Ralph Elli­son › Die Bio­gra­phie (2)


Gebo­ren wur­de Ralph Wal­do Elli­son 1913 in Okla­ho­ma City, in tiefs­ter Armut; sein Vater starb, als Elli­son gera­de mal drei Jah­re alt war; sei­ner Mut­ter blieb nichts, als put­zen zu gehen. Die schein­ba­re Aus­weg­lo­sig­keit die­ser Situa­ti­on mach­te ihn schon damals zum zor­ni­gen, bit­te­ren und nicht eben sym­pa­thi­schen jun­gen Mann; er emp­fand sein Dasein als demü­ti­gend, fühl­te sich rasch ange­grif­fen, war ehr­gei­zig und arro­gant, ein Möch­te­gern-Gen­tle­man mit einer schar­fen Zun­ge, der sich auch schon mal schlug.
Bei alle­dem war er so offen­sicht­lich talen­tiert. Wenn auch, wie es schien, auf zu vie­len Gebie­ten; er wuss­te nicht so recht, wel­chem er sich wid­men soll­te. So fühl­te er sich zunächst als Musi­ker, lern­te Kor­nett spie­len, sah sich bereits klas­si­sche Sym­pho­nien über The­men schwar­zer Volks­mu­sik schrei­ben. Als das Schul­or­ches­ter am Tus­ke­gee Col­lege in Ala­ba­ma einen ers­ten Trom­pe­ter such­te, nahm man ihn dort gegen eine gerin­ge Stu­di­en­ge­bühr (und acht Stun­den Arbeit am Tag in der Bäcke­rei) auf. Er wur­de ein Mus­ter­schü­ler, lei­te­te mit sei­nem Kor­nett das Blä­ser­quar­tett und erwies sich so ganz neben­bei als über­aus begab­ter Bild­hau­er. Obwohl er gekom­men war, um Musik zu stu­die­ren, kamen die ent­schei­den­den Impul­se jedoch nicht von sei­nem Musik­professor, son­dern von einem Biblio­the­kar, der Elli­son — schon immer ein eif­ri­ger Leser — einen ent­schei­den­den Stups in Rich­tung Lite­ra­tur zu geben ver­stand. Letzt­end­lich jedoch erwie­sen sich die demü­ti­gen­den Auf­merk­sam­kei­ten eines homo­se­xu­el­len Leh­rers als zuviel und er ging, ohne Abschluss, mit 100 Dol­lar in der Tasche nach New York, um Kunst zu studieren.
Zeit­le­bens nie um Men­to­ren und För­de­rer ver­le­gen, fand er auch in New York — noch am Tag sei­ner Ankunft — den nächs­ten in der Per­son des damals bereits berühm­ten schwar­zen Schrift­stellers Lang­ston Hug­hes; der ver­schaff­te ihm Arbeit und soll­te sich für sei­ne lite­ra­ri­sche Ent­wick­lung von Bedeu­tung erwei­sen, vor allem weil er ihn dem damals noch kaum bekann­ten schwar­zen Schrift­stel­lers Richard Wright vor­stell­te. Zunächst jedoch wur­de er Schü­ler des arri­vier­ten jun­gen schwar­zen Bild­hau­ers Rich­mond Barthé.
Frisch ver­hei­ra­tet, mit einem kar­gen, aber regel­mä­ßi­gen Ein­kom­men beim Writer’s Pro­ject, einem staat­li­chen Arbeits­be­schaf­fungs­pro­gramm für Autoren, begann für ihn 1938 ein neu­er und ent­schei­den­der Lebens­ab­schnitt. Wright ver­schaff­te ihm sei­nen ers­ten Auf­trag als Autor, eine Rezen­si­on für die Zeit­schrift New Mas­ses, und wies dem jun­gen Bild­hau­er end­gül­tig den Weg zur Literatur.
Unter dem Ein­fluss des Kom­mu­nis­ten Wright und der par­tei­treu­en New Mas­ses ent­wi­ckel­te Elli­son sich zum Sta­li­nis­ten. Neben der Freund­schaft mit Wright darf man dabei nicht über­se­hen, dass die Kom­mu­nis­ti­sche Par­tei damals in Ame­ri­ka die ein­zi­ge gro­ße Orga­ni­sa­ti­on war, die die Schwar­zen offi­zi­ell gesell­schaft­lich wie intel­lek­tu­ell mit den Wei­ßen gleich­stell­te. Elli­son schrieb Pro­pa­gan­da, wie er spä­ter sag­te, und stand auch dann noch zur Par­tei­li­nie, als nach dem Deutsch-sowje­ti­schen Nicht­an­griffs­pakt ein Gut­teil der ame­ri­ka­ni­schen Kom­munis­ten sich von der Par­tei los­sag­te. Auch war er, ganz der Par­tei­li­nie ent­spre­chend, gegen einen Ein­tritt Ame­ri­kas in den Krieg. So war für ihn das Umschwen­ken der Par­tei nach Hit­ler Angriff auf die Sowjet­uni­on hin zu einer Befür­wor­tung eines Volks­krie­ges gegen den Faschis­mus ein har­ter Schlag. Umso här­ter als für die Par­tei mit der Gefahr für die Sowjet­uni­on die Sache des ame­ri­ka­ni­schen Negers über Nacht in den Hin­ter­grund trat. Damit war er, der Neger, für die New Mas­ses, die immer­hin bereits eini­ge Kurz­ge­schich­ten von ihm gebracht hat­ten, ent­behr­lich gewor­den. Er blieb inso­fern wich­tig, als er den Her­aus­ge­bern mit »schier ein­zig­ar­ti­ger Auto­ri­tät« über das heik­le Ver­hält­nis von Krieg, Ras­se und poli­ti­schem Radi­ka­lis­mus zu schrei­ben ver­moch­te. Immer­hin war der Par­tei dar­an ge­legen, den Schwar­zen zu sagen, sich nicht ver­ra­ten zu füh­len, son­dern viel­mehr den Weit­blick der Ent­schei­dung zu sehen. Nichts­des­to­we­ni­ger fühl­te Elli­son sich ver­ra­ten; für ihn begann damit ein gar nicht so ein­fa­cher Lösungs­pro­zess von New Mas­ses, der Par­tei und von der Dok­trin. 1943 schließ­lich brach er mit der Zeit­schrift: »Ich kann die­ser Tage nicht für NM schrei­ben, weil kaum etwas über mei­ne Leu­te drin steht, dem ich zustim­men kann.« Gleich­zei­tig ent­sagt er den »Orga­ni­sa­tio­nen« an sich und fasst den Ent­schluss, undog­ma­tisch und ehr­lich sei­ne Wahr­heit zu schrei­ben, und wenn man sei­ne Sachen ableh­ne, so neh­me man damit immer­hin sei­ne Mei­nung zur Kenntnis.
Im sel­ben Jahr noch trenn­ten er und sei­ne Frau sich, und da auch The Negro Quar­ter­ly hat­te zuma­chen müs­sen, eine Zeit­schrift, für die er seit 1941 mit Leib und See­le enga­giert hat­te, gab es kei­ne Aus­re­den mehr, nicht in den Krieg zu zie­hen — wenn auch nicht mit einem nach Ras­sen getrenn­ten Mili­tär. Wes­halb für ihn nur die Han­dels­ma­ri­ne in Fra­ge kam.

(Fort­set­zung folgt)

SlangGuy

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