Nicht nur in den USA gibt es immer noch Leute, die Donald Trump, wenn schon nicht für das »stabile Genie«, als das er sich selbst gern bezeichnet, so doch für einen guten Geschäftsmann halten, einen Mann, der die besten »Deals« auszuhandeln versteht. Selbst hierzulande ist allen Ernstes zu hören, Trump wüsste schon einen Deal mit Putin auszuhandeln, was die Ukraine angeht! Eine ganze Reihe von Büchern haben an diesem Mythos im Lauf der Jahre gekratzt. Keines jedoch hatte dazu die Unterlagen, die den Autoren von Lucky Loser zur Verfügung standen. Anhand einer sechsstelligen Zahl von Geschäfts- und Steuerunterlagen wird hier endlich ein Strich gezogen unter die Illusion von Donald J. Trumps Genie. Ob das Menschen in ihrer Wahlentscheidung beeinflussen wird, die Trump den drittklassigen Schamott abkaufen, den er unter seinem Namen verhökert, zu schweigen von solchen, die gar an von Biden/Harris gesteuerte Hurrikane glauben, sei dahingestellt.
Der legendäre Geschäftssinn des Donald wird bereits seit Jahren angezweifelt. Lange Zeit hieß es sogar unter Finanzexperten, er wäre heute weitaus reicher, hätte er seine Erbschaft einfach in einen Indexfonds gesteckt. Da mag der eine oder andere zunächst Zweifel angemeldet haben, aus heutiger Sicht jedoch sind Fachleute sich da einig.1 Hätte er also sein Geld angelegt und die Hände in den Schoss gelegt, so ließe sich hinzufügen, hätte er sich leichter getan und, bedenkt man alle seine Pleiten, weit weniger Menschen geschadet.
»Meine groben Berechnungen besagen, dass sein Vermögen, hätte er das Geld nicht derart unklug gehebelt, sondern passiv in Manhattaner Immobilien investiert – wäre er auf Partys gegangen, hätte Affären gehabt, Golf gespielt, seine Mietschecks kassiert und reinvestiert –, sein Vermögen bis zu seinem Amtsantritt im Jahr 2017 hätte mehr als 80 Milliarden Dollar betragen.«2
Aber der Mann muss sich nun mal immer wieder beweisen. Und zur Einsicht, dass er es geschäftlich nicht drauf hat, ist er aufgrund seiner Krankheit nicht fähig. Und so hat er denn, im Rahmen des Running-Gags ein Imperium zu leiten, den Großteil seines Nettowerts in den Sand gesetzt. Aber vermutlich wäre er hätte er das nicht getan, nicht der Mythos geworden, der er in Wirklichkeit eben nicht ist. Und, so darf man vermuten, er wäre auch nicht Präsident geworden.
Aber das sind, wenn auch begründete Mutmaßungen. Allein 1995, so besagen Steuerunterlagen Trumps, die anonym an Journalisten gingen, habe er über 900 Millionen Dollar verloren. Was es ihm freilich ermöglichte, die nächsten achtzehn Jahre über keine Bundeseinkommensteuer zu zahlen.3 Weshalb er denn auch, nachdem sein Anwalt die Enthüllung der New York Times zunächst vehement dementiert hatte, den Verlust in einer für Trump typischen Kehrtwendung seinem genialen Geschäftssinn zuschrieb.4 Hätte er nicht so viele Großprojekte gegen die Wand gefahren. Aber selbst bei seinen Casino-Pleiten brüstete er sich damit, rechtzeitig ausgestiegen zu sein. Andere freilich bezeichnen diese als »Misserfolg von historischem Ausmaß«5
Vor einigen Jahren dann übergab Mary Trump, Trumps Nichte und Erzfeindin, den Journalisten der New York Times die erwähnten mehr als 100.000 einschlägigen Unterlagen wie etwa Steuererklärungen. Diese entlarvten schon mal Trumps alte Behauptung, von seinem Vater gerade mal eine Million Dollar in Form eines Kredits als Startkapital bekommen zu haben, als Lüge – er hatte über 400 Millionen Dollar geerbt. Russ Buettner und Susanne Craig, die Autoren von Lucky Loser, die all das akribisch dokumentiert haben, schreiben darin: »Sogar wenn man Trump auf der Höhe seines Könnens wähnte, scheiterte er« angesichts der massiven Verluste in seinem Kerngeschäft. Dass sein Vater Fred Trump ihm bei seinen ersten, zunächst durchaus erfolgreichen Unterfangen massiv unter die Arme gegriffen hat, ist bekannt. Donald profitierte von den Bürgerschaften des Immobilienmoguls ebenso wie von seinen Connections zu Banken und Politikern. Tatsache ist auch, dass Trump damals enorm von dem spektakulären Immobilienboom in Manhattan profitierte.
Buettner und Craig meinen jedoch, Trump wäre nichts gewesen ohne seinen Vater. So wäre aus seinen durchaus cleveren Anfangsprojekten, etwa dem Umbau des alten Commodore Hotels zum Grand Hyatt, kaum je was geworden, hätten Fred Trumps politische Connections nicht für den »Steuerdeal des Jahrhunderts« gesorgt, wie das Wall Street Journal schrieb.6 Und dann war da natürlich der sehenswerte Trump Tower, der wiederum sein Renommee hob.
Und nicht zuletzt vermochte er mit eben diesem Renommee, seinem Image als prominenter Immobilienentwickler immer neue Geschäftspartner aufzutreiben, nachdem sich die alten abgeseilt hatten, wenn sie ihm auf die Schliche gekommen waren. Und wie DeLong im Guardian schrieb, hatte er schlicht enormes Glück, dass viele von ihnen seine Mätzchen sich so lange bieten ließen, dass sie mitspielten, anstatt sich einen Richter zu suchen, der dem Spuk ein Ende machte.7 Wie auch immer, unter dem Strich, so schreiben Buettner und Craig, entwickelte sich Donald, im Gegensatz zu seinem tatsächlich geschäftstüchtigen Vater, zu einem »schwarzen Loch« für Trump Seniors Geld. Nicht dass er seinem Vater das je gedankt hätte: »Mein Vater«, so sagte er immer wieder, »hätte so was nie geschafft.« 8 Bis zum Juni 1990 hatte Trump Schulden in Höhe von 3,4 Milliarden Dollar angehäuft, zu immensen Zinsen, versteht sich. Auch hier half ihm das Geld seines Vaters aus der Klemme.9
Fest steht jedoch auch, dass Trump für einen Hype um seine Person gesorgt hatte, der bis heute nicht totzukriegen ist.10 The Apprentice zementierte diesen Hype. Und jedem der Beteiligten, so schreiben Buettner and Craig, sei klar gewesen, dass man hier pure Fiktion schuf. »Aber für Millionen von Amerikanern wurde diese Fiktion wahrer als die Wahrheit.«11
Mitte Oktober 2024 meldete sich der Mann zu Wort, der als Marketing-Chef von NBC und NBCUniversal für die Vermarktung von The Apprentice verantwortlich war, der Reality-Show, die »Donald Trump auch außerhalb von New York City bekannt machte«.12 Um die Show dem Publikum schmackhaft zu machen, so schreibt John D. Miller, »haben wir die Erzählung von Trump als supererfolgreichem Geschäftsmann geschaffen, der wie ein König lebt«. Tatsache war, dass Trump vor Beginn der Show viermal und mindestens zweimal während seiner 14 Staffeln als Moderator Insolvenz anmeldete. »Der imposante Sitzungssaal, in dem er Kandidaten feuerte, war eine Kulisse, da sein echter Sitzungssaal zu alt und schäbig fürs Fernsehen war.« Wirklich erfolgreiche CEOs waren viel zu beschäftigt, schreibt er, »um sich auf Reality-TV einzulassen, und wollten keine zufälligen Gameshow-Sieger in ihrem Führungsteam. Trump hatte solche Bedenken nicht. Er hatte viel Zeit für die Dreharbeiten, er liebte die Aufmerksamkeit und es zeichnete ein positives Bild von ihm, das nicht der Wahrheit entsprach.«13
Den Rest erledigte die Werbung. »Tausende von 30-Sekunden-Werbespots verbreiteten landauf, landab in fast jedem Haushalt die Fantasie von Trumps angeblichem Geschäftssinn. Das Bild von Trump, das wir förderten, war maßlos übertrieben, war auf seine Weise ›Fake News‹ … Nie hätte ich gedacht, dass das Bild von Trump als erfolgreichem Geschäftsmann ihn ins Weiße Haus bringen würde.« Und noch etwas, fiel Miller auf, nämlich dass Trump tatsächlich »dachte, er bräuchte etwas nur einfach immer wieder sagen, und irgendwann kauften die Leute es ihm ab«. Das habe mit seiner Behauptung begonnen, dass The Apprentice Amerikas höchste Einschaltquoten hatte. »Aber das stimmte nicht. Nicht in dieser Woche. Nicht in dieser Staffel. Ich hatte die Einschaltquoten vor mir. Er hatte die Einschaltquoten gesehen und gehört, aber das spielte keine Rolle … Er wiederholte es auch auf Pressetouren, obwohl er genau wusste, dass es falsch war.« Aber schon damals konnte Trump es nicht haben, wenn man ihn auf Fakten hinwies.14
Das Fazit von John D. Miller: »Wir haben ein Monster geschaffen.«15
Und dass Trump dann tatsächlich ein Vermögen mit der erfolgreichen Serie machte, verdankte er wieder einem Zufall, als jemand auf die Idee kam, darin für diverse Produkte zu werben. Seither jedoch gingen alle seine Projekte den Bach runter. Selbst seine Golfplätze in Schottland und Irland verbrennen nur Geld. Falls er sich mit seinen Anteilen an Truth Social sanieren wollte, so wird er sich schwer tun, da diese einmal mehr drastisch im Wert gesunken sind.16
Alles in allem hatte Trump zeitlebens mehr Glück als geschäftlichen Verstand.
Buettner and Craig, so schreibt Finanzexperte Brad DeLong, im Guardian, »zeichnen Trumps Geschäfte als Schimären. Wie ein New Yorker Immobilienentwicklung mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraute, seien sie ›Luftschlösser, gebaut auf geerbtem Vermögen, zwielichtigen Geschäften und einem verbissenen Streben nach äußerlichem Schein über Substanz‹«.17
Angesichts der Enthüllungen in Lucky Loser nimmt Trumps geschäftliche Existenz sich aus wie die Wanderung eines Hans im Glück am Rande des finanziellen Abgrunds. Natürlich ist Trump konstitutionell nicht in der Lage, seine relative Unfähigkeit einzusehen.
Auf der anderen Seite ist er aber auch der vielleicht doch wieder geniale Wühler, der Geschäftemacher, der nichts anbrennen lässt, der selbst seine Präsidentschaftskandidatur dazu nutzt, den Leuten seinen Schund anzudienen. Man muss sich das mal vor Augen halten. Stellen Sie sich vor, Brandt, Schmidt, Kohl, Merkel, Scholz, wer auch immer, hätte uns während des Wahlkampfs eine Schwarz-Rot-Gold-Cap mit seinem Namen anzudrehen versucht: »Aber kauft nur die offiziellen, es sind da viele Fälschungen auf dem Markt!« Und das nicht zur Finanzierung des Wahlkampf, sondern völlig ungeniert zum eigenen Profit! Man muss sich wirklich mal ansehen, was der Mann seinen unterbelichteten Anhängern so anzudrehen versucht. Jimmy Kimmel hatte bereits im März ’24 einen Karton voll Trump-Merch von dessen Website gekauft: unter anderem eine Golfmütze, eine Duffelbag, einen Schuhbeutel, eine Steppdecke und ein Babylätzchen mit »Trump« vorne drauf. Und außer auf einer Kaffeetasse (Made in Thailand) und dem Babylätzchen (Made in Peru) stand auf all dem Plunder »Made in China« – selbst auf dem Trump-Golf-Sammelmedaillon, dessen Sinn sich einem nicht ganz erschließt.18 Im Oktober zeige er noch eine Auswahl von mit Trumps Namen geschmückten Kram: »Dieser rosa Strickschal ist ein wunderschöner Artikel, hergestellt in China. Die Trump-Flakons, das Schnapsglas hier, die ausgesprochen patriotische Wasserflasche, dieser Trump-Hut mit der amerikanischen Flagge drauf, hergestellt in China, die Trump-Militärjacke hier – Made in China. Dann haben wir noch eine MAGA-Bling-Clutch für 550 Dollar und eine mit seinem Namen drauf, sehr stilvoll. Dann gibt es Trump-Ohrringe, Trump-Ohrstecker, der letzte Schrei, den Trump-Ofenhandschuh in Tarnfarben, Trump-Football mit einer Flasche drin, den Trump-Schwimmreifen, der nicht als Schwimmhilfe gedacht ist [wie es ausdrücklich auf der Website heißt], und den patriotisch bestickten Trump-Gürtel, in den USA hergestellt – nicht doch, wo denken Sie hin? Das ist schon jenseits von schamlos.«19
Vergessen wir nicht die legendäre Trump-Bible, für einen Cent unter sechzig Dollar nicht eben ein Schnäppchen. Da haben Trumper aber auch gleich die amerikanische Verfassung drin, die Unabhängigkeitserklärung und die Lyrics zu Lee Greenwoods Song »God Bless the USA«. Ebenfalls in China gefertigt. Für einen Mann, der Wahlkampf mit dem Versprechen macht, Jobs im Fertigungssektor wieder nach Amerika zurückzubringen, ist das ein starkes Stück. Aber eben auch das Zeichen eines stabilen Genies.
Anmerkungen
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