Der Mann hatte ja bereits versprochen, Diktator zu werden. Er hatte den Amerikanern versprochen, sie bräuchten nach dem 5. November nie wieder zu wählen. Die Übernahme des gesamten Staatsapparats ist mit dem Project 2025 bereits minutiös ausgearbeitet. Mit dem Obersten Gerichtshof und mindestens dem Election Board wenigstens eines Swing-States auf seiner Seite hat er nach wie vor die denkbar besten Karten. Trotzdem beginnt das Narrativ Risse zu zeigen. Nachdem so mancher an seinem sicheren Sieg zu zweifeln beginnt und so einige selbst in seiner eigenen Partei sich gegen ihn gewandt haben, zeichnet sich in seiner merklich gelichteten Entourage langsam aber sicher auch für die Unschlüssigen ab, wer und was da nun herrschen wird, wenn er die Wahl gewinnt. Während der Mann selbst vor aller Augen psychisch aus dem Leim zu gehen scheint, zeigt sich von Tag zu Tag deutlicher der hässliche harte Kern einer Anschauung aus Angst, Hass, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus in seinem inneren Kreis.1
Man kann den Mann nicht ernst nehmen und muss ihn trotzdem ernster nehmen als irgendjemanden sonst auf der Welt. Dieses Paradoxon zeigt sich dieser Tage kaum deutlicher als in seinem Buhlen um Amerikas jüdische Wählerschaft. Da sagt er eben noch: »Mein Versprechen an jüdische Amerikaner ist folgendes: »Mit eurer Stimme werde ich zu eurem Verteidiger, werde ich zu eurem Beschützer und zum besten Freund, den Amerikas Juden je im Weißen Haus gehabt haben.«2 So auf zwei Veranstaltungen jüdischer Organisationen, eine davon unter dem Motto »Kampf dem Antisemitismus in Amerika«. Außerdem hieß er jede »jüdische Person«, die Harris wähle, einen »Dummkopf« und die Betreffenden sollten »sich den Kopf untersuchen lassen« Und wenn er die Wahl verliere, »dann haben die jüdischen Wähler damit eine Menge zu tun«. Die Demokraten, so sagte er, hätten die amerikanischen Juden aus irgendeinem Grund »fest in der Hand oder verhext«.3 Aber zum Teil, so räumte er ein, sei das womöglich auch nur eine Frage der Gewohnheit. Ob man daraus gleich griffige Schlagzeilen wie »If I lose blame the Jews« schmieden sollte, sei dahingestellt. Wir sprechen immerhin von Donald Trump, der nie so genau weiß, was er sagt. Auf der anderen Seite schwingt, so orakelhaft er das sagt, den Blick ins ferne Leere gerichtet, auch eine unterschwellige Drohung mit. Ob er sich dessen nun bewusst war oder nicht, es klingt irgendwie nach einer Schutzgelderpressung, wie unsereins sie aus Krimis kennt: Spendet für meine Kampagne oder …4
Und dann sagte er das auch nicht hinter verschlossenen Türen. Wir sollten nicht vergessen, dass er mit seiner Behauptung, in Springfield, Ohio, vertilge die dortige Community haitianischer Flüchtlinge Katzen und Hunde. Und wenn das hundertmal dementiert, längst aufgeklärt und als falsch entlarvt ist, die Stadt weiß nicht mehr aus noch ein vor Bombendrohungen, selbst gegen Schulen. Der Mann wirft – mal bewusst, mal unbewusst – Streichhölzer in das hochbrisante Gemisch aus Angst vor und Hass gegen das Fremde, das in den USA gärt. Sicher, die jüdische Wählerschaft entscheidet sich seit Jahrzehnten mit großer Mehrheit für die Demokraten, insbesondere im Fall der Clintons, Obamas und Bidens.5 Unterm Strich ist der Anteil der jüdischen Bevölkerung in den USA von etwa zweieinhalb Prozent jedoch nicht groß genug, um eine Wahl zu entscheiden.
Im Endeffekt ist hier weit interessanter und vielsagender, dass da ein Mann um die Stimmen der Juden buhlt, in dessen innerem Kreis es von bekennenden Antisemiten und Rassisten nur wo wimmelt. Seine Worte an die jüdischen Wähler vor ihm fielen kurz nach der Veröffentlichung einer Reportage über Mark Robinson, den Mann, der gerade – mit tatkräftiger Unterstützung von Donald Trump – für das Amt des Gouverneurs von North Carolina kandidiert.6 Man braucht nicht jede Äußerung auf einer Pornoseite auf die Goldwaage zu legen, aber wenn sich einer als »schwarzer NAZI« bezeichnet und Dinge absondert wie »Mir wäre Hitler allemal lieber als irgendwas von dem Gesocks, das heute so in Washington ist!« Zusammen mit allerhand anderen Äußerungen, die CNN zusammengetragen hat, ergibt das bei aller Toleranz doch ein recht gutes Bild. Trumps Kampagne mag sich von dem Mann distanziert haben, aber gilt das auch für den Don? Dazu hält er es mit zu vielen anderen von dieser Sorte. Und sie es mit ihm.
Mit der Schlimmste von ihnen, nicht nur weil er täglich ein Millionenpublikum erreicht, ist Fox-Moderator Tucker Carlson. Er ist wie Trump selbst ein Fanboy Putins, aber eben auch ein in der Wolle gefärbter MAGA-Spinner. Seine Schwachheiten würden Bände füllen. Hier jedoch interessiert vor allem, dass er in seiner Sendung einem Mann wie Darryl Cooper eine Stimme gibt, einem »Historiker« und Holocast-Leugner, der auf X die Ansicht äußerte, Hitler hätte sehr wohl die Absicht gehabt, »in Zusammenarbeit mit den anderen Mächten eine akzeptable Lösung für das Judenproblem zu finden«.7 Das ist Trumps Dunstkreis. Und vor diesem Hintergrund gewinnt der alte Topos, »die Juden sind an allem Schuld«, eben denn doch einiges an Gewicht. Wenn man sich die beiden Äußerungen anschaut,8 ist übrigens keine Spur von Ironie zu bemerken. Seine Worte haben in beiden Fällen eher etwas Drohungen.
Und wo wir schon dabei sind: Praktisch im Anschluss an dieses Paradebeispiel für Hofberichterstattung in Form seines Interviews mit einem notorischen Holocaust-Leugner, für den Churchill, nicht etwa Hitler, der Bösewicht bei dem ganzen Wirbel Mitte des 20. Jahrhunderts ist, machte Carlson ein Interview mit dem nächsten hohlen Pfeifenkopf aus Trumps Raritätenkabinett: J. D. Vance. Und dieser – wir erinnern uns, das ist der Mann, der seit seiner Militärzeit nie einen anderen Arbeitgeber hatte als den lange schon von einem autoritären Staat träumenden Milliardär Peter Thiel – bringt hier seine profunde politische Philosophie zu Gehör: Amerika sei gar keine Demokratie, schließlich werde das Land von einer mächtigen geheimen Gruppe von Leuten regiert.9 Was natürlich zum Einen durchblicken lässt, dass man sich keine Gedanken darüber zu machen braucht, was nach dem 5. November aus dem wird, was Unwissende wie wir jetzt als Demokratie bezeichnen, zum anderen klingen da alle möglichen Verschwörungstheorien mit, die weit älter sind als das Internet, von der jüdischen Weltverschwörung bis hin zu Trump, der schon mal den Juden die Schuld gibt, wenn er die Wahl nicht gewinnt. Hier eine Passage aus dem Interview, die den Kreis schließt:
Carlson: Also, wenn Sie nun gewinnen und anfangen, Leute zu feuern die den Befehlen ihres Oberbefehlshabers und dem ausdrücklichen Willen des Volks zuwiderhandeln, dann wird die New York Times das als faschistische Übernahme bezeichnen.
Vance: Stimmt, genau.
Carlson: Dann stellt sich die Frage: Muss sie das kümmern?
Vance: Tja, ich denke mal, uns darf das nicht kümmern.
Auch wenn das F‑Wort fällt, darf uns das nicht interessieren. Es ist nun mal der erklärte Wille des amerikanischen Volks. Da dürfte womöglich sogar für Robinson, den erklärten »Black Nazi«, ein Druckposten in Trumps Regierung frei sein.
Anmerkungen
Der Einfluss des Großen Geldes auf die Politik ist ein offenes Geheimnis. Das geht vom…
Wir sind bei all dem Trubel in dieser turbulenten Seifenoper von einem Wahlkampf noch gar…
Nachdem Trumps Reden von Tag zu Tag hysterischer werden, sein hasserfülltes Gekeife von Tag zu…
Die in der US-Verfassung verankerten Wahlleute (electors) und ihre enorme Bedeutung sowie die Probleme, die…
Nicht nur in den USA gibt es immer noch Leute, die Donald Trump, wenn schon…
Die Hurrikane Helene und Milton haben 2024 über 200 Menschen das Leben gekostet und Zigtausende…