Sie haben es mitbekommen: Seit Monaten finden sich die verlorenen Schäfchen von Trumps alter Herde wieder kleinlaut blökend auf seiner Wiese ein. Nicht nur politische Gegner kommen mit eingezogenem Schwanz wieder angekrochen, auch die Milliardäre kehren mit gezücktem Scheckbuch zurück. Kein Klischee über erbärmliches Kriechertum, korrupte Macht und Mammon, das dieser Tage nicht passen würde. Die Anziehungskraft des orangenen Gasplaneten aus Dummheit und Gier ist einfach zu groß.
Wir hatten Abtrünnige und Verräter bereits durchgenommen, nicht ganz ohne Hoffnung, wie ich zugeben muss. Aber selbst während der Arbeit am damaligen Eintrag in meinem Trump-Lexikon bröckelte diese Reihe charakterlich vermeintlich – mehr oder weniger – gefestigter Leute bereits wieder ab. Was allerdings jetzt passiert, erstaunt doch selbst all die, die kaum Zweifel an der Rückkehr Trumps ins Weiße Haus haben, auch wenn sie es nicht so recht glauben wollen. Aber vermutlich ist das mehr oder weniger gesicherte Comeback Trumps auch mit ein Grund für den Rückfluss der alten Getreuen, man will teilhaben an der angekündigten absoluten Herrschaft Trumps. Andere fürchten die Auswirkungen einer weiteren Amtszeit Joe Bidens auf ihr Vermögen. Das heißt, die einen fürchten um sich, die anderen fürchten um ihr Geld.
Beginnen wir mit Nikki Haley, die sich 2018 von Trump losgesagt hat aus Angst, wie es aussieht, es könnte etwas an ihrem politischen Ruf hängenbleiben von dem Chaos im Weißen Haus. Während ihrer Gegenkandidatur sah sie sich dann von Trump in einer Tour – unter anderem als »Spatzenhirn« – beleidigt. Selbst nach ihrem Rückzug aus dem Wahlkampf konnte sie noch eine erstaunliche Zahl von Stimmen auf sich ziehen. Trump sei ihr zu alt und chaotisch, meinte sie noch im Februar, außerdem hätte er gegen Biden ohnehin keine Chance.1 Jetzt will sie Trump definitiv ihre Stimme geben, dem Kandidaten, der in Fragen »nationaler Sicherheit, Grenzen und Steuerfragen mit ihren Ansichten übereinstimme«. Nicht dass Trump in diesen Bereichen »perfekt« gewesen sei, »aber Biden war eine Katastrophe. Deshalb werde ich für Trump stimmen«.2 Ob ihre Anti-Trump-Fraktion genauso rückgratlos ist, wird sich bei der Wahl zeigen, aber wer wollte daran zweifeln? Erhofft sie sich einen Platz in Trumps neuer Regierung? Trump selbst meinte, sie werde wohl den einen oder anderen Platz in seinem Team einnehmen.3 Ob ihr das bei ihrer Kandidatur bei der übernächsten Wahl schaden wird? Aber wie werden Amerika und die Welt dann wohl aussehen?
Ein ähnlicher Fall ist Ron DeSantis. Der Gouverneur, unter dessen erzkonservativer Ägide Florida einen wahren Krieg gegen »woke« Einflüsse im Bildungssystem sowie gegen »Umwelt- soziale und wirtschaftliche Governance« führt, war ebenfalls Zielscheibe zahlreicher Beleidigungen seines politischen Gegners, nicht zuletzt seiner Körpergröße wegen, enthielt sich aber der Erwiderung mit der Begründung, sein eigentlicher Feind sei Joe Biden.4 Trumps Wahlkampfmanagement zufolge hatte DeSantis um ein Gespräch gebeten und die beiden trafen sich und scheinen auf dem besten Weg zur Versöhnung. Wie Nikki Haley steht er unter ferner liefen auch auf der Liste der möglichen Vize-Präsidenten, die Trump raffinierterweise so lange wie möglich offen und umfangreich hält.
Der Verlust der Demokratie ist das kleinere von zwei Übeln.
– frei nach Bill Barr
Bill Barr war, im Februar 2019 von Trump zum Justizminister ernannt, im Dezember 2020 zurückgetreten, da Trump 2020 sehr wohl wusste, dass er die Wahl verloren hatte.5 Er bezeichnete Trumps Handlungsweise als »ekelhaft« und »verabscheuungswürdig«. »Jemand, der ein Verfahren, das für unser System und unsere Selbstverwaltung von grundlegender Bedeutung ist, auf diese Weise unter Druck setzt, sollte nicht einmal in der Nähe des Oval Office sein.«6 Trotzdem schloss er nie aus, letztlich doch Trump zu wählen, da er seiner Ansicht nach das kleinere Übel sei.7 Mittlerweile hat er sich aber entschieden: Er halte es für seine Pflicht, den Kandidaten zu wählen, der dem Land am wenigstens schade. »Für mich ist die wahre Gefahr für das Land, die wahre Gefahr für die Demokratie, sagen wir mal, die progressive Agenda. Trump mag russisches Roulette spielen, aber eine weitere Biden-Regierung kommt meiner Ansicht nach einem nationalen Selbstmord gleich.«8 Diese würdelose Rückgratlosigkeit entstammt wohl der tiefsitzenden Angst vor einer sich verändernden Welt. Diese Leute wollen in ihrer panischen Angst das Rad der Zeit zurückdrehen – wenn auch in eine Ära, die immer nur in ihrer Phantasie existiert hat.
Aber nicht nur Politiker kommen zu Trump zurück, auch die Leute mit dem großen Geld zücken wieder das Scheckbuch für Wahlkampfspenden, egal wie entschieden sie sich irgendwann mal gegen Trump ausgesprochen haben mochten. Allen voran Gary Cohn, heute Vice Chairman von IBM, früher Chef von Goldman Sachs. Der Demokrat war unter Trump Chef des Nationalen Wirtschaftsrats, bis der Verfechter einer globalistischen Wirtschaftspolitik sich dann an den Plänen seines Präsidenten für happige Einfuhrsteuern auf Stahl und Aluminium stieß.9 Im März 2018 trat er von seinem Posten zurück. Berichten zufolge hatte er bereits 2017, nach Trumps Äußerungen zu den Vorfällen in Charlottesville zurücktreten wollen: »Es kann nie und nimmer angehen, dass man Bürger, die für Gleichheit und Freiheit eintreten, mit weißen Rassisten, Neonazis und dem KKK gleichsetzt.«10 Tja, offensichtlich ist das immer noch besser als eine satte Steuererhöhung für seine Einkommensklasse.
Hatte Gründer und Chef der US-Beteiligungsfirma Blackstone Steve Schwarzman 2022 noch gefordert, die Republikaner sollten sich nach einer neuen Generation von führenden Köpfen umsehen, teilt er heute »die Sorge der meisten Amerikaner, dass unsere Wirtschafts‑, Einwanderungs- und Außenpolitik das Land in die falsche Richtung führt. Deshalb habe ich vor, für einen Wandel zu stimmen und Donald Trump bei der Wahl zum Präsidenten zu unterstützen«.
Larry Ellison, Gründer und heute Vorsitzender des Boards des Softwareriesen Oracle, auf der Forbes-Liste der reichsten Milliardäre mit ganz vorn, hat sich zwar bereits 2010 der philanthropischen Kampagne The Giving Pledge der Milliardäre Bill Gates und Warren Buffett angeschlossen und bekanntgegeben, 95% seines Vermögens für wohltätige Zwecke spenden zu wollen,11 aber die Bewahrung der Demokratie ist wohl nicht so sein Ding. Hatte er in den Vorwahlen noch Tim Scott und Nikki Haley unterstützt, öffnet er jetzt dem Vernehmen nach seine Schatztruhen wieder für Donald Trump.12
Harold Hamm, ein Öl- und Gasmagnat, von dem es hieß, er habe Trump im vergangenen Jahr wegen all des von ihm verursachten Chaos zur Beendigung seines Wahlkampfs aufgefordert, hatte bei den Vorwahlen Ron DeSantis und Nikki Haley unterstützt. Jetzt hat er sich offensichtlich von Trump breitschlagen lassen, der seit Monaten um Öl- und Gasgelder buhlt.13
Risikokapitalgeber Doug Leone (Sequoia) ist typisch für Superreiche, die nach dem 6. Januar 2021 die Unterstützung aufgekündigt hatten, und dann noch wieder Hunderttausende für seine Wiederwahl locker machten. Er gibt sich zunehmend besorgt über »die allgemeine Richtung unseres Landes, unser kaputtes Einwanderungssystem, das ausufernde Defizit und die außenpolitischen Fehler«. Leone repräsentiere »eine kleine, aber wachsende Sekte im Silicon Valley, die sich dem ehemaligen Präsidenten zugewandt hat. Die Risikokapitalgeber David Sacks und Chamath Palihapitiya sowie Leones Partner bei Sequoia, Shaun Maguire, haben Trump in diesem Wahlzyklus zum ersten Mal unterstützt«.14
Steve Rosenthal, vom Urban-Brookings Tax Policy Center, sagte dazu gegenüber der Washington Post: »Die Milliardärsklasse fühlt sich durch Biden ernsthaft bedroht: Diese Leute wollen sich mit ihrem Reichtum eine Dynastie aufbauen und ihn für ihre Nachkommen horten, auf Kosten des Rests der Gesellschaft.«15
Das hat auch Bernie Sanders erst jüngst wieder mehr als deutlich gesagt: »Biden will eine progressive Steuerreform in einer Zeit massiver Einkommens- und Vermögensungleichheit, in der die effektive Steuer von Milliardären niedriger ist als die von Krankenschwestern und Lastwagenfahrern … er will, und das zurecht, dass die Milliardärsklasse endlich ihren gerechten Anteil an Steuern zahlt. Und Sie haben Recht, in einer Zeit, in der es so viel Gier gibt, in der die Religion der Milliardärsklasse »Gier« ist … würden die lieber die Demokratie aufgeben, als einen finanziellen Verlust einzustecken.«16
Anmerkungen
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