Ob die Welt auf einen zweistündigen Plausch zwischen Donald Trump und Elon Musk gewartet hatte, sei ebenso dahingestellt wie eine mögliche Wirkung auf den Wähler. Tatsache ist, dass das Transkript dieser Unterhaltung sich von Trumps Tweets und Wahlkampfreden bestenfalls dadurch unterscheidet, dass ihm jemand die Themen souffliert. Nicht dass man kritische Fragen erwartet hätte von einem steinreichen Fanboy, dessen Super Pac Trumps Wahlkampf mit Millionen unterstützt, aber seinem Gesprächspartner nur das Wort zu reden, um nicht zu sagen, ihn anzufeuern, das war denn doch etwas enttäuschend. Dass Musk dabei denselben wirren Gedankengang, dieselbe wirre Sprache an den Tag legte wie »der Kandidat«, war fast so interessant wie einige der merkwürdigen Ansichten, die ihm so ganz nebenbei aus dem Mund fielen.
Man erinnere sich daran, wie mal ein erstauntes Raunen durch den Blätterwald ging, Trump habe sich endlich »wie ein Präsident« verhalten – nachdem er bis dahin nur der Clown gewesen war. Man zweifelte am Verstand so einiger Journalisten, aber irgendwie hatte der Mann das Niveau dessen, was von einem Präsidenten der USA zu erwarten war, bereits auf ein Niveau gedrückt, das alles, was nicht an zertifizierten Schwachsinn grenzte, zwangsläufig als Leistung erscheinen ließ. Das einzig Vergleichbare ist die Art und Weise, wie man Joe Biden als Bezwinger der nächsten Treppe beklatscht.
Wie auch immer, man könnte auf den Gedanken kommen, die Milliardäre aus dem Silicon Valley wünschen sich Donald Trump als Amerikas CEO. Sie erinnern sich, ja? Man sollte einen Staat wie ein Unternehmen führen?1 Und die Milliardäre aus dem Silicon Valley sehen sich dabei wohl bereits im Vorstand des Unternehmens USA. Ein Dutzend »Übermenschen« flüstert ihrer Marionette ein, was sie dem Rest der Welt, Pardon, uns »Untermenschen« anschaffen bzw. zumuten soll. Es geht um Macht, vermutlich auch darum, Steuern zu sparen. Das Parteiprogramm der Republikaner verspricht nicht nur, die Steuersenkungen von 2017 zu verlängern, was Elon Musk im nächsten Jahrzehnt Milliarden in die Tasche spülen dürfte, es verspricht auch eine Modernisierung des Militärs. Und auch hier dürfte Musk auftragstechnisch bestens platziert sein.2
Elon Musk ist womöglich der einflussreichste, vielleicht mächtigste Privatmann der Welt – denken Sie nur an seine Satelliten-Flotte3, denken Sie an Tesla, denken Sie an X. Was Trump anbelangt, so hat er eine rasante Entwicklung hinter sich: »Ich habe nichts gegen den Mann«, schrieb Musk im Juli 2022 auf Twitter, »aber es ist an der Zeit, dass Trump den Hut an den Nagel hängt & in den Sonnenuntergang segelt.«4 Noch im März 2024 schrieb er auf X: »Nur damit da keine Zweifel aufkommen, ich spende weder dem einen noch dem anderen Präsidentschaftskandidaten.«5 Mit Trumps Schuldspruch in New York schien sich das schlagartig zu ändern. Zwar dementiert Musk, dass der unter anderem von ihm gegründete America PAC 45 Millionen Dollar monatlich in Trumps Kampagne pumpen wolle, aber man hat bereits einige Millionen locker gemacht. Und jetzt schmierten die beiden sich zwei Stunden lang Rotz um die Backe. Einer des Lobes für den anderen voller als der andere.
Aber worum ging’s denn nun eigentlich dabei?
Nun, das Gespräch beginnt mit einer Steilvorlage. Musk drückt seine Bewunderung für Trumps Verhalten bei dem Attentat in Butler zum Ausdruck. Sein Fight! Fight! Fight! unmittelbar nach den Schüssen sei genau das, wofür ein US-Präsident zu stehen habe, für ein Amerika, das unter Beschuss Stärke zeige. Und er gibt damit die Bühne frei für einen wirren Monolog, der Trumps Überleben zu einem Wunder erklärt. Dass er im Augenblick des Schusses den Kopf in einen Winkel zum Schützen gedreht habe, der ihn nur das Ohr streifen ließ, da müsse man ja gläubig werden. Nicht dass er nicht bereits an Gott geglaubt hätte, schiebt er rasch nach, aber seither umso glaube er umso mehr. Und auch der Anlass dafür, den Kopf zu drehen, die Immigrationstabelle, das Schaubild, das Diagramm zu den Einwanderungszahlen – wenn das mal kein Zeichen gewesen sei. Auf diesen Gedanken kommt übrigens Musk, Trump nimmt ihn nur sofort auf: »Die illegale Einwanderung hat mir das Leben gerettet … Das war höhere Gewalt, das war Gott, und ich fühle mich dadurch geehrt.«
Immerhin bringt sie das Einwanderungsdiagramm nach 20 Minuten endlich auf ein anderes Thema, und man muss es Musk zugutehalten, dass er sofort Trumps Zuwanderungsfeindlichkeit relativiert, sie auf illegale Zuwanderung begrenzt, und Trump die Aussage abringt, dass nicht alle Einwanderer »schlecht« seien.
Trump wäre freilich nicht Trump, wenn er an einem Gedanken festhalten könnte, und so muss er rasch noch – zurecht – darauf hinweisen, dass Kamala Harris ihm die Idee von der Steuerfreiheit für Trinkgelder gestohlen habe. Und Trump wäre nicht Trump, wenn er dabei nicht auch gleich hoffnungslos übertreiben müsste mit der Behauptung, das Finanzamt hätte 88.000 Beamte eingestellt, viele davon, um »Kellnerinnen und Caddies« zu traktieren. Dass das Finanzamt (IRS) insgesamt gerade mal knapp 83.000 Leute hat, zeigt, dass er immerhin mal von der Zahl der Finanzbeamten gehört haben dürfte. Vermutlich weil die in seiner nächsten Amtszeit im Zuge des Kampfs gegen den Tiefen Staat verschwinden sollen.
Aber dann kommen die beiden auf die Einwanderung zurück. Und da geht Trump wieder in die Vollen: 20 Millionen Leute seien da über die Grenze gekommen, darunter viele aus Gefängnissen und Irrenanstalten und natürlich jede Menge Terroristen. Die offiziellen Zahlen liegen bei 10 Millionen »Aufgegriffenen« zwischen Februar 2021 und Juni 2024. Wovon so einige gleich wieder ausgewiesen wurden. Und für die Behauptung, dass davon »viele« aus welchen Anstalten auch immer gekommen seien, gibt es bislang keinen Beweis. Und im nächsten Augenblick ist Trump gleich wieder bei »Millionen im Monat«. Immerhin versucht Musk, Trump Worte zur Milderung seiner Position zu soufflieren, als er die Meinung äußer, die meisten illegalen Einwanderer seien ja wohl anständige Leute, aber das lasse sich ja wohl nur durch eine vernünftige Prüfung auf Herz und Nieren feststellen. Eine solche sei das A und O jeder Zuwanderung. Sei das auch Trumps Position? Und Trump darauf: »Ich sag einfach so, sie müssen legal reinkommen, sie müssen geprüft werden.« Dummerweise setzt Musk hier noch einen drauf, indem er die Frage aufwirft, warum Berufsverbrecher überhaupt so lange überlegen, bevor sie in die USA kommen, wo dort Verbrechen viel leichter und ungestraft zu begehen sind.
Und Musk greift gleich noch mal voll rein, als es um den Rücktritt von Joe Biden als Kandidat geht. Trump, der natürlich lieber gegen Biden angetreten wäre, da ihm dieser Sieg sicher war, spricht ja von einem »Coup«, mit dem die Demokraten ihren Kandidaten abgesägt hätten. Und Musk meint dazu: »Die haben ihn im Grunde hinter den Schuppen gezerrt und erschossen.«6
Nachdem Musk den Leuten da draußen erklärt hat, was Inflation ist, und Trump von seinem phantastischem Verhältnis mit Putin, Xi und Kim erzählt und versichert hat, dass unter seiner Präsidentschaft weder die Ukraine, noch Gaza passiert wären, kommt man auf das nächste Steckenpferd zu sprechen: die Abschaffung des Bundes-Bildungsministeriums; dessen Aufgaben sollen wieder zurück an die Bundesstaaten gehen, was Musk für eine gute Idee hält, weil das für Konkurrenz sorgen würde. Schließlich würden die Leute dann in Staaten mit besseren Bildungsmöglichkeiten ziehen. Trumps Ansicht nach würden 30 bis 35 der Staaten davon profitieren, die anderen eher nicht. Was immer das heißen mag.
Als Trump mit seinen Öl-Plänen für Alaska prahlt, die Biden abgeschossen hat, hält Musk immerhin etwas dagegen, dass man – auch wenn »das Haus noch nicht brennt« – doch eher schneller als langsamer in Richtung Erneuerbar/Nachhaltig gehen sollte. Aber gemessen an seiner langjährigen Haltung in Sachen Klima, ist er, seinen Aussagen in diesem Gespräch nach zu urteilen, kräftig zurückgerudert. Und selbst seine Einwände wären im Falle eines MAGA-Wahlsiegs natürlich in den Wind gesprochen, schließlich wiederholt Trump im Wahlkampf tagtäglich seine Devise: Wir werden bohren, bohren, bohren. Drill, baby, drill!
In einem anderen wunden Punkt sind die beiden sich jedoch einig: dass die Regierung Biden einen politisch motivierten juristischen Krieg gegen Trump führt. Musk bringt das aufs Tapet. Er selbst habe seine Erfahrungen mit so etwas machen müssen. Und das obwohl er doch zeitlebens eher »leicht links« gewesen sei: »Ich bin eigentlich, also ich sehe mich selbst als gemäßigten Demokraten, aber jetzt habe ich das Gefühl, wir sind an einem wirklich kritischen Punkt für das Land angelangt.« Das Problem sei, dass die Regierung Biden eben nicht mehr »gemäßigt« sei, was letztlich wieder nur eine Vorlage für massive Kritik an Kamala Harris ist, die praktisch linksaußen sei. Ihr Vater sei ein »marxistischer Wirtschaftswissenschaftler«.7 Womit die Basis für die Warnung gegen diese Frau aufgebaut ist: Amerika, so Musk, befinde sich an einem Scheideweg, Trump sei dabei der Weg zur Prosperität, Harris, so »seine ehrliche Meinung«, sei das Gegenteil. Was Trump einmal mehr als Räuberleiter für eine seiner üblichen Tiraden dient: »San Francisco … vor 15 Jahren hatte ich da einen großartigen Freund, Bob Tish, der es die großartigste Stadt in Amerika genannt hat, und jetzt ist es das nicht mehr, es ist kaum noch bewohnbar, und Kalifornien genauso, und [Kamala] war an der Zerstörung San Franciscos und der Zerstörung Kaliforniens beteiligt, und sie wird an der Zerstörung unseres Landes beteiligt sein, wenn die Menschen nicht gescheit genug sind, sie nicht zu wählen.«
Einig sind die beiden sich auch, was »Deregulierung« angeht. Musk meint, Reagan habe da in den 80ern Großartiges geleistet, aber das sei ja nun 40 Jahre her. Und okay, während Trumps Amtszeit sei da ja auch einiges passiert, aber … wohl nicht genug. Was die beiden im Einzelnen unter Deregulierung verstehen, darauf gehen sie nicht ein. Hier müsste man wohl auf einschlägige Maßnahmen und deren Erfolge oder Misserfolge zurückblicken, was sich weit schwieriger gestaltet, als man vermuten könnte.8 Aber um Feinheiten ging es in diesem Gespräch ohnehin nicht. Unterm Strich, so das Fazit hier, soll Deregulierung die Ausgaben des Bundeshaushalts und damit auch die Inflation reduzieren. Dass der mit Abstand größte Posten seiner Deregulierungsmaßnahmen in den Bereich Umweltpolitik bzw. Umweltschutz fiel, sagt einiges über die Problematik dessen, was Trump unter Deregulierung versteht.
Dieses »Interview« ist der Beleg für den Bund eines ebenso launischen wie gefährlichen Gespanns. Das Maß, in dem sich ihre Interessen decken, ist beängstigend, seien es ihre Probleme mit staatlicher Regulierung, seien es die mit der Arbeiterschaft,9 zu schweigen von ihren Sympathien für Russland. Immerhin ist die Ukraine von Starlink abhängig.10 Und dann sind beide Partner so größenwahnsinnig wie empfindlich, beide haben sie eine soziopathische Ader, die sie Kollateralschäden im Rahmen ihrer Selbstverwirklichung, ohne mit der Wimper zu zucken, in Kauf nehmen lässt. Man kann nur hoffen, dass sie die Wahl verlieren und auch diese Ehe den Weg der meisten anderen Ehen geht.
Anmerkungen
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