Einer der Begriffe, der im Zusammenhang mit Donald Trump und seinen Machenschaften mit am häufigsten fällt, ist der Name einer Institution, von der wir hierzulande nicht so recht wissen, was sie eigentlich macht: der United States Supreme Court. Wer verstehen will, warum der Name des Gerichts unter den Dutzenden amerikanischer Gerichte, in denen ein mittleres Heer – vermutlich noch unbezahlter – Anwälte für ihren Mandanten rackern, ein besondere Stellung für dessen Schicksal einnimmt, müssen wir wissen, welche Aufgabe diesem Obersten Gerichtshof überhaupt zufällt und was seine Entscheidung für den Orangenen Jesus bedeutet.
Als ich vor Jahrzehnten Shana Alexanders The Pizza Connection über einen der großen New Yorker Mafia-Prozesse übersetzte, musste ich mich etwas intensiver mit der amerikanischen Gerichtsbarkeit auseinandersetzen. So war ich zunächst versucht, den Supreme Court mit »Verfassungsgericht« zu übersetzen, sah mich dann aber »rasch« (man musste damals noch in Bibliotheken gehen, um sich schlau zu machen) eines Besseren belehrt. Zwar obliegt beiden die Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit des politischen Lebens und beide können als höchste Gremien der Rechtsprechung die Urteile aller anderen Gerichte1 aufheben, aber nicht nur können in den USA sämtliche Gerichte über verfassungsrechtliche Fragen entscheiden, der Supreme Court ist im Gegensatz zu unserem Bundesverfassungsgericht2 auch kein aus dem Instanzenzug ausgegliedertes Fachgericht.
Im Falle von Donald Trump etwa bedeutet dies, dass sich der Supreme Court noch nicht einmal zwangsläufig mit der Verfassungskonformität der abschlägigen Entscheidung des Bundesberufungsgerichts für den Bundesgerichtsbezirk Dictrict of Columbia3 hinsichtlich Trumps »absoluter Immunität als Präsident« befassen muss, sondern einfach die Entscheidung der unteren Instanz stehen lassen kann. Womit auch gleich die zweite Frage beantwortet wäre, nämlich die, worum es hier geht.
Wie im fünften Eintrag meines Ultimativen Trump-Wörterbuchs ausgeführt, beruft Trump sich ja nachdrücklich auf die totale Immunität des amtierenden Präsidenten mit dem Argument, dass dieser sonst nicht handlungsfähig wäre. Die Blödsinnigkeit dieser Argumentation zeigt sich schon darin, dass die USA vor ihm 44 Präsidenten hatte, die sehr wohl handlungsfähig waren, ohne wie ein König über dem Gesetz zu stehen. Ich erinnere mich noch sehr wohl an die Watergate-Affäre und das Entsetzen, für das sie in Amerika sorgte. Ich empfehle dazu Alan J. Pakulas fantastischen Film von 1976 All the President’s Men (Die Unbestechlichen) mit Robert Redford und Dustin Hoffman.
Aber erst noch mal zur Entscheidung des dreiköpfigen Berufungsgerichts unter Vorsitz von Richterin Florence Yu Pan gegen Donald Trump: Seine Klage auf absolute Immunität des Präsidenten wurde abgewiesen, niemand stehe über dem Gesetz, das Herz der Gewaltenteilung sei die gegenseitige Kontrolle von Exekutive, Legislative und Judikative, der auch der Präsident der Vereinigten Staaten unterworfen sei, und das gelte selbstverständlich auch für die Strafgesetze.
Im Gegensatz zu den drei Richtern im eben genannten Berufungsgericht des District of Columbia sitzen im Supreme Court derzeit neun Richter.4 Sie werden vom Präsidenten ernannt und dienen auf Lebenszeit. Was beides Probleme mit sich bringt. Vor allem ersteres, da das Gericht damit, allen gegenteiligen Behauptungen zum Trotz, letztlich immer zu politischen Entscheidungen neigen wird. Ich empfehle hier gleich noch einen großen Film, The Pelican Brief (Die Akte Pelikan), in dem es um eben dieses Thema geht.
Wir haben uns bereits im Eintrag #8 dieses Wörterbuchs mit dieser Art politisch eingefärbter Entscheidungen befasst, wo es um den Schwangerschaftsabbruch, genauer gesagt um das Kippen des Urteils Roe vs. Wade ging. Trump brüstet sich ja im Wahlkampf damit, dieses bahnbrechende Urteil gekippt zu haben: Fünfzig Jahre haben’s andere versucht, ich hab damit Schluss gemacht!
Wie auch immer, im Augenblick haben wir sechs von republikanischen Präsidenten und drei von Demokraten ernannte Richter. Und nicht nur lässt das die »Progressiven« im Land um deren Entscheidung bangen, um den Dienstältesten dieser Richterriege, Clarence Thomas, wurden während seiner 32 Dienstjahre immer wieder Vorwürfe wegen Bestechlichkeit laut. Sie laufen letztlich darauf hinaus, dass der Supreme Court Gesetze für Milliardäre macht. Erschwerend kommt in Trumps Fall hinzu, dass Thomas’ Gattin Virginia ins Visier der Ermittlungen zum Sturm auf das Kapitol in Washington 2021 geriet. Sie soll den Stabschef im Weißen Haus Mark Meadows aufgefordert haben, alles zu tun, um die Wahl zu kippen. In einschlägigen Textnachrichten sprach sie vom »kriminellen Biden-Clan« und seinen »Mitverschwörern beim Wahlbetrug«.5 Weder trat Clarence Thomas darauf wie vielfach gefordert zurück, noch kam es zu einem Amtsenthebungsverfahren.
Wir haben vom Obersten Gerichtshof im Zusammenhang mit Trump bereits letzten Dezember gehört, als dieser den Antrag auf ein Schnellverfahren von Sonderankläger Jack Smith abschmetterte, der das Gericht auf eine Entscheidung in der Frage drängte, ob Trump wegen angeblicher Straftaten während seiner Amtszeit volle Immunität zustehe oder nicht. Man wolle keine Instanz überspringen, hieß es.6
Und dann wartet man auf eine höchstrichterliche Entscheidung über eine Entscheidung des Obersten Gerichts von Colorado, das Trump von den Präsidentschaftswahlen des Bundesstaates mit der Begründung disqualifiziert hatte, einen Staatsstreich angezettelt zu haben, was ihn aufgrund des 14. Zusatzartikels der US-Verfassung vom Amt ausschließe.7
Das Problem bei Trump ist dabei wie immer, ob ihn selbst eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gegen ihn in den Augen seiner hypnotisierten Wählersekte nicht noch attraktiver macht.
Anmerkungen
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