Trumps Arie von der »gestohlenen Wahl« 2020 kennen wir zur Genüge. Aber auch wenn wir sie nicht mehr hören können, sein abgrundtief dummes Stimmvieh kauft ihm die Lüge nach wie vor ab und bleibt bei der Stange, weil der verhasste Joe Biden und sein »korrupter Clan« so zwangsläufig wie Verbrecher dastehen. Wer die Lügner und Manipulatoren sprich die Verbrecher sind, daran bestand nie auch nur der geringste Zweifel für alle, die sich an den »offiziellen« News und nicht an durchgeknallten Internetspinnern aus dem QAnon-Lager oder Pseudonachrichtenkanälen wie Fox orientieren. Jetzt allerdings, mit der Offenbarung eines mitgeschnittenen Schlachtplans für die Wahl 2024, gewinnt die Lüge eine weitere, noch viel gefährlichere Dimension. Wie hierzulande, wo bereits wieder Konzentrationslager in Planung sind, ist auch die amerikanische Kabale schon viel weiter fortgeschritten, als man sich das vorstellen möchte.
Eigentlich wollte ich mein Trump-Lexikon durchziehen, ohne auf das jeweilige Tagesgeschehen, sprich auf jede einzelne Episode der Trump-Soap einzugehen, das können gestandene – und bezahlte – Journalisten weit besser als ein blutiger Laie wie ich. Da das alles hier aber letztlich nur meiner eigenen Meinungsbildung dient, möchte ich selbst erst mal verstehen, was da passiert ist und was es damit auf sich hat. Es geht um nichts Geringeres, als dass die Wahl 2024 für den völlig abgedrehten MAGA-Flügel der Republikaner, und dieser umfasst mittlerweile offensichtlich gefühlte neunzig Prozent der Partei, bereits gelaufen ist. Warum? Weil man sie sich diesmal nicht »stehlen« lässt. Selbst erklärter erster Botschafter dieser Ansicht ist ein Mann namens Roger Stone.
Roger Stone kennt Trump bereits eine Ewigkeit, genauer gesagt seit 1979, als Stone nach New York kam, um Reagans Präsidentschaftswahlkampf zu organisieren. Trump gab Stone damals 200.000 Dollar für »Reagan for President«. Miteinander bekanntgemacht hatte die beiden Trumps Mentor, der berüchtigte Mafia-Anwalt Ray Cohn.1 Und es war Liebe auf den ersten Blick.
Nach Reagans Einzug ins Weiße Haus zog Stone zusammen mit Wahlkampfmanager Paul Manafort und dem Wahlkampfveteranen Charles Black die Lobby- und Constulting-Firma Black, Manafort & Stone auf, deren Arbeit für Staaten mit problematischer Menschenrechtssituation ihr den Beinamen »Die Folterer-Lobby« eintrug. Stones eigener Aussage zufolge nahm die Firma Geld von Diktatoren und sah dann zu, dass Washington in deren Sinne handelte, oder versuchten es wenigstens.
Aber das nur nebenbei. Die Firma vertrat auch Stones neuen Freund Donald J. Trump. Bereits 1987 drängte Stone seinen Spezi, für das Amt des Präsidenten zu kandidieren, aber für Trump waren die Veranstaltungen nur eine Möglichkeit, für sein bevorstehendes Buch The Art of the Deal zu werben.2
Es folgten eine Reihe höchst unseriöser Unternehmungen des Gauner-Duos wie etwa die Demontage von Pat Buchanans Reform Party, die George W. Bush zur Präsidentschaft verhalf. Stone hatte Buchanan zur Kandidatur überredet und dann Trump mit einsteigen lassen, um Buchanans Chancen zu sabotieren.
Bei Trumps eigener Kampagne dann arbeitete Stone kurze Zeit als Berater, bevor er ausstieg oder gefeuert wurde,3 und im Hintergrund weiter für seinen Chef wirkte. Im August 2016 dann, also kurz vor der Wahl, sorgte Stone für Schlagzeilen mit einem von ihm zumindest mit arrangierten Coup: der Veröffentlichung tausender e‑Mails von Hillary Clinton und und ihrem Wahlkampfchef John Podesta. Das Timing was so perfekt, dass das Ganze sich wie ein bewusster Versuch, von Trumps »Pussy«-Tape abzulenken, ausnahm.
Inwieweit Letzteres zutrifft, ist unklar, Tatsache ist, dass Stone im Januar 2019 Opfer seiner eigenen Machenschaften wurde und sich im Rahmen von Robert Muellers Ermittlungen über eine mögliche Einmischung der Russen in die Präsidentschaftswahl wegen Behinderung der Justiz, Falschaussagen vor dem Kongress und Zeugenbeeinflussung angeklagt sah. Muellers Anklage zeigt eine Verbindung zwischen den Bemühungen von Wikileaks und der Trump-Kampagne, Hillary Clinton zu schaden. Und diese Verbindung ist Roger Stone.
Stone sah sich 2019 von einem Geschworenengericht schuldig gesprochen und zu vierzig Monaten Haft verknackt. Im Juli 2020 sorgte Trump dann für eine Umwandlung des Urteils, sodass Stone seine Haft erst gar nicht anzutreten brauchte.4
So weit so gut.
Roger Stone ist seit seiner Schulzeit ein politischer Trickser. Zunächst Demokrat, wurde er nach der Lektüre von Barry Goldwaters The Conscience of A Conservative mit zwölf (!) Jahren zum in der Wolle gefärbten Republikaner. Und ein schmutziger Trick jagte den anderen. Aber dass der Mann, der ein Konterfei Richard Nixons auf dem Rücken trägt, völlig durchgeknallt ist, wird einem erst klar, wenn man sich einige aufgezeichnete Aussagen von ihm zu Gemüte führt.
So diskutierte Stone einige Wochen vor der Wahl 2020 offensichtlich die Ermordung der demokratischen Kongress-Abgeordneten Eric Swalwell und Jerry Nadler mit einem New Yorker Polizisten: »… schnappt euch Swalwell und Nadler und erledigt das. Es ist höchste Zeit. Dann möchte ich mal den Schneid der anderen sehen … entweder Swalwell oder Nadler, einer muss noch vor der Wahl sterben. Die Botschaft muss unmissverständlich sein. Ich schau mir diesen Scheiß jedenfalls nicht länger an.«5 Eine Aussage, die Stone freilich bestreitet und als mit KI erstelltes Fake abtut.
Steve Bannon hatte sich einst als Donald Trumps Gehirn bezeichnet, aber nach allem, was sich über Roger Stone so in Erfahrung bringen lässt, dürfte dieser sich wohl die eine oder andere Hälfte von Trumps Matschbirne mit Bannon teilen. So verschieden wie die beiden äußerlich sind, der verschwitzte Schmuddel und der stets wie aus dem Ei gepeilte Dandy, wäre es interessant, wer nun für welche Hälfte zuständig ist. Für Trump jedenfalls bliebe der Hirnstamm, das fürs Grobe zuständige Reptilienhirn.
Exkurs: Mir fällt hier, es ist an dieser Stelle wirklich nur randständig interessant, eine Passage aus Schopenhauers Parerga und Paralipomena ein: »Die thierische Stimme dient allein dem Ausdrucke des Willens in seinen Erregungen und Bewegungen; die menschliche aber auch dem der Erkenntniß.« Sorry, aber Trump hat etwas Dumpf-Tierisches, einen primitiven Willen zur Macht, der … Okay, jetzt müsste man weiter Scheiß zitieren, der hier nichts zur Sache tut.
Roger Stone jedenfalls macht dieser Tage Schlagzeilen mit der unfreiwilligen Bekanntgabe von Team Trumps Plänen für die anstehende Wahl. Ein Großmaul von ähnlichem Kaliber wie Trump, kann er wohl nicht anders, und ist so durch Schmeicheleien relativ einfach aufs Glatteis zu führen. Nur ganz nebenbei: Das Ganze fand auf einer katholischen (!) Spendenveranstaltung am 16. März 2024 in Mar-a-Lago statt, zu der Stone als Keynote-Speaker geladen war.
Die Abschrift zweier aufgezeichneter Gespräche zwischen Stone und als Fan getarnten Aktivistinnen sollte uns allen nicht weniger das Fürchten lehren als die Gespräche zwischen AfD und Nazis in Berlin. Sie deuten darauf hin, dass Trumps rechte Ultras längst für Mechanismen sorgen, um die Wahl 2024 zu »stehlen«, mit anderen Worten einen auf die Behauptung umfassenden Wahlbetrugs gestützten Plan. Wir werden uns hier in den kommenden Tagen ein wenig mit dem psychologischen Begriff der »Projektion« befassen müssen.
Frage: Hi, Roger, ich bin ein Riesenfan von Ihnen … Für mich sind Sie wirklich ein amerikanischer Held … Wo wir so ein wichtiges Wahljahr haben, wollte ich Ihre Meinung hören … Was werden wir bei dieser Wahl tun, schließlich haben uns die Demokraten die letzte gestohlen?
Roger Stone: Ja, aber wir werden bis dahin ausgesprochen hart und smart arbeiten, um sicherzustellen, dass das nicht passiert. Angesichts der unglaublichen Macht, die die haben und so rücksichtslos wie sie sie einsetzen werden, sind wir schon jetzt dabei, sie zu schlagen.
F: Was heißt, wir schlagen die bereits? Ich meine, zum jetzigen Zeitpunkt–
RS: Der Prozess gegen den Präsidenten in Georgia ist in Auflösung begriffen. Meiner Ansicht nach steht der Richter in Florida kurz davor, die dortige Anklage gegen ihn fallen zu lassen. Die Sache in New York City verzögert sich und jetzt auch die in Washington.
RS: Es ist also unklar, ob es noch vor der Wahl zu einem Prozess kommt, was entscheidend wäre, um die Leute davon zu überzeugen, dass an unserer Wahlniederlage der Prozess Schuld war. Wenn sie sie stehlen, so wie’s jetzt steht, werden die Leute sagen: »Also, das gibt’s ja wohl nicht. Trump lag in allen Umfragen vorn.«
RS: Sie wollen ihn vor Gericht sehen, ihn finanziell auslaugen, ihm die Zeit stehlen, für einen Grund sorgen, der ihren Diebstahl plausibel, glaubhaft macht. Verstehen Sie?
F: Aber was kann sie davon abhalten, Wahlbetrug zu begehen? Bei Sammelabgaben von Stimmzetteln zum Beispiel.
RS: Das wird sich in einigen Staaten leichter verhindern lassen als in anderen … Aber wenn sie das diesmal machen, haben wir wenigstens einen Anwalt und einen Richter, dessen Telefonnummer wir haben, um das zu verhindern. Beim letzten Mal haben wir keine Vorbereitungen getroffen, nicht die geringsten.
F: Nun, ich war am 6. Januar am Kapitol, also ich bin bereit, da noch mal hinzugehen.
RS: Na, das ist vielleicht nicht nötig. Es gibt da technische und rechtliche Schritte, mit denen wir versuchen können, eine ehrlichere Wahl zu bekommen. So weit sind wir noch nicht, aber man kann da einiges tun …
F: Wie zum Beispiel?
RS: … Ich arbeite da mit einem Team … Gesetzesänderungen auf Staatsebene, Echtzeit-Überwachung der Wählerlisten, Wahlgesetze gerichtlich anfechten, wie wir das im Augenblick tun. Die Wahl ist ja nicht morgen. Wir haben die handschriftlichen Stimmzettel in Michigan vor Gericht angefochten … Vergessen Sie nicht, dass das Nationalkomitee der Republikaner 200 Millionen Dollar gesammelt und davon weder was für sauberere Wahlen ausgegeben hat, noch um zu sehen, was beim letzten Mal passiert ist. Wir haben [diese Mechanismen] jetzt endlich im Griff. Lassen Sie den Kopf nicht hängen, wir werden gewinnen.6
Wahlergebnisse anzufechten, verstärkte Finanzierung des RNC, das könnten durchaus legitime Mittel zur Erreichung ehrlicher Wahlen sein, aber die angesprochenen Gesetzesänderungen, die durchaus dazu dienen könnten, gewisse Wähler von der Wahl fernzuhalten, und die Aussage, dass ein erneuter Gewaltakt in Washington wohl nicht nötig, aber auch nicht auszuschließen sei? Also vor dem Hintergrund von Stones Biographie und dem unredlichen bis durchgeknallten Treiben der Republikaner allgemein jedoch erscheint das mehr als bedenklich. Vergessen wir nicht: Es fanden sich keine Hinweise auf Wahlmanipulation – außer den Versuchen der Republikaner, die Wahl mittels »fake electors«, auf den Begriff kommen wir noch, und dem Sturm auf das Kapitol zu »manipulieren«.
Leute, schnallt euch an …
Anmerkungen
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