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Trump-Wör­ter­buch #39: Heim­kehr der ver­lo­re­nen Schäfchen

Sie haben es mit­be­kom­men: Seit Mona­ten fin­den sich die ver­lo­re­nen Schäf­chen von Trumps alter Her­de wie­der klein­laut blö­kend auf sei­ner Wie­se ein. Nicht nur poli­ti­sche Geg­ner kom­men mit ein­ge­zo­ge­nem Schwanz wie­der ange­kro­chen, auch die Mil­li­ar­dä­re keh­ren mit gezück­tem Scheck­buch zurück. Kein Kli­schee über erbärm­li­ches Krie­cher­tum, kor­rup­te Macht und Mam­mon, das die­ser Tage nicht pas­sen wür­de. Die Anzie­hungs­kraft des oran­ge­nen Gas­pla­ne­ten aus Dumm­heit und Gier ist ein­fach zu groß.

Wir hat­ten Abtrün­ni­ge und Ver­rä­ter bereits durch­ge­nom­men, nicht ganz ohne Hoff­nung, wie ich zuge­ben muss. Aber selbst wäh­rend der Arbeit am dama­li­gen Ein­trag in mei­nem Trump-Lexi­kon brö­ckel­te die­se Rei­he cha­rak­ter­lich ver­meint­lich – mehr oder weni­ger – gefes­tig­ter Leu­te bereits wie­der ab. Was aller­dings jetzt pas­siert, erstaunt doch selbst all die, die kaum Zwei­fel an der Rück­kehr Trumps ins Wei­ße Haus haben, auch wenn sie es nicht so recht glau­ben wol­len. Aber ver­mut­lich ist das mehr oder weni­ger gesi­cher­te Come­back Trumps auch mit ein Grund für den Rück­fluss der alten Getreu­en, man will teil­ha­ben an der ange­kün­dig­ten abso­lu­ten Herr­schaft Trumps. Ande­re fürch­ten die Aus­wir­kun­gen einer wei­te­ren Amts­zeit Joe Bidens auf ihr Ver­mö­gen. Das heißt, die einen fürch­ten um sich, die ande­ren fürch­ten um ihr Geld.

Begin­nen wir mit Nik­ki Haley, die sich 2018 von Trump los­ge­sagt hat aus Angst, wie es aus­sieht, es könn­te etwas an ihrem poli­ti­schen Ruf hän­gen­blei­ben von dem Cha­os im Wei­ßen Haus. Wäh­rend ihrer Gegen­kan­di­da­tur sah sie sich dann von Trump in einer Tour – unter ande­rem als »Spat­zen­hirn« – belei­digt. Selbst nach ihrem Rück­zug aus dem Wahl­kampf konn­te sie noch eine erstaun­li­che Zahl von Stim­men auf sich zie­hen. Trump sei ihr zu alt und chao­tisch, mein­te sie noch im Febru­ar, außer­dem hät­te er gegen Biden ohne­hin kei­ne Chan­ce.1 Jetzt will sie Trump defi­ni­tiv ihre Stim­me geben, dem Kan­di­da­ten, der in Fra­gen »natio­na­ler Sicher­heit, Gren­zen und Steu­er­fra­gen mit ihren Ansich­ten über­ein­stim­me«. Nicht dass Trump in die­sen Berei­chen »per­fekt« gewe­sen sei, »aber Biden war eine Kata­stro­phe. Des­halb wer­de ich für Trump stim­men«.2 Ob ihre Anti-Trump-Frak­ti­on genau­so rück­grat­los ist, wird sich bei der Wahl zei­gen, aber wer woll­te dar­an zwei­feln? Erhofft sie sich einen Platz in Trumps neu­er Regie­rung? Trump selbst mein­te, sie wer­de wohl den einen oder ande­ren Platz in sei­nem Team ein­neh­men.3 Ob ihr das bei ihrer Kan­di­da­tur bei der über­nächs­ten Wahl scha­den wird? Aber wie wer­den Ame­ri­ka und die Welt dann wohl aussehen?

Ein ähn­li­cher Fall ist Ron DeS­an­tis. Der Gou­ver­neur, unter des­sen erz­kon­ser­va­ti­ver Ägi­de Flo­ri­da einen wah­ren Krieg gegen »woke« Ein­flüs­se im Bil­dungs­sys­tem sowie gegen »Umwelt- sozia­le und wirt­schaft­li­che Gover­nan­ce« führt, war eben­falls Ziel­schei­be zahl­rei­cher Belei­di­gun­gen sei­nes poli­ti­schen Geg­ners, nicht zuletzt sei­ner Kör­per­grö­ße wegen, ent­hielt sich aber der Erwi­de­rung mit der Begrün­dung, sein eigent­li­cher Feind sei Joe Biden.4 Trumps Wahl­kampf­ma­nage­ment zufol­ge hat­te DeS­an­tis um ein Gespräch gebe­ten und die bei­den tra­fen sich und schei­nen auf dem bes­ten Weg zur Ver­söh­nung. Wie Nik­ki Haley steht er unter fer­ner lie­fen auch auf der Lis­te der mög­li­chen Vize-Prä­si­den­ten, die Trump raf­fi­nier­ter­wei­se so lan­ge wie mög­lich offen und umfang­reich hält.

Der Ver­lust der Demo­kra­tie ist das klei­ne­re von zwei Übeln. 

frei nach Bill Barr

Bill Barr war, im Febru­ar 2019 von Trump zum Jus­tiz­mi­nis­ter ernannt, im Dezem­ber 2020 zurück­ge­tre­ten, da Trump 2020 sehr wohl wuss­te, dass er die Wahl ver­lo­ren hat­te.5 Er bezeich­ne­te Trumps Hand­lungs­wei­se als »ekel­haft« und »ver­ab­scheu­ungs­wür­dig«. »Jemand, der ein Ver­fah­ren, das für unser Sys­tem und unse­re Selbst­ver­wal­tung von grund­le­gen­der Bedeu­tung ist, auf die­se Wei­se unter Druck setzt, soll­te nicht ein­mal in der Nähe des Oval Office sein.«6 Trotz­dem schloss er nie aus, letzt­lich doch Trump zu wäh­len, da er sei­ner Ansicht nach das klei­ne­re Übel sei.7 Mitt­ler­wei­le hat er sich aber ent­schie­den: Er hal­te es für sei­ne Pflicht, den Kan­di­da­ten zu wäh­len, der dem Land am wenigs­tens scha­de. »Für mich ist die wah­re Gefahr für das Land, die wah­re Gefahr für die Demo­kra­tie, sagen wir mal, die pro­gres­si­ve Agen­da. Trump mag rus­si­sches Rou­lette spie­len, aber eine wei­te­re Biden-Regie­rung kommt mei­ner Ansicht nach einem natio­na­len Selbst­mord gleich.«8 Die­se wür­de­lo­se Rück­grat­lo­sig­keit ent­stammt wohl der tief­sit­zen­den Angst vor einer sich ver­än­dern­den Welt. Die­se Leu­te wol­len in ihrer pani­schen Angst das Rad der Zeit zurück­dre­hen – wenn auch in eine Ära, die immer nur in ihrer Phan­ta­sie exis­tiert hat.

Aber nicht nur Poli­ti­ker kom­men zu Trump zurück, auch die Leu­te mit dem gro­ßen Geld zücken wie­der das Scheck­buch für Wahl­kampf­spen­den, egal wie ent­schie­den sie sich irgend­wann mal gegen Trump aus­ge­spro­chen haben moch­ten. Allen vor­an Gary Cohn, heu­te Vice Chair­man von IBM, frü­her Chef von Gold­man Sachs. Der Demo­krat war unter Trump Chef des Natio­na­len Wirt­schafts­rats, bis der Ver­fech­ter einer glo­ba­lis­ti­schen Wirt­schafts­po­li­tik sich dann an den Plä­nen sei­nes Prä­si­den­ten für hap­pi­ge Ein­fuhr­steu­ern auf Stahl und Alu­mi­ni­um stieß.9 Im März 2018 trat er von sei­nem Pos­ten zurück. Berich­ten zufol­ge hat­te er bereits 2017, nach Trumps Äuße­run­gen zu den Vor­fäl­len in Char­lot­tes­ville zurück­tre­ten wol­len: »Es kann nie und nim­mer ange­hen, dass man Bür­ger, die für Gleich­heit und Frei­heit ein­tre­ten, mit wei­ßen Ras­sis­ten, Neo­na­zis und dem KKK gleich­setzt.«10 Tja, offen­sicht­lich ist das immer noch bes­ser als eine sat­te Steu­er­erhö­hung für sei­ne Einkommensklasse.

Hat­te Grün­der und Chef der US-Betei­li­gungs­fir­ma Blackstone Ste­ve Schwarz­man 2022 noch gefor­dert, die Repu­bli­ka­ner soll­ten sich nach einer neu­en Gene­ra­ti­on von füh­ren­den Köp­fen umse­hen, teilt er heu­te »die Sor­ge der meis­ten Ame­ri­ka­ner, dass unse­re Wirtschafts‑, Ein­wan­de­rungs- und Außen­po­li­tik das Land in die fal­sche Rich­tung führt. Des­halb habe ich vor, für einen Wan­del zu stim­men und Donald Trump bei der Wahl zum Prä­si­den­ten zu unterstützen«.

Lar­ry Elli­son, Grün­der und heu­te Vor­sit­zen­der des Boards des Soft­ware­rie­sen Ora­cle, auf der For­bes-Lis­te der reichs­ten Mil­li­ar­dä­re mit ganz vorn, hat sich zwar bereits 2010 der phil­an­thro­pi­schen Kam­pa­gne The Giving Pledge der Mil­li­ar­dä­re Bill Gates und War­ren Buf­fett ange­schlos­sen und bekannt­ge­ge­ben, 95% sei­nes Ver­mö­gens für wohl­tä­ti­ge Zwe­cke spen­den zu wol­len,11 aber die Bewah­rung der Demo­kra­tie ist wohl nicht so sein Ding. Hat­te er in den Vor­wah­len noch Tim Scott und Nik­ki Haley unter­stützt, öff­net er jetzt dem Ver­neh­men nach sei­ne Schatz­tru­hen wie­der für Donald Trump.12

Harold Hamm, ein Öl- und Gas­ma­gnat, von dem es hieß, er habe Trump im ver­gan­ge­nen Jahr wegen all des von ihm ver­ur­sach­ten Cha­os zur Been­di­gung sei­nes Wahl­kampfs auf­ge­for­dert, hat­te bei den Vor­wah­len Ron DeS­an­tis und Nik­ki Haley unter­stützt. Jetzt hat er sich offen­sicht­lich von Trump breit­schla­gen las­sen, der seit Mona­ten um Öl- und Gas­gel­der buhlt.13

Risi­ko­ka­pi­tal­ge­ber Doug Leo­ne (Sequoia) ist typisch für Super­rei­che, die nach dem 6. Janu­ar 2021 die Unter­stüt­zung auf­ge­kün­digt hat­ten, und dann noch wie­der Hun­dert­tau­sen­de für sei­ne Wie­der­wahl locker mach­ten. Er gibt sich zuneh­mend besorgt über »die all­ge­mei­ne Rich­tung unse­res Lan­des, unser kaput­tes Ein­wan­de­rungs­sys­tem, das aus­ufern­de Defi­zit und die außen­po­li­ti­schen Feh­ler«. Leo­ne reprä­sen­tie­re »eine klei­ne, aber wach­sen­de Sek­te im Sili­con Val­ley, die sich dem ehe­ma­li­gen Prä­si­den­ten zuge­wandt hat. Die Risi­ko­ka­pi­tal­ge­ber David Sacks und Cha­math Pali­ha­pi­ti­ya sowie Leo­nes Part­ner bei Sequoia, Shaun Magui­re, haben Trump in die­sem Wahl­zy­klus zum ers­ten Mal unter­stützt«.14

Ste­ve Rosen­thal, vom Urban-Broo­kings Tax Poli­cy Cen­ter, sag­te dazu gegen­über der Washing­ton Post: »Die Mil­li­ar­därs­klas­se fühlt sich durch Biden ernst­haft bedroht: Die­se Leu­te wol­len sich mit ihrem Reich­tum eine Dynas­tie auf­bau­en und ihn für ihre Nach­kom­men hor­ten, auf Kos­ten des Rests der Gesell­schaft.«15

Das hat auch Ber­nie San­ders erst jüngst wie­der mehr als deut­lich gesagt: »Biden will eine pro­gres­si­ve Steu­er­re­form in einer Zeit mas­si­ver Ein­kom­mens- und Ver­mö­gens­un­gleich­heit, in der die effek­ti­ve Steu­er von Mil­li­ar­dä­ren nied­ri­ger ist als die von Kran­ken­schwes­tern und Last­wa­gen­fah­rern … er will, und das zurecht, dass die Mil­li­ar­därs­klas­se end­lich ihren gerech­ten Anteil an Steu­ern zahlt. Und Sie haben Recht, in einer Zeit, in der es so viel Gier gibt, in der die Reli­gi­on der Mil­li­ar­därs­klas­se »Gier« ist … wür­den die lie­ber die Demo­kra­tie auf­ge­ben, als einen finan­zi­el­len Ver­lust ein­zu­ste­cken.«16

Anmer­kun­gen

  1. Ste­phen Coll­in­son, »Haley will vote for the Trump ‘cha­os’ that she once decried«. CNN, May 23, 2024. ↩︎
  2. The Hill Staff, »Haley’s back­ing of Trump rai­ses fresh ques­ti­ons«. The Hill — 05/23/24. ↩︎
  3. Vic­to­ria Bis­set, »Trump sug­gests Nik­ki Haley will be on his team«. The Washing­ton Post, 24.05.2024. ↩︎
  4. Ryan King, »‘I’m fight­ing Biden’: Why Ron DeS­an­tis avo­ids brawls with other Repu­bli­cans«. The Washing­ton Exami­ner. Febru­ary 17, 2023. ↩︎
  5. Bess Levin, »Bill Barr Drags Trump to Hell: He “Knew Well He Lost the Elec­tion‹«. Vani­ty Fair, August 3, 2023. ↩︎
  6. Ebda. ↩︎
  7. »Kin­zin­ger blasts Bill Barr’s sup­port for Trump«. CNN, April 30, 2024. ↩︎
  8. »Bill Barr latest cra­ven Repu­bli­can to lose spi­ne, back Trump despi­te cri­ti­cism«. MSNBC, April 18, 2024. ↩︎
  9. Bess Levin. »Bil­lionaires Who Once Dis­avo­wed Trump Are Coming Craw­ling Back (Which Might Have Some­thing to Do With Biden Vowing to Rai­se Their Taxes)«. Vani­ty Fair. March 29, 2024 ↩︎
  10. Jim Sci­ut­to, The Mad­man Theo­ry. New York: Har­per­Coll­ins: 2020. ↩︎
  11. Lar­ry Elli­son. The Giving Pledge. ↩︎
  12. Bess Levin, »Bil­lionaires«. ↩︎
  13. Bryan Metz­ger und Made­line Berg, »18 of Trump’s most wealt­hy backers«. Busi­ness Insi­der. Jun 7, 2024. ↩︎
  14. Ebda. ↩︎
  15. Josh Daw­sev. Jeff Stein. Micha­el Sche­rer and Eliza­beth Dwos­kin, »Many GOP bil­lionaires bal­ked at Jan. 6. They’­re coming back to Trump.« The Washing­topn Post. March 29, 2024. ↩︎
  16. »Ber­nie shreds bil­lionaires back­ing Trump: ‘So gree­dy’ they’ll do any­thing to keep power« MSNBC, 21.06.2024. ↩︎
SlangGuy

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