittlungen, konnte also selbstverständlich nicht rechtlich an Ermittlungen gegen mich selbst beteiligt sein … Hätte ich das Gesetz ignoriert und dagegen verstoßen, hätten die Demokraten dem Präsidenten damit schweren Schaden zufügen können.«4
Aber ein Trump vergisst nie. Als Jeff Sessions 2019/20 wieder für den Senat kandierte, verweigerte Trump ihm nicht nur jede Unterstützung, er twitterte auch heftig gegen ihn, und das obwohl engste Mitarbeiter dem Präsidenten Sessions, den ersten amtierenden Senator, der Trump als Präsidentschaftskandidaten unterstützt hatte, als Getreuen für den US-Senats wärmstens empfahlen.
Übergehen wir mal Leute die endlose Reihe anderer geschasster Ungetreuer, denken Sie an Reince Priebus und seinen Rechtsberater Rudy Giuliani. Ersteren hatte er nach seiner Wahl noch als »Star« bezeichnet und zum Stabschef gemacht, dann jedoch, als seine Beliebtheit sank, seine Agenda ins Stocken geriet und seine Berater sich gegenseitig bekriegten, für seine Probleme verantwortlich gemacht und öffentlich gedemütigt.5 Giuliani, der im November 2020 eine zentrale Rolle bei Trumps Versuchen, den Ausgang der Wahl zu kippen spielte, erhob dabei vielfach widerlegte Vorwürfe des Wahlbetrugs und wurde danach vielfach juristisch belangt. Was Letzteren anbelangt, genüge hier ein Zitat aus dem Guardian: »Donald Trump hat sich mit seinem persönlichen Anwalt Rudy Giuliani zerstritten und weigert sich, [seine] Anwaltsrechnungen zu bezahlen.«6
Kommen wir lieber gleich zu seiner derzeitigen Lieblingsfeindin: Nikki Haley. Sie gehört zu den interessanten Fällen, die Trump tatsächlich scharf kritisierten (im Wahlkampf 2016), sich dann aber Trump anschloss, als die von ihr bevorzugten Kandidaten verloren. Nachdem er sie in seine Regierung geholt und zur UN-Botschafterin gemacht hatte, unterstützte sie Trump und auch bei seinem Wahlkampf 2020.7 Erst nach dem Aufstand vom 6. Januar 2021 äußerte Haley abermals Kritik an Trump, jedenfalls zunächst, dann nahm sie dies jedoch wieder zurück und sagte, die Partei brauche ihn: »Die Republikaner brauchen ihn. Ich möchte nicht, dass wir in die Zeit vor Trump zurückkehren.«8
Seit Haley sich dann selbst zur Kandidatur entschloss, hat sich das Verhältnis der beiden verschlechtert und der Ton verschärft. Nicht dass ihre Agenda sich groß von der ihres Gegners unterscheiden würde. Selbst als er sich auf die bei Mentor Roy Cohn gelernte Verleumdungsmethode verlegte und – wie schon bei Obama — behauptete, Nikki Haley komme für das Präsidentenamt nicht Frage, weil ihre Eltern bei ihrer Geburt keine US-Bürger gewesen seien, entschuldigte sie das noch: »Er ist eindeutig verunsichert. Wenn er diese Ausraster hat, Millionen für Fernsehen ausgibt, dann zeigt das seine Unsicherheit. Er weiß, dass was nicht stimmt. Ich sitze nicht rum und mache mir Gedanken darüber, ob das persönlich gemeint ist oder was er überhaupt damit meint.«
Man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, sie würde jederzeit als Vize zur Verfügung stehen, wenn Trump sie rief. Inzwischen freilich ist sie für Trump nurmehr Nikki »Spatzenhirn« Haley. Und nachdem er sich über die Abwesenheit ihres Gatten vom Wahlkampf mokiert hatte, der ein Jahr freiwillig in Dschibuti dient, ist der Ofen aus: »Wenn Sie den Dienst eines Veteranen verhöhnen, verdienen Sie nicht einmal einen Führerschein, geschweige denn das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten.«9
Übertroffen wird die Niveaulosigkeit von Trumps Angriffen auf Haley nur noch von der Behauptung, sie sei, der Unterstützung ihrer demokratischen (!) Wahlkampfspender wegen, »so weit nach links gerutscht«, dass sie es auf die Republikanische Partei an sich abgesehen habe. Unter den Idioten, die überhaupt noch Republikaner wählen, ist das vermutlich der Nagel zu ihrem Sarg.
Wer mich nicht mag, der nicht gewinnt …
Anmerkungen
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