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Trump-Wör­ter­buch #49: Kama­la Har­ris – Letz­ter Schnau­fer der Demo­kra­tie oder Fri­scher Wind

Der ame­ri­ka­ni­sche Wahl­kampf ist nun doch noch span­nend gewor­den. Die Wür­fel schie­nen ja von Anfang an gefal­len, das Ergeb­nis fest­zu­ste­hen. Slee­py Joe war ein­fach kein Geg­ner für den Donald. Da kann die­ser eine Lüge nach der ande­ren erzäh­len, wenn ihm kei­ner Kon­tra zu geben ver­mag, ist da Hop­fen und Malz ver­lo­ren. Da kann einer noch so viel vor­zu­wei­sen haben, wenn sich alles nur noch dar­um dreht, ob der Mann die nächs­te Trep­pe schafft oder auch nur den nächs­ten Satz zu Ende bringt. Und jetzt? Eine schwe­re Last fällt einem von den Schul­tern: Joe Biden tritt von der Kan­di­da­tur zurück, schlägt sei­ne Vize-Prä­si­den­tin vor und Kama­la Har­ris nimmt die Kan­di­da­tur, mehr lachend als wei­nend, an. Und nicht nur star­tet sie auch gleich voll durch, sie sorgt sogar für die Art von Begeis­te­rung, die bei den Demo­kra­ten völ­lig ver­lo­ren gegan­gen schien.

Zum ers­ten Mal seit lan­gem herrscht wie­der ech­te Begeis­te­rung bei den Demo­kra­ten. Und wenn die jetzt nicht ihre Ener­gien auf Gegen­kan­di­da­ten ver­pul­vern, son­dern sich geschlos­sen hin­ter Kama­la Har­ris stel­len, dann locken sie viel­leicht noch so eini­ge bis­her Unent­schlos­se­ne oder aus wel­chen Grün­den auch immer Wahl­un­wil­li­ge hin­term Ofen her­vor. So wie es aus­sieht, hat sie jedoch bereits die nöti­ge Stim­men­zahl zur Bestä­ti­gung ihrer Kan­di­da­tur bei­sam­men.1 Außer­dem hat sie in den paar Tagen seit Biden Rück­tritt schon eine Rekord­sum­me von weit über 100 Mil­lio­nen Dol­lar in die Wahl­kampf­kas­se gebracht. Und beson­ders wich­tig ist dabei, dass vie­le der Spen­der zum ers­ten Mal gege­ben haben.2 Außer­dem mel­de­ten sich seit­her über 60.000 Wahl­kampf­hel­fer, das heißt Leu­te, die zum Bei­spiel von Tür zu Tür gehen.

Das ging von unten nach oben … Die Leu­te stell­ten sich spon­tan hin­ter sie. Die Begeis­te­rung in die­ser gro­ßen, diver­sen und reprä­sen­ta­ti­ven Par­tei war ganz erstaun­lich. Sie was greif­bar. Zum Schnei­den dick. – Chuck Schu­mer3

Kama­la Har­ris ist Jahr­gang 64 und damit schon mal bei wei­tem jün­ger als Trump (Jg. 46). Womit Trump schon mal einen sei­ner »schla­gen­den« Punk­te – sich über Bidens Alter lus­tig zu machen – ver­liert. Har­ris hat es zwar nicht nötig, Trump des­halb run­ter­zu­ma­chen, immer­hin hat sie tat­säch­lich ein poli­ti­sches Pro­gramm, soll­te es aber durch­aus hin und wie­der erwäh­nen, wenn Trump auf stich­hal­ti­ge Fra­gen wie­der mal nichts als Lügen, Müll und Belei­di­gun­gen zu bie­ten hat. Erfah­rung bringt sie selbst­re­dend mit, nicht nur als Vize-Prä­si­den­tin, son­dern auch als Sena­to­rin für und Jus­tiz­mi­nis­te­rin von Kali­for­ni­en. Die gebür­ti­ge Kali­for­nie­rin arbei­te­te sich nach dem Jura­stu­di­um bei der Staats­an­walt­schaft nach oben. Was einer der Punk­te sein dürf­te, der ihr bei der Wahl scha­den könn­te, immer­hin habe sie, so die Unter­stel­lung »über 1.500 Schwar­ze wegen Mari­hua­na-Delik­ten ins Gefäng­nis gebracht und dann dar­über gelacht hat, als sie gefragt wur­de, ob sie jemals Mari­hua­na geraucht hat«.4 Auch wenn etwas irre­füh­rend ist, Muni­ti­on für den Wahl­kampf ist es alle­mal. Sie selbst behaup­tet, man habe Leu­te eher sel­ten wegen klei­ner Dro­gen­de­lik­te weg­ge­sperrt, räumt aber ein, dass wir, »so eilig wie wir es hat­ten, die Stra­ßen zu säu­bern, eine öffent­li­che Gesund­heits­kri­se kri­mi­na­li­sier­ten«.5 Immer­hin spiel­te ihr ihre Ver­gan­gen­heit bei der Staats­an­walt­schaft ihre ers­te hef­ti­ge Spit­ze gegen Trump in die Hand: Als Staats­an­wäl­tin habe sie es mit Straf­tä­tern aller Art zu tun gehabt, sag­te sie bei ihrer ers­ten Wahl­kampf­re­de. »Seri­en­tä­ter, die Frau­en miss­brauch­ten, Hoch­stap­ler, die Ver­brau­cher abzock­ten, Betrü­ger, die zu ihrem eige­nen Vor­teil gegen die Regeln ver­stie­ßen … Sie kön­nen mir also glau­ben, wenn ich sage, ich ken­ne Donald Trumps Typ.«6 Sie begann ihren Wahl­kampf übri­gens aus­ge­rech­net in Mil­wau­kee, der Stadt, in der die Repu­bli­ka­ner eine Woche zuvor noch ihren Par­tei­tag hat­ten. Eine köst­li­che Iro­nie, wie man auf MSNBC meint.7

Trump reagiert damit wie­der mit sei­ner – offen­bar geni­al auf sei­ne unter­be­lich­te­te Ziel­grup­pe zuge­schnit­te­ne – infan­ti­len Sand­kas­ten­tak­tik und wirft mit Kacke: Kama­la Har­ris sei »ver­rückt«, »bekloppt«, »dumm wie Brot«8 und eine »Wahn­sin­ni­ge vom links­ra­di­ka­len Rand«.9

Aber rhe­to­ri­sche Spit­zen und ande­re iro­ni­sche Köst­lich­kei­ten bei­sei­te, mal ehr­lich: In der ame­ri­ka­ni­schen Poli­tik jeman­den zu hören, der sich tat­säch­lich wie ein Poli­ti­ker anhört, wie wir sie uns in Euro­pa vor­stel­len, das tut gut. Sicher, Biden hat auch über sein Pro­gramm gespro­chen, aber es fehl­te eben ein­fach der Saft. Oder bes­ser: »Wir lit­ten an einem Man­gel an Begeis­te­rung«, wie Clai­re McCas­kill, eine ehe­ma­li­ge Sena­to­rin aus Mis­sou­ri, es aus­drück­te.10

Ich hab’ dich im Auge, Kid. 

– Joe Biden an Kama­la Harris

Die gro­ße Fra­ge ist jetzt letzt­lich, ob die Unlust, demo­kra­tisch zu wäh­len, mehr auf Bidens Kon­to ging oder auf die Platt­form der Demo­kra­ten selbst. Wer von bei­den war unterm Strich für die lau­en Umfra­ge­er­geb­nis­se ver­ant­wort­lich? Man möch­te hof­fen, dass da end­lich wie­der über Poli­tik gespro­chen wird. Und wenn Trump wie­der mal irgend­wel­che Ver­bre­chen ille­ga­ler Zuwan­de­rer auf­zählt,11 soll­te man ihm nicht nur ent­ge­gen­hal­ten, dass er den Beginn einer Lösung der Grenz­kri­se mit allen Mit­teln ver­hin­dert hat, man soll­te ihm auch die Zahl all derer ent­ge­gen­hal­ten, die durch die Wei­ge­rung sei­ner Par­tei ster­ben, irgend etwas gegen all die auto­ma­ti­schen Waf­fen im Land zu tun. Har­ris soll­te dem Mann auch nicht eine sei­ner Hetz­re­den und faust­di­cken Lügen durch­ge­hen las­sen. Sie soll­te ihn als den ver­lo­ge­nen Idio­ten daste­hen las­sen, der er tat­säch­lich ist. Und sie soll­te ruhig sein eige­nes Argu­ment gegen Biden benutz­ten, näm­lich dass er – Trump – zu alt für die­sen Job ist.

Könn­te die »radi­ka­le Lin­ke«, wie Trump Har­ris nennt, die Ame­ri­ka­ner dazu brin­gen, end­lich Far­be zu kön­nen: Wol­len sie auf die welt­weit übli­che demo­kra­tisch chao­ti­sche Wei­se wei­ter­wurs­teln oder wol­len sie eine von Trump als abso­lu­ter Herr­scher gegän­gel­te Diktatur. 

Anmer­kun­gen

  1. »‘Panic with a dose of racism’: Repu­bli­cans scram­ble as Har­ris ener­gi­zes voters«. MSCNB. You­Tube 24.07.2024. »Eye Ope­ner: Kama­la Har­ris secu­res enough dele­ga­tes for the Demo­cra­tic pre­si­den­ti­al nomi­na­ti­on«. CBS News. 23.07.2024. ↩︎
  2. »‘Panic with a dose of racism’: Repu­bli­cans scram­ble as Har­ris ener­gi­zes voters«. MSCNB. ↩︎
  3. Al Wea­ver, »Schu­mer, Jef­fries endor­se Har­ris for pre­si­dent«. The Hill. 07/23/24. ↩︎
  4. Char­lot­te Mason, »Mis­lea­ding cla­im says Har­ris jai­led 1,500 Black men for mari­jua­na«. AFP Fact Check. Octo­ber 20, 2020. ↩︎
  5. Zoe Wil­liams, »The Kama­la Har­ris cheat sheet: 18 things to know about the woman who might be pre­si­dent«. THe Guar­di­an. Mon 22 Jul 2024. ↩︎
  6. Bri­an Ben­nett, »‘I Know Donald Trump’s Type’: Har­ris Laun­ches New Attack as She Takes Over Cam­paign«. Time Maga­zi­ne, July 22, 2024. ↩︎
  7. »‘Panic with a dose of racism’: Repu­bli­cans scram­ble as Har­ris ener­gi­zes voters«. MSCNB. ↩︎
  8. Nata­lie Alli­son, »Har­ris and Trump launch lines of attack: A crook or ‘Dumb as a Rock’«. Poli­ti­co. 07/23/2024. ↩︎
  9. Nata­lie Alli­son, »As Trump unloads on Har­ris, even his sup­port­ers see her gai­ning ground«. Poli­ti­co. 07/24/2024. ↩︎
  10. »Insi­de With Jen Psa­ki«. MSNBC July 23, 2024 ↩︎
  11. Gerar­do Pons, »Read Donald Trump’s full RNC speech accep­ting GOP nomi­na­ti­on«. NBC Bos­ton. July 19, 2024. ↩︎
SlangGuy

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