Im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der amerikanischen Verhörpraktiken in Guantánamo fällt immer wieder der Begriff »enhanced interrogation«. Dass es sich dabei um ein Hüllwort handelt, sieht man schon daran, dass es tatsächlich Leute gibt, die ernsthaft diskutieren wollen, ob diese »enhanced interrogations« den Tatbestand der Folter erfüllen oder nicht. Ich denke, der Umstand, dass amerikanische Insider Flugzeuge, mit denen man Informationsträger zur Vernehmung an »geeignete« Örtlichkeiten transportierte, als »torture taxis« bezeichneten, ist beredt genug.
Wie auch immer, so richtig interessant wurde die öffentliche Diskussion mit der Entdeckung, dass der Begriff »enhanced interrogation« eine englische Entsprechung des deutschen Begriffs »verschärfte Vernehmung« darstellt und letzterer bei den Nazis aufgekommen zu sein scheint. Dass die Nazis das Schlimmste waren, was der Menschheit je passiert ist, das weiß in Amerika dank Hollywood jedes Kind, und niemand möchte sich mit solchen Unmenschen auch nur im selben Atemzug nennen lassen.
Ein noch schlimmerer Schlag folgte, als man darüber hinaus dahinter kam, dass die Nazis durchaus und sogar schriftlich fixierte Regeln für ihre »verschärfte Befragung« hatten und gewisse Praktiken schlicht verboten waren. Ob sich der plötzlich mit Macht ausgestattete Scherge im Feld daran hielt, sei dahingestellt. Für das öffentliche Bewusstsein von größerer Bedeutung ist die Behauptung, Bush habe selbst von den Nazis verbotene Praktiken abgenickt. Dass man nach dem Zweiten Weltkrieg Leute wegen Anwendung solcher Praktiken als Kriegsverbrecher hingerichtet hat, kommt erschwerend hinzu.
Hier interessiert natürlich eher der Begriff selbst, der sich nahtlos in die Reihe fast schon genialer Euphemismen einfügt, die einem bei der Beschäftigung mit amerikanischen Texten (»extreme prejudice« ist nach wie vor mein Favorit.) so untergekommen sind. »Verschärft« kann man drehen und wenden wie man will, man wird das Wort kaum in einen positiven Kontext bekommen; »enhanced« dagegen ist fast schon ein bisschen infam…
»Enhance« hat nun einmal mehr Bedeutungen und damit Konnotationen als »verschärfen«, und sie sind mit einigen Ausnahmen wie etwa »enhanced radiation« eigentlich alle positiv; »enhanced« ist besser, schöner, größer, wirkungsvoller, aufgewertet eben, »enhanced« hat mehr Bums. Vor allem aber ist »enhanced« en vogue, man denke an den »Enhanced Graphics Adapter«, die EGP-Schnittstelle, an der die meisten von uns noch vorbei geschrammt sind, deren erste PCs bereits mit VGA ausgestattet waren. Vor allem aber, wo wir gerade von mehr Bums sprechen, fällt einem der Begriff »surgically enhanced« ein, der all die chirurgischen Eingriffe umfasst, die uns tagtäglich in Film, Funk, Web & Fernsehen als wünschenswert vorgeführt werden.
»Enhanced interrogation« ist also durchaus etwas, was sich absegnen lässt, wenn man nicht nachfragt, was denn darunter im Detail zu verstehen sei. »Well, Mr. President, it just means we’re gonna enhance it a little, you know.« Hey, I like the sound of that, go right ahead.
Um nicht zu sagen, was eigentlich gemeint ist, wie gesagt, schlicht genial.
Sollte die Thematik hierzulande wieder aktuell werden, sollte man vielleicht an der »verschärften Vernehmung« vorbei zurück ins Mittelalter gehen, wo es die »peinliche Befragung« als Mittel der Wahrheitsfindung gab. Da heute bei »peinlich« keiner mehr an »Pein« denkt, wäre auch diese Formulierung als Hüllwort geradezu genial.
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