Nachdem Trumps Reden von Tag zu Tag hysterischer werden, sein hasserfülltes Gekeife von Tag zu Tag mehr denen europäischer Diktatoren des letzten Jahrhunderts gleicht, sollten wir noch einmal auf die Gefahr des Faschismus zu sprechen kommen, gegen die wir uns, zumindest in der zivilisierten westlichen Welt, auf immer gefeit wähnten. Mit seiner Propaganda gegen illegale Ausländer und dem Versprechen auf landesweite Massendeportationen könnte er vermutlich auch hierzulande punkten, was ihn jedoch extremer macht als unsere Neubraunen, ist die erklärte Absicht, nötigenfalls mit militärischer Gewalt gegen die »inneren Feinde« Amerikas vorzugehen. Innere Feinde, die er auch noch völlig ungeniert und unter dem Jubel seiner umnachteten Anhänger ganz im faschistischem Sinne neu definiert.
Vielleicht würde die Erörterung dieser Frage auch den historisch naiven Laien heilen, der hierzulande meint, man solle »doch mit Putin reden«, sprich, die Ukraine einem Psychopathen überlassen und damit billigend in Kauf nehmen, dass er zu Ende bringt, was Stalin nicht gelungen ist, nämlich den Freiheitswillen der Ukrainer endlich doch noch zu brechen, indem man so viele wie möglich verhungern lässt oder deportiert.
Die naive Ansicht, den Faschismus 1945 zu Grabe getragen zu haben, verdanken wir wohl den Historikern, vermutlich auch unseren Geschichtslehrern, Leuten jedenfalls, für die Geschichte sich in Jahreszahlen, Schlachten und Kriegen erschöpft. »Drei-Drei-Drei, bei Issos Keilerei.« Was zum Geier sollte ein junger Mensch daraus lernen? Nie auch nur ein Wort davon, warum Völker sich überhaupt keilen, warum die Menschen begeistert in den Krieg ziehen und warum wir immer und immer wieder den Krieg zum Ende aller Kriege führen. Wir erfahren nichts über die Psychologie dahinter, kein Geschichtsunterricht geht auf die Frage ein, warum das alles passiert. Oder besser noch: Warum das alles immer wieder passieren muss?
x»Es ist höchste Zeit, das, was wir da sehen, beim Namen zu nennen, und was wir da sehen, ist eine faschistische gesellschaftliche und politische Bewegung. Es gibt viele unterschiedliche Arten von Autoritarismus, die Art etwa, die LGBTQplus-Bürger verunglimpft, die Einwanderung und Einwanderer als kriminelle und Ungeziefer bezeichnet, die Befürworter der Demokratie als Marxisten bezeichnet, die behauptet, Marxisten würden die staatlichen Einrichtungen kontrollieren und seien mit Gewalt auszumerzen.«
– Jason Stanley1
Die illegalen Ausländer, etwa elf Millionen an der Zahl, müssen raus. Das hämmert Trump, mangels konkreter produktiver innenpolitischer Programme, seinen von patriotischem Bauchgefühl getriebenen Anhängern ein. Überhaupt alles Fremde, und dazu gehören auch alles, was von der Norm abweicht und sich nicht einfach fein säuberlich in Männlein und Weiblein einteilen lässt. Und zunehmend müssen auch alle raus, die ihn nicht mögen. Sie sehen sich als »Feinde von innen« bzw. »innere Feinde« deklariert: die Radikalen, Kommunisten, Marxisten, wie er die Demokraten nennt. Und es ist mehr als pikant, dass er – ausgerechnet er! – in diesem Zusammenhang auch von Faschisten spricht, die er da ausmerzen zu müssen meint.
Wenn wir uns nun vor Augen halten, was wir bisher über den Mann in Erfahrung gebracht haben, nämlich dass er ein »Soziopath« ist,2 ein empathieloser Mensch ohne Herz und Gewissen,3 wenn wir uns darüber hinaus vor Augen halten, was mittlerweile auch der Letzte mitbekommen haben dürfte, dass Trump ein reiner Instinktmensch mit gerade mal einer Handvoll Imperativen ist, als da wären, allenthalben bewundert zu werden und mittels Prominenz Macht anzuhäufen, nicht zu vergessen die Weisung seines Vaters, so reich wie nur irgend möglich zu werden, dürfen wir davon ausgehen, dass Trump ernst machen wird mit dem, was er da sagt, sobald er die Macht dazu hat.
Und was die Kombination von Macht und Instinkt angeht, bedenken Sie Folgendes. Zu Beginn seines letzten Jahres im Amt, so schreibt John W. Dean, hatte Trump größere Macht angehäuft als irgendein anderer Präsident in der jüngeren Geschichte der USA. »Als sein Instinkt ihm sagte, dass der COVID-19-Virus nichts weiter sei als eine neue Spielart der Grippe und damit belanglos, sahen die Experten zahlreicher Bundesbehörden und des privaten Sektors, deren Fachwissen das Land auf die kommende Invasion hätte vorbereiten können, ihre Initiativen zu ihrem Leidwesen von oberster Stelle blockiert, so dass nur wenig geschah.« Worauf mehr Amerikaner ihr Leben ließen als im Vietnamkrieg – und dem in Irak.4
Das Großartige daran, an seinen Instinkt zu glauben, so schreibt John W. Dean, ist, nichts lernen zu müssen, um Recht zu haben, und den Rat anderer nicht zu benötigen, die mehr wissen als man selbst. So sagte Trump bezüglich der Anhebung des Leitzinses 2018: »Die machen einen Fehler, weil ich einen Bauch habe, und mein Bauch sagt mir manchmal mehr als das Hirn von irgendeinem anderen.«5
Trump kaschiert das breite Spektrum seiner Ignoranz mit der Behauptung, er kenne sich in allem und jedem aus. So erklärte er sich in militärischen Dingen öffentlich für kompetenter als seine Generäle; von Wirtschaft versteht er ohnehin mehr als die Volkswirtschaftler der ganzen Welt zusammengenommen; und was den Klimawandel angeht, so muss der Klimatologe erst noch geboren werden, der ihm das Wasser reichen könnte. Und erst die internationalen Beziehungen! Was unterstehen sich die vom Außenministerium, ihm da dreinzureden!6
In Wirklichkeit hat er von so gut wie nichts auch nur die geringste Ahnung. Denken Sie an seine Begründung dafür, 2019 Amerikas kurdische Verbündete in Syrien im Stich zu lassen: »Die haben uns doch im zweiten Weltkrieg auch nicht geholfen, wo waren die denn in der Normandie?«7
Und das Schlimmste daran ist, dass er seinen eigenen Hype tatsächlich glaubt. Zu unser aller Glück hatte er während seiner ersten Amtszeit noch einige Erwachsene um sich, die ihn vor der einen oder anderen Dummheit bewahrten. Das wird ihm in einer zweiten Amtszeit nicht mehr passieren. Er wird dann nur noch von handverlesenen Arschkriechern umgeben sein. Und da man, wie in Project 2025 beschrieben, die Gewaltenteilung mehr oder weniger abzuschaffen und die gesamte Staatsmacht in seinen Händen zu vereinen gedenkt, wird auch seine Macht absolut sein.
Als erstes müssen die Ausländer raus. Dazu will er sich auf den Alien Enemies Act von 1798 berufen, ein Gesetz, das dem Staat im Kriegsfall weitreichende Freiheiten gegenüber Menschen gibt, die aus Ländern stammen, mit denen die USA gerade Krieg führen. Roosevelt wandte das Gesetz während des zweiten Weltkriegs, um Amerikaner deutscher, italienischer und japanischer Herkunft zu internieren. »Unmittelbar nach meinem Amtseid«, so tönte er Mitte Oktober in Aurora, Colorado, »starte ich das größte Abschiebeprogramm der amerikanischen Geschichte … Ich werde jede Stadt in ganz Amerika retten, die überfallen und erobert wurde, und ich werde diese bösartigen und blutrünstigen Kriminellen ins Gefängnis stecken oder sie zum Teufel noch mal rausschmeißen aus unserem Land, was mir das Liebste ist.«8
Vergessen wir dabei nicht, dass Trump alle Einwanderer, die er nicht mag, für Kriminelle hält, und wie bereits gesagt, macht er längst keinen Unterschied mehr zwischen den Migranten, die da über die Südgrenze kommen, weil sie vor den amerikanischen Waffen der Gangs davonlaufen, die in ihrem Land ihr Leben bedrohen, und dem politischen Gegner im eigenen Land. Und das unter dem Jubel seiner umnachteten Fans. »Nehmt das als Versprechen: Wir werden die Kommunisten, Marxisten, Faschisten und die linksradikalen Verbrecher ausrotten, die wie Ungeziefer leben. Sie vergiften das Blut unseres Landes. Genau das haben sie. Sie haben es vergiftet. Die Leute kommen mit Krankheiten, die Leute kommen mit allem, was man nur haben kann. Wir zerstören das Lebensgefüge in unserem Land … und wir werden das nicht länger hinnehmen, und wir müssen diese Leute loswerden.«
»Sagt er zu mir, Sie werden doch kein Diktator oder? Und ich sage ihm: Nein, nein, nicht doch – außer am ersten Tag!«
In Oaks, Pennsylvania, sprach Trump vor einem überdimensionalen Banner mit dem Slogan »Trump hatte mit allem Recht«, den man zurecht sofort mit dem Motto der italienischen Faschisten in Beziehung setzte: »Mussolini hat immer Recht«.9
Die Historikerin Ruth Ben-Ghiat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Leitmotiv des Duce »Autarchia« nichts anderes gewesen sei als Trumps »America First« und dass auch er, noch vor Hitler, Italien vor fremdem Einfluss bewahren wollte, unter den übrigens auch die Juden fielen. Wenn Trump von »Ungeziefer« spricht, das Kommunismus und Marxismus und alle möglichen Krankheiten über die USA bringen wollen, tue er nichts anderes als das, was Mussolini tat. Auch der sprach von Konzentrations- und Straflagern, in denen die Linke, ja sogar sozialistische oder progressive Priester landeten, LGBTQ-Leute, Zuwanderer. Entsprechend bezeichnet sie Trumps Rhetorik als ausgesprochen beunruhigend. Und dass er dies unmittelbar vor der Wahl tue, diene dazu, die Amerikaner in Angst und Schrecken, mit anderen Worten in eben den Zustand zu versetzen, der nötig ist, um ihn, Donald J. Trump, als einzige Antwort auf all das zu akzeptieren.
Der Philosophie-Professor Jason Stanley stellt in diesem Zusammenhang die Frage, warum die Amerikaner diese Art von Rhetorik nicht erschreckt. Noch 2016, so seine Annahme, hätte Trump sich damit disqualifiziert, Nun, die Geschichte des Faschismus zeige, und er verweist auf das Werk Victor Klemperers über die Sprache des Nazismus, dass hier ein Normalisierungsprozess stattfindet, der eine Nation gegenüber derlei Abscheulichkeiten dickfellig werden lässt. Und mit der Gewöhnung an die Sprache gehe auch die Gewöhnung an die dazugehörige Praxis einher.10
Trump, so erläutert dies Ruth Ben-Ghiat, habe, wie schon die Faschisten, auf eine Veränderung der Wahrnehmung von Gewalt hingearbeitet. Diese neue Sicht von Gewalt sei die Voraussetzung dafür, dem Volk die Gewalt, die man der eigenen Bevölkerung antun wird, als moralisch unabdingbar und patriotisch erscheinen zu lassen. Als Beispiel führt sie den gewalttätigen Mob vom 6. Januar 2021 an, der auf Polizisten eindrosch und die Trump jetzt als zu Unrecht eingekerkerte Patrioten hinstellt. Hier habe Trump eine Menge Zeit und Mühe investiert.
Trump ist »ein Faschist durch und durch«
– General a.D. Mark A Milley11
Was bei Hitler als Zerbrechen und Ausrottung der anderen Parteienwelt galt,12 entspricht dem, was Ben-Ghiat als eine zweite Komponente von Trumps Rhetorik bezeichnet. Diese bestehe darin, die Nation über die Polarisation hinaus zu der Ansicht zu bewegen, dass es ums nackte Überleben gehe. Es heiße unter politischen Gegnern fortan nicht nur mehr, einigen wir uns einfach darauf, uns nicht einig zu sein, nein, ab sofort kann es nur einen geben, nur einer von uns wird überleben, da die Feinde sich bereits im Herzen Amerikas festgesetzt haben. Und das sind Wilde, die eure Haustiere fressen, und damit praktisch Kannibalen. Trump verbreite diese Art von Message seit geraumer Zeit, er habe sie in letzter Zeit nur eskaliert.
Auch die konservative Historikerin Anne Applebaum bezeichnet Trumps Sprache nicht mehr nur als abstoßend hässlich, sondern stellt sie in eine bestimmte Tradition: Adolf Hitler habe diese Art von Begriffen immer wieder benutzt und 1938 seine Landsleute für ihre Hilfe bei der Säuberung Deutschlands »von all den Parasiten, für die die Not des Vaterlandes und Volkes zur Quelle« geworden war. »Im besetzten Warschau«, so schreibt sie, »zeigte 1941 ein Plakat die Karikatur einer Laus mit jüdischem Gesicht.« Der Slogan darunter unterstellt den Juden, Überträger von Typhus zu sein. Auch Stalin bezeichnete seine Gegner als »Feinde des Volkes« und noch bei der Stasi war »Schädlingstätigkeiten« die Rede, wenn es um Regimekritiker ging.13
Applebaum unterstellt Trump, sehr wohl zu wissen, was er da tut. »Er versteht, welche Ära und welche Art Politik diese Sprache heraufbeschwört. ›Ich habe Mein Kampf nicht gelesen‹, erklärte er bei einer Wahlveranstaltung, ohne dass man ihn darauf angesprochen hätte – ein Eingeständnis, dass er sehr wohl um den Inhalt von Hitlers Manifest weiß, ob er es nun tatsächlich gelesen hat oder nicht. ›Wenn man sich nicht einer bestimmten Rhetorik bedient‹, sagte er einem Interviewer, ›wenn man nicht bestimmte Wörter benutzt, auch wenn es vielleicht nicht sonderlich schöne sind, dann wird auch nichts passieren.‹«14
Damit scheint der Faschismus also jetzt wieder ein Gesicht zu haben – und es ist orange. Droht uns ein Reboot der USA als 4. Reich?
Anmerkungen
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