Der Einfluss des Großen Geldes auf die Politik ist ein offenes Geheimnis. Das geht vom Lobbyismus bis hin zur direkten Bestechung. Eine besondere Spielart der Einflussnahme ist die auf den Wahlkampf durch Spenden, und sie ist streng reguliert. Einschlägige Regeln zu umgehen, ist meist strafbar, in den USA jedoch längst nicht mehr nötig. Hier hat der Bürger, seit die Wahlspende unter die Redefreiheit fällt, quasi ein »Recht« darauf, praktisch in beliebiger Höhe zu spenden. Und seit der Erfindung von »Super-PACs« ist es Spendern ein Leichtes, dabei nicht namentlich in Erscheinung zu treten, wenn sie das nicht wollen. Neu ist in diesem Wahlkampf, wenn jemand wie Elon Musk die Wähler buchstäblich für ihre Stimme für seinen Wunschkandidaten bezahlt.
Etwa 16 Milliarden Dollar werden die Amerikaner sich 2024 ihren Wahlkampf kosten lassen. Inflationsbereinigt, kommen noch gut zwei Milliarden dazu, was diesen zum teuersten Wahlkampf aller Zeiten macht.1 Da erhebt sich natürlich die Frage, wer das bezahlt hat. Sicher nicht all die kleinen Spender, auch wenn denen Kamala Harris in rastloser Bettelei in Rekordzeit Rekordsummen aus dem Kreuz hat leiern können. Immerhin brachten sie es in diesem Jahr auf 28% der Gesamtspenden; bei den Republikanern sind es nur 19%. Der Rest kommt also bei beiden Parteien von denen, die »es haben«: Betuchten, Unternehmen, Interessengruppen.
Bernie Sanders, der »Radikale« unter den für Trump an sich schon radikalen Demokraten, macht sich seit Jahren für eine Neuregelung des Parteispendensystem stark, die letztlich nur eine Rückkehr zur alten strengeren Regelung bedeuten würde. Sein Leitsatz dabei ist: »Get Big Money Out of Politics and Restore Democracy«.2 Und die wesentliche Methode sieht er im Kippen von »Citizens United« und der Wiederherstellung des »Voting Rights Act«.3 Was hat es damit auf sich?
Nun, Anfang 2010 fällte der Oberste Gerichtshof der USA ein für die Wahlkampffinanzierung und damit für die Einflussnahme von Big Money auf die Politik folgenschweres Urteil. Die durchaus umstrittene Entscheidung in der Sache Citizens United v. Federal Election Commission machte Schluss mit seit über hundert Jahren geltenden einschlägigen Beschränkungen und ermöglichte es fortan betuchten Spendern, Unternehmen und anderen Interessengruppen, unbegrenzte Mittel in den Wahlkampf zu »investieren«.4
Nicht dass die Genannten nicht schon immer mehr Einfluss gehabt hätten als der Mann von der Straße, aber Citizens United weitete diesen Einfluss dramatisch aus – mit verhängnisvollen Auswirkungen auf die Demokratie und den Kampf gegen politische Korruption. Die Einschränkung politischer Parteispenden, so hieß es in der Urteilsbegründung, verstoße gegen das im Ersten Verfassungszusatz verbriefte Recht auf Redefreiheit und sei damit nicht verfassungskonform. Die Richter gingen dabei, fälschlicherweise, wie sich mittlerweile herausgestellt hat, davon aus, dass die Spenden Unabhängiger, sofern nicht direkt mit der Kampagne eines Kandidaten koordiniert, nicht an sich korrupt und außerdem transparent wären. Es spielt dabei keine Rolle, wie die Richter das Recht auf Spenden mit dem Recht auf Redefreiheit gleichsetzen konnten, Tatsache ist, dass ihr Urteil zur Gründung von Super-PACs führten, die der Einflussnahme auch völlig undurchsichtiger Mittel zwielichtiger Spender Tür und Tor öffneten. Eine winzige Gruppe von Amerikanern, so heißt es in einem Bericht des Brennan Center,5 übe jetzt »mehr Macht aus als zu jedem anderen Zeitpunkt seit Watergate, während sich die übrige Bevölkerung von der Politik abzuwenden scheint«. In einer Zeit historischer Ungleichheit an Wohlstand, so das Fazit des Berichts, bestärke die Entscheidung, und dies sei womöglich ihre beunruhigendste Folge, das zunehmende Gefühl, unsere Demokratie diene ausschließlich den Interessen einiger wohlhabender Weniger, entsprechend habe demokratische Teilhabe für den überwiegenden Teil der Bürger kaum noch Sinn. Überdies verstärke die Übergewichtung des Reichtums die ethnische Ungleichheit.6
Bei traditionellen »Political Action Committees« (PACs) handelt es sich um Organisationen, die Gelder sammeln, um politische Kandidaten entweder zu unterstützen oder zu behindern. Sie unterliegen jedoch Beschränkungen hinsichtlich sowohl der Mittel, die sie von Einzelnen annehmen, als auch der Mittel, die sie Kandidaten pro Wahl zukommen lassen dürfen. Mittels eines weiteren Verfahrens, Speechnow.org v. FEC, entschieden Bundesgerichte auf der Basis von Citizens United, dass außenstehende Gruppen unbegrenzt Mittel annehmen dürfen, solange sie diese nicht direkt an die Kandidaten weitergeben. Diese Organisationen bekamen den Namen »Super-PACs«. Man muss wohl nicht eigens betonen, dass die verbotene »direkte Koordination« mit einer Kampagne eine leicht zu unterlaufende Formsache ist. Und auch »schwarzes Geld«, Geld dessen Herkunft nicht deklariert ist, lässt sich letztlich nicht kontrollieren. Was natürlich auch der Einflussnahme ausländischer Kräfte Tür und Tor geöffnet hat.7
Man darf also unterm Strich Citizens United als heftigen Schlag gegen die Demokratie werten. Ob das Urteil das letzte Wort ist, liegt letztlich am Wähler, und MAGA-Republikanern scheint die finanzielle Schützenhilfe für ihren Kandidaten offenbar nicht zu stören.
Um hier keinen falschen Eindruck zu erwecken: Über spendable Milliardäre verfügen beide Parteien. Man wird also deren Einfluss je nach seiner politischen Präferenz beurteilen. Und bevor wir zum derzeit auffälligsten Mega-Spender kommen, ein kleiner Überblick über den Rest.8
Da wäre auf Seiten der Republikaner Timothy Mellon, Spross einer Bankerdynastie, der dem Trump-freundlichen Super-PAC Make America Great Again in diesem Wahlkampf 125 Million Dollar hat zukommen lassen.9 Knapp dahinter rangiert Miriam Adelson, Witwe eines Casino-Magnaten mit einem eigenen Trump-freundlichen Super-PAC, Preserve America, dem sie 95 Millionen gab.10 Dick and Liz Uihlein, Gründer einer Schifffahrtslinie, haben ebenfalls ihren eigenen Restoration PAC, der von ihnen 2024 knapp 50 Millionen Dollar bekam.11 Dann wäre da, ebenfalls auf Seiten der Republikaner, der Finanzier Nelson Peltz. Er lud im Februar zwanzig steinreiche Spender und »eine Handvoll GOP-Strategen« in sein Schloss in Palm Beach. Dass sich einige der reichen Leute nach dem 6. Januar 2021 öffentlich von Trump distanziert hatten. Mit von der Partie waren Hedgefonds-Manager John Paulson, Casino-Mogul Steve Wynn und Ronna Romney McDaniel, damals Vorsitzende des RNC, und Elon Musk. Letzterer schien bis 2020 noch nicht mal sonderlich erpicht darauf, in der Politik eine Rolle zu spielen. Er hatte beiden Parteien gespendet, und nicht allzu viel. Außerdem schien er es immer eher mit Obama zu halten. Dann drifte er zusehends nach Rechtsaußen ab: Allein bei den Halbzeitwahlen 2022 spendete er dem WSJ zufolge über 50 Millionen Dollar für Werbekampagnen gegen die Demokraten; auch Ron DeSantis unterstützte er mit zehn Millionen.
Musk versteifte sich nach und nach auf eine Verschwörungstheorie, der zufolge Demokraten all die Ausländer ins Land ließen, um ihre Wählerbasis zu vergrößern und sich so auf immer die politische Mehrheit zu sichern.12 Und diese verbreitet er auf Teufel komm raus auf X. Falls die Demokraten im Herbst 2024 gewinnen würde, wäre das Amerikas letzte freie Wahl. Vergessen wir nicht, dass Elon Musk sich für den Helden seines eigenen SciFi-Films hält, der die Menschheit mit einem Tech-Reboot der Welt zu retten versucht.
Und da hat er natürlich so einige der Tech-Bros aus dem Valley auf seiner Seite, allen voran der erzreaktionäre Peter Theil, der sich schon J.D. Vance geschossen und auf den Sessel des Vizes gehievt hat. Und vergessen wir nicht, dass Thiels Kreis auch Libertär Curtis Yarvin angehört, der in der Demokratie eine destruktive Regierungsform sieht.
Anderen geht es weiniger um Ideologie als um Geld. den Risikokapitalgeber Marc Andreessen und Ben Horowitz, bereitet »das veränderte Klima für Tech-Investoren« Sorgen. Versuche einer strikten Regulierung des Krypto-Währungssektors sehen die beiden als Bedrohung für ihren Krypto-Fonds. In einem Manifest sprach Andreessen sich gegen fortschrittshemmende Kräfte wie »soziale Verantwortung« und »Tech-Ethik« aus. Und dann natürlich Bidens angedachte »Milliardärssteuer«.
Musk entschied sich schließlich für einen Alleingang und schuf mit America PAC einen eigenen Super-PAC zur Unterstützung Trumps, während MAGAs neue Mega-Spender-Klasse noch eine Forderung an Trump hatte, sie wollte ihren eigenen Mann im Weißen Haus. Hier kam ihnen Trumps finanzielles Schlamassel entgegen. Trump brauchte einen »Running-Mate«, der ihm da raushelfen könnte. Und so dienten die Tech-Bros Trump mit J.D. Vance ihren Wunschkandidaten an.13 Musks neuester Gimmick besteht darin, jeden Tag eine Million Dollar unter den Leuten zu verlosen, die eine Petition zum Erhalt der ersten beiden Verfassungszusätze unterschreiben. Voraussetzung ist jedoch, dass sie registrierte Wähler in den umkämpften Bundesstaaten sind. Ob das legal ist, dürfte noch geprüft werden, wird aber den reichsten Mann der Welt nicht weiter interessieren.14
Natürlich haben auch die Demokraten Milliardäre hinter sich, so etwa Mark Cuban, den Arzneimittel-Preisbrecher und Shark-Tank-Investor, der US-Version unserer Höhe des Löwen.15 Mike Bloomberg, Gründer von Bloomberg Television und ehemaliger Bürgermeister von New York, hält es ebenfalls mit den Demokraten. Das Gleiche gilt für die LinkedIn-Gründer Reid Hoffman & Michelle Yee. Windows-Erfinder Bill Gates hat der New York Times zufolge bereits um die 50 Millionen Dollar an eine Organisation gespendet, die Harris unterstützt.16 Und auch der CEO von JPMorgan Chase Jamie Dimon spendet den Demokraten. Besser bekannt als dieser sind wohl George Soros und sein Sohn Alex, die sich im Juli 2024 als Erste hinter Kamala Harris gestellt hatten.17
Gerade im Endspurt, wo die Kandidaten angesichts der knappen Umfrageergebnisse um jede einzelne Wählerstimme zu kämpfen haben, werden sie jeden Cent ihrer spendablen Gönner brauchen.
Anmerkungen
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