Kamala Harris, Präsidentschaftskandidatin der amerikanischen Demokraten, hat sich entschieden, wer im Falle ihres Wahlerfolgs mit ihr ins Weiße Haus einziehen würde. Der Mann ihrer Wahl, Tim Walz, ist ein relativ unbeschriebenes Blatt in der nationalen amerikanischen Politik, konnte aber mittlerweile durchaus bereits punkten, nicht zuletzt weil Trumps – Peter Thiels? – Wahlpartner, J.D. Vance sich zunehmend als Lusche, um nicht zu sagen als Problem entpuppt.
Wir haben mittlerweile gelernt, was im politischen Kontext der USA ein »Ticket« ist, ein Team aus mindestens zwei Leuten, die gemeinsam auf einem einzigen Stimmzettel stehen und mit einem einzigen Kreuzchen gewählt werden. Ein “running mate” ist eine Person, die in untergeordneter Position zusammen mit einer anderen Person auf einem gemeinsamen Ticket bei einer Wahl antritt. War Kamala Harris eben noch der Running Mate von Joe Biden, so ist Tim Walz jetzt der Running Mate von Kamala Harris.
Timothy James Walz, Jahrgang 1964, hat einen deutschen Ur-Urgroßvater, der 1867 in die Vereinigten Staaten ausgewandert war, und darüber hinaus noch Luxemburg, Schweden und Irland im Blut. Was ihn zum Bilderbuchbeispiel für den amerikanischen Schmelztiegel macht. Außerdem ist er Katholik, war Sozialkundelehrer und Football-Coach an einer High School, dann Abgeordneter im US-Repräsentantenhaus für Minnesota und ist seit 2019 Gouverneur von Minnesota. Das ist eine durchaus beeindruckende Laufbahn für jemanden, der sich nach dem Tod seines Vaters eine Zeitlang Amerika ansah und in Arkansas einer Fabrik arbeitete, bevor er wieder nach Hause ging.1
Wir normalen Nachrichten-Verfolger haben den Namen Tim Walz nur einmal – ganz nebenbei – mitbekommen, unwitzigerweise ebenfalls im Zusammenhang mit Donald Trump und – noch unkomischer – im Zusammenhang mit den Ereignissen um die Ermordung von George Floyd. Als es zu gewalttätigen Protesten kam, twitterte Trump damals: »Diese VERBRECHER entehren das Andenken von George Floyd, und das werde ich nicht zulassen. Ich habe eben mit Gouverneur Tim Walz gesprochen und ihm gesagt, dass das Militär voll und ganz hinter ihm steht. Sollte es Probleme geben, übernehmen wir die Kontrolle, aber wenn die zu plündern anfangen, wird geschossen.«2 Die Geschichte des Reims »You loot, we shoot!« aufzuarbeiten, würde hier zu weit führen und einem historisch Ahnungslosen wie Trump zu viel der Ehre erweisen. Viel zu viel. Ich sage nur, das war vermutlich das erste Mal, dass man außerhalb von Minnesota den Namen Tim Walz gehört hat. Nicht dass Walz auf Trumps krankes Angebot eingegangen wäre, im Gegenteil, er erntete von den Progressiven für seinen bedachten Umgang im Fall George Floyd einiges Lob.
Natürlich suchen die Republikaner sofort nach Schwachstellen an dem Mann. Auf ihre übliche Art, versteht sich. Denken Sie an Trumps kindischen Versuch, Kamala Harris Namen auf dieselbe Art zu verhunzen, wie er das schon bei Barack Obama versucht hatte. Nicht zu vergessen seine Nummer mit dem Zweifel an ihrem Geburtsort. Jetzt ist Tim Walz dran. Vance greift seine Laufbahn beim Militär an. Walz habe seine 20-jährige Laufbahn bei der Nationalgarde von Minnesota an den Nagel gehängt, um der Abkommandierung nach Irak zu entgehen. Nicht dass sich dafür Belege finden ließen.3 Und Vance war als Pressesprecher der Marines im Irak – ihm pfiffen da nicht gerade die Kugel um die Ohren. Aber natürlich versucht man damit Meinung bei der Wählergruppe zu machen, die Wert darauf legen, dass jemand gedient hat. Karoline Leavitt, Pressesprecherin der Trump-Kampagne, setzt noch einen drauf und nennt Walz einen »Betrüger, der Schusswaffen verbieten will, wie die, die er angeblich im Krieg getragen hat – nur dass Tim Walz nie ein Kampfgebiet gesehen und über seine Dienstzeit in der Nationalgarde gelogen hat«. Da ist so vieles dran krank, aber vielleicht sollte jemand auf die Art und Weise zurückkommen, wie Trump anno dunnemals dem Militärdienst in Vietnam entging: »Mr. Trump«, so weiß sein ehemaliger Anwalt Michael Cohen zu berichten, »behauptete, dass (seine Rückstellung aus medizinischen Gründen) wegen eines Knochensporns erfolgte, aber als ich um die medizinischen Unterlagen dafür bat, gab er mir keine und meinte, es hätte nie eine Operation gegeben … Er wies mich an, einschlägige Fragen der Reporter einfach nicht zu beantworten … Er beendete das Gespräch mit der Bemerkung: ›Hältst du mich für blöd, ich geh doch nicht nach Vietnam.‹«4 Trump wurde fünfmal zurückgestellt, auf dem Höhepunkt des Vietnamkriegs. Viermal weil er noch studierte. Das fünfte Mal war besagte medizinische Rückstellung nach seinem Hochschulabschluss.5 Die Demokraten sollten das parat haben, ihm sein verlogenes Maul stopfen, wenn er wieder mal auf andere losgeht.
Aber das nur als Konterschläge ad hoc. Die Demokraten sollten endlich aufhören, sich von Trump Tempo und Themen diktieren zu lassen. Man möchte kaum glauben, dass es jetzt acht Jahre um nichts anderes geht als um diesen verschwitzten Bettnässer, der stundenlang darüber jammert, dass jemand an dem goldenen Löffel in seinem Arsch zieht! Wie gesagt: zurückschlagen, den Mann in seine Ecke schicken, aber dann Politik machen. Und nach allem, was man so hört, kann Tim Walz auch richtige Politik. Fangen wir doch mit den »Problemgruppen« an. Scott Dibble, Senator in Minnesota, zuvor der dritte offen schwule Abgeordnete im dortigen Repräsentantenhaus, Queer-HIV/AIDS-LGBTQ+-Aktivist, sagt über Tim Walz: »Mir würde jetzt niemand einfallen, der es mit dem aufnehmen könnte, was er in seinem Leben geschafft hat.«6 Wie hört sich das an gegenüber dem, was Michael Cohen über Donald Trump gesagt hat: »Er ist ein Rassist. Er ist ein Hochstapler. Er ist ein Betrüger.«7
Ein weiteres Merkmal, das Tim Walz bzw. dem Ticket Harris/Walz entweder Stimmen bringen oder kosten wird, ist der Umstand, dass die beiden Kinder die er mit seiner Frau Gwen hat, beide durch IVF und Fruchtbarkeitsbehandlung das Licht der Welt erblicken durften: »Es hat seinen Grund, dass wir unsere Tochter Hope getauft haben«, sagt er.8
Ein eher witziges Detail aus der politischen Biographie des Mannes ist, dass er nach der Legalisierung von Marihuana für den Freizeitgebrauch in Minnesota eine Hanfladen-Inhaberin zur obersten Cannabis-Beauftragten des Staates machte, ein Posten, von dem die Gute schon am nächsten Tag zurücktreten musste, weil in ihrem Laden eben auch einige illegale Produkte über den Tisch gingen und die Steuer hinter ihr her war etc.9 Da war er wohl einen Zacken zu unbedacht liberal. Auf der anderen Seite gab Tim Walz geschätzten 55.000 Ex-Knastologen das Wahlrecht zurück.10 Außerdem hat er per Erlass für ein Gesetz gesorgt, das Leuten mit Gender-Problemen Unterstützung zusagt. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Republikaner praktisch durch die Bank alles plattmachen wollen, was auch nur irgendwie anerkennt, dass es so etwas wie LGBT überhaupt gibt.
Für den Außenstehenden nimmt sich das auf den Ersten Blick ganz interessant aus. Aber natürlich gibt es noch eine Menge anderer Probleme, allen voran das des Gaza-Streifen oder besser gesagt der Israelis an sich. Es sieht ja ganz so aus, als hätte Harris Gouverneur Tim Walz dem Gouverneur von Pennsylvania Josh Shapiro vorziehen müssen, weil man in Shapiros Haltung zum Krieg zwischen Israel und Hamas ein Problem sah. Aber Walz’ Positionen sind denen anderer Demokraten weitgehend ähnlich. Er ist für eine Zwei-Staaten-Lösung und für Israels Recht auf Selbstverteidigung, bezeichnet die humanitäre Krise im Gazastreifen als »unerträglich« und lobte das Engagement pro-palästinensischer Aktivisten. Ob der Wähler da durchblickt und wie er sich dann entscheiden wird, ist nicht abzusehen.11
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