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Trump-Wör­ter­buch #58: Die Saat des Unheils – Zwei­fel an der Wahl 2024

Selbst wenn Har­ris gewin­nen soll­te, ist die Wahl nicht geges­sen, sind die USA die Oran­ge nicht los. Das Ver­trau­en in das poli­ti­sche Sys­tem ist durch Trumps unab­läs­si­gen Strom von Lügen und Ver­schwö­rungs­theo­rien aller Art der­art gesun­ken, dass es ein Leich­tes sein dürf­te, repu­bli­ka­ni­schen Wäh­lern erneut die Lüge von einer gestoh­le­nen Wahl ein­zu­re­den. Nur dass man dies­mal erst gar nicht war­ten wird, Zwei­fel an einem Wahl­er­geb­nis zu säen, dies­mal arbei­tet bereits ein Heer von Anwäl­ten und ande­ren Hand­lan­gern, den Wahl­pro­zess an sich in Zwei­fel zu ziehen.

Wäh­rend Trump nun auch noch fal­sche 2‑Dol­lar-Noten – »von $39 auf $19.99 redu­ziert« – mit sei­nem erken­nungs­dienst­li­chen Kon­ter­fei und sei­ner »berühm­ten Unter­schrift« los­zu­schla­gen ver­sucht, ist, fast unbe­merkt, eine Ver­schwö­rung im Gan­ge, die dafür sor­gen soll, dass MAGA-Ame­ri­ka ein Wahl­er­geb­nis zuguns­ten von Harris/Walz schlicht nicht akzep­tie­ren wird. 

Die Stra­te­gie der Repu­bli­ka­ner für 2020 war rela­tiv ein­fach gewe­sen. Roger Stone hat­te sie sei­nen Hand­lan­gern ein­ge­bläut, Ste­ve Ban­non hat­te sie, fünf Tage vor der Wahl am 4. Novem­ber, eini­gen Ver­trau­ten erklärt: »Fol­gen­des, Trump wird ein­fach her­ge­hen und sich zum Sie­ger erklä­ren … was nicht heißt, dass er gewon­nen hat … Er sagt nur ein­fach, er hat gewon­nen … Die Demo­kra­ten … wäh­len per Brief­wahl, so dass sie von der Natur der Sache her im Nach­teil sind, und das wird Trump aus­nut­zen. Das ist unse­re Stra­te­gie. Wenn Sie also am Mitt­woch­mor­gen auf­wa­chen, geht es rund.«1

So kam es denn auch, brach­te aber nicht wirk­lich was. Zusätz­lich ver­such­ten die Repu­bli­ka­ner das Ergeb­nis gericht­lich anzu­fech­ten. Vor dem mit Ereig­nis­sen des 6. Janu­ar 2021 befass­ten Son­der­aus­schuss des Reprä­sen­tan­ten­hau­ses sag­te schließ­lich am 13. Juni 2022 Ben­ja­min Gins­berg, Spe­zia­list für Wahl­recht, juris­ti­scher Bera­ter der Trump-Kam­pa­gne und damit Trumps eige­ner Mann: »Ich habe mir die über 60 Fäl­le ange­se­hen, die mehr als 180 Punk­te umfas­sen, und nein. Tat­sa­che ist, die Kla­gen der Trump-Kam­pa­gne hiel­ten ein­fach nicht stand.«2 Gins­berg hat­te sich schon wäh­rend des Wahl­kampfs 2020 gegen Trumps fal­sche Behaup­tun­gen ver­wandt und in einem Inter­view mit PBS gesagt: »Die­se Vor­wür­fe kamen schon vor der Wahl unter Beru­fung auf Wah­len in der Ver­gan­gen­heit auf, ohne auch nur den gerings­ten Beweis.«3

So lief das damals. Die­ses Jahr will man das Ergeb­nis nicht erst im Nach­hin­ein anfech­ten, die­ses Jahr sor­gen die Repu­bli­ka­ner im Vor­feld schon für sau­be­re Wah­len – mit ihren übli­chen unsau­be­ren Mit­teln ver­steht sich. Schon im März berich­te­te die New York Times über eine Flut von Kla­gen gegen die Wäh­ler­ver­zeich­nis­se (QVF: Ver­zeich­nis Stimm­be­rech­tig­ter Wäh­ler) der nach wie vor umkämpf­ten Swing-Staa­tes. Bei die­sen Qua­li­fied Voter Files han­delt es sich um top-down zen­tral geführ­te Daten­ban­ken regis­trier­ter Wäh­ler mit Namen, die Pri­vat­an­schrift, Füh­rer­schein­num­mer, Stimm­be­zirks­num­mer, digi­ta­li­sier­ter Unter­schrift und einer Über­sicht über das Wahl­ver­hal­ten jedes ein­zel­nen Wäh­lers im Staat.4 Das Zen­tral­or­gan der Repu­bli­ka­ner, das Repu­bli­can Natio­nal Com­mit­tee (RNC), ist nun seit Mona­ten dabei, die­se Ver­zeich­nis­se juris­tisch anfech­ten zu las­sen. Grund­la­ge ist dabei im Prin­zip die Behaup­tung, die­se Lis­ten umfass­ten mehr als 100% aller wahl­be­rech­tig­ten Bewoh­ner des einen oder ande­ren Bezirks. Und das Infa­me dar­an ist, dass man Kla­ge gegen die gewähl­ten Lei­ter der Coun­ty-Ver­wal­tung ein­reicht, denen man vor­wirft, ihrer Sorg­falts­pflicht bei der Pfle­ge der Wäh­ler­ver­zeich­nis­se nicht nach­zu­kom­men. Man beruft sich dabei auf Dis­kre­pan­zen zwi­schen diver­sen Lis­ten, Ver­zeich­nis­sen und Regis­tern, die zum Teil auf blo­ßen Schät­zun­gen bzw. Hoch­rech­nun­gen der RNC-Anwäl­te beru­hen. So ver­glich das RNC im Fal­le von Neva­da das Wäh­ler­ver­zeich­nis des Innen­mi­nis­te­ri­ums von Neva­da mit den Ergeb­nis­sen einer bun­des­wei­ten Volks­zäh­lung, deren Daten auf einen Fünf-Jah­res-Schnitt gerech­net sind. Berück­sich­tigt sind dabei weder die Zehn­tau­sen­den von Men­schen, die wäh­rend der Pan­de­mie nach Neva­da gezo­gen sind, noch all die, die zwar recht­mä­ßig als Wäh­ler regis­triert sind, sich aber vor­über­ge­hend woan­ders auf­hal­ten, wie z. B. Col­lege-Stu­den­ten und Ange­hö­ri­ge des Mili­tärs. Bei einer ande­ren Hoch­rech­nung han­delt es sich um nichts wei­ter als die Ansicht der RNC-Anwäl­te, wie hoch die Wäh­ler­re­gis­trie­rung gemes­sen an einer Erhe­bung unter 54.000 Ame­ri­ka­nern aus ganz Ame­ri­ka, als nicht spe­zi­ell unter Neva­da­nern, sein soll­te. Laut der Staats­se­kre­tä­rin in Neva­das Jus­tiz­mi­nis­te­ri­um Lea­na St-Jules kom­me das einem Ver­gleich von »Äpfeln mit Orang-Utans« gleich.5

Erschwert wird das Gan­ze in den USA durch die ver­fas­sungs­mä­ßig garan­tier­te Unab­hän­gig­keit der ein­zel­nen Staa­ten hin­sicht­lich der Gestal­tung des Wahl­pro­zes­ses, was die Aus­zäh­lung der Stimm­zet­tel man­cher­orts län­ger dau­ern lässt. Und dann waren 2020 immer­hin 160 Mil­lio­nen Stimm­zet­tel aus­zu­wer­ten.6 Dazu kommt die Logis­tik, gera­de in abge­le­ge­nen Tei­len des Lan­des. Den­noch, sieht man sich den Auf­wand an Auf­sicht, Kon­trol­le und Tech­nik an,7 der seit dem Deba­kel von Bush gegen Gore im Jahr 2000 erheb­lich über­ar­bei­tet und inten­si­viert wur­de, kann man die Effi­zi­enz und Sicher­heit des Pro­zes­ses nur bewundern.

Was die Wahl 2020 anbe­langt, so hat Trumps eige­nes Hei­mat­schutz­mi­nis­te­ri­um (Depart­ment of Home­land Secu­ri­ty ) die­se in einer Pres­se­ver­laut­ba­rung zur sichers­ten in der ame­ri­ka­ni­schen Geschich­te erklärt. Es gebe »kei­ner­lei Anzei­chen dafür, dass auch nur eines der Wahl­sys­te­me Stim­men gelöscht, ver­lo­ren oder ver­än­dert hät­te oder sonst in irgend­ei­ner Wei­se kom­pro­mit­tiert gewe­sen« sei.8 David Becker, Grün­der und Chef des über­par­tei­li­chen Non-Pro­fits Cen­ter for Elec­tion Inno­va­ti­on & Rese­arch, bezeich­ne­te die Wahl 2020 als im höchs­ten Maß trans­pa­rent und veri­fi­ziert.9

Den­noch hat es ein gan­zes Heer rechts­las­ti­ger Akti­vis­ten und angeb­lich patrio­ti­scher Kon­trol­let­tis auf sich genom­men, durch aller­hand Mani­pu­la­tio­nen und Spie­gel­fech­te­rei­en schon im Vor­feld »gegen jeden Wahl­be­trug« im Novem­ber anzu­ge­hen. Unter der Füh­rung von Trumps Schwie­ger­toch­ter Lara Trump hat das RNC das größ­te »Pro­gramm zur Wah­rung der Wahl­in­te­gri­tät der ame­ri­ka­ni­schen Geschich­te« auf­ge­zo­gen – mit über 100.000 Anwäl­ten und Frei­wil­li­gen.10 Dass sich unter den Anwäl­ten min­des­tens einer befin­det, dem bereits der Pro­zess als »fake elec­tor« droht, spricht nicht eben für die pro­pa­gier­te Inte­gri­tät.11

Letzt­lich geht es dar­um, Zwei­fel zu säen, das Ver­trau­en in ein Sys­tem zu unter­mi­nie­ren, das von Betei­lig­ten aller Par­tei­en als unan­fecht­bar bezeich­net wird. Trump und die sei­nen wol­len die Saat für den nächs­ten 6. Janu­ar aus­brin­gen. Und wie bei so gut wie jeder krum­men Tour des Ex-Prä­si­den­ten hat er auch hier wie­der aus­ge­zeich­ne­te Kar­ten. Man kann nur hof­fen, dass er dabei eben­so baden geht wie mit so gut wie allen sei­ner geschäft­li­chen Unterfangen. 

Anmer­kun­gen

  1. Ste­ve Ban­non am 31.Oktober 2020. Dan Fried­man and Abi­ga­il Wein­berg, »Here’s the Who­le Tran­script of That Lea­k­ed Ste­ve Ban­non Tape, Anno­ta­ted«. Mother Jones, August 17, 2022. Sie­he auch: F.A. Sten­gel, »If You’re Not Scared, You Haven’t Been Pay­ing Atten­ti­on«. March 31, 2023. Inns­bruck uni­ver­si­ty press, Inns­bruck­OZP – Aus­tri­an Jour­nal of Poli­ti­cal Sci­ence I ISSN 2313–5433 I http://oezp.at/2023, vol. 52, issue 1 I DOI 10.15203/ozp.4066.vol52is ↩︎
  2. Han­nah Gra­ben­stein, »Who is Ben Gins­berg and why is he testi­fy­ing in the Jan. 6 hea­rings?« PBS, Jun 13, 2022. ↩︎
  3. Judy Wood­ruff, »GOP elec­tion lawy­er says ‘there’s not evi­dence’ to sup­port Trump’s legal claims«. PBS, Nov 9, 2020. ↩︎
  4. MIT Elec­tion Sci­ence Data Lab, »Michi­gan: Sta­te Elec­tion Land­scapes«. ↩︎
  5. Abby Vesou­lis, »Rea­dy. Aim. File.« Mother Jones, September/October 2024. S. 44ff. ↩︎
  6. Drew DeSil­ver, »Turn­out soared in 2020 as near­ly two-thirds of eli­gi­ble U.S. voters cast bal­lots for pre­si­dent«. Pew Rese­arch, Janu­ary 28, 2021. ↩︎
  7. Mar­ga­ret Hoo­ver, »Coun­ting the Vote: A Firing Line Spe­cial with Mar­ga­ret Hoo­ver«. PBS. Firing Line with Mar­ga­ret Hoo­ver. 28.08.2024. ↩︎
  8. Cyber­se­cu­ri­ty & Infra­struc­tu­re Secu­ri­ty Agen­cy (CISA), Press Release, »Joint State­ment from Elec­tions Infra­struc­tu­re Govern­ment Coor­di­na­ting Coun­cil & the Elec­tion Infra­struc­tu­re Sec­tor Coor­di­na­ting Exe­cu­ti­ve Com­mit­tees«. Released Novem­ber 12, 2020. ↩︎
  9. Mar­ga­ret Hoo­ver, »Coun­ting the Vote: A Firing Line Spe­cial with Mar­ga­ret Hoo­ver«. PBS. Firing Line with Mar­ga­ret Hoo­ver. 28.08.2024. ↩︎
  10. Oli­via Rinal­di, »Trump cam­paign, RNC aim to deploy 100,000 vol­un­teer vote-coun­ting moni­tors for pre­si­den­ti­al elec­tion«. CBS News, April 19, 2024. ↩︎
  11. Zacha­ry Roth, »Top GOP ‘elec­tion inte­gri­ty’ lawy­er char­ged in Ari­zo­na fake elec­tor sche­me«. Wis­con­sin Exami­ner, April 29, 2024. ↩︎
SlangGuy

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