Wir hatten bei der ersten Sitzung die Bedeutung »schwindelig« erarbeitet. Was aber den »trümmligen egoistischen Typ« nicht so recht erklären möchte, der mich überhaupt erst auf das Wort gebracht hat.
Doch erst noch eine Handvoll Beispielsätze zur ersten Bedeutung, die den Unterschied zur nächsten verdeutlichen sollen. Ich fange mal mit einem Klassiker an.
»… Seits, und nimmt e Sprung. Jez brutlet er abe go Rhinau;
Trümmlig isch’s em worde, doch chunnt er witers und witers.«
Johann Peter Hebel, »Die Wiese«, 1846
»Nur wenn ich rannte oder bergauf ging, wurde es mir trümmlig und kurzatmig, aber das werden Dir wohl alle hochschwangeren Frauen bestätigen.«
»Erste Bekanntschaft mit dem Atemgerät habe ich auch schon gemacht, schließlich wurde es mir leicht trümmlig.«
»Es isch mer trümmlig.« (Zürcher Version)
»wenn die kinder den hoger aben rugelen wirds mir vom zulugen schon ganz trümmlig«
Ich denke, die Bedeutung »schwindelig« können wir damit getrost als gebongt abhaken. Was ist nun mit der »trümmligen Type«? Bestätigt sich mein zum Schluss meiner ersten Betrachtungen geäußerter Verdacht?
Nun, wenigstens den Leuten, die sich ein bisschen mit ihrer Sprache befassen, dürfte bekannt sein, dass einige Synonyme für »schwindlig« auch in Richtung »dumm« tendieren.
Als Bayer fiel mir zu »trümmlig« als erstes unser famoses altes »damisch« ein. Für alle, die mit dem Wort weniger vertraut sind, es bedeutet, dass »sich einem alles dreht«.
aber jetzt schläft die kleine seit ca. 15 minuten — vielleicht holt sie doch alles nach, dann leg ich mich dazu (hab mich bislang nicht getraut, weil ich noch damischer bin, wenn ich nach wenigen minuten wieder auf muss).
Aber um mal über Bayern hinauszuschauen: Christmanns und Krämers Pfälzisches Wörterbuch hat einen schönen Beispielsatz:
Wer von einem hohen Berg hinabschaut, wird leicht dämisch.
Der findet sich unter dem Eintrag »taumisch, täumisch«, unter dem auch die Varianten »dämisch«, »daamisch« und »doomisch« aufgeführt sind. Definiert wird das Ganze mit »benommen, bewusstlos, verwirrt, verrückt«. Verwiesen wird auf »taumelig«.*
Die andere Bedeutung von »damisch«, mit »verwirrt, verrückt« schon angedeutet, ist schon bei Grimm unter »dämisch« als »verdummt, albern« gegeben.
Ich möchte neben dem bayerischen Klassiker »damischer Hund, damischer« auch noch Thomas Mann bemühen, in dessen Buddenbrooks es heißt
»Schaun S’, da hamer dö damische Konkurrenz, dö damische… und der Export, dös is scho z’m Lochen…«
»Und da haben S’ jetzt wohl«, sagte er, »a damische Furcht vor der Eh’ und wollen’s nimmer noch amal versuchen…«
Ähnlich wie mit »damisch« verhält es sich mit »dusselig«, das Küpper mit »betäubt, schwindlig, unachtsam, verträumt, langweilig, dümmlich, unbeholfen« definiert.
Folgende beliebigen Beispielsätze aus dem Web zeigen, so denke ich, dass meine Theorie durchaus Hand und Fuß hat.
»So eine trümmlige Fernsehauszeichnung. «
»ich käme auch nicht auf solch eine trümmlige idee«
»Und auch ein College-Basketball Spiel der UW Huskies habe ich miterlebt (10’000 Zuschauer gegen irgendso eine trümmlige Uni aus Kalifornien)«
»Wer jemals versucht hat, mit dem Handy zu surfen, weiss, was das für eine trümmlige Angelegenheit ist. Warten, warten, warten, und wenn dann…«
»…schrieb eine trümmlige sog. «Copy» (das ist edel für «Text») auf einen Flyer, der dem 10 % Rabatt einbrachte, der ihn bei …«
Ich habe noch Dutzende Beispiele mehr gefunden; bei allen ließe sich »trümmlig« durch »dumm«, »dusslig«, »deppert«, »blöd«, »idiotisch«, »verdreht«, »dämlich«, »bescheuert«, »beschubst« etc. ersetzen.
Von Interesse wäre vielleicht noch zu wissen, ob hierzulande, wo »trümmlig« durchaus bekannt zu sein scheint, auch beide Bedeutungen benutzt werden. Bei den Schweizern ist das ja ganz offensichtlich der Fall.
Das scheint mir erst mal gegessen; wenn mir noch was auf- oder einfällt, gibt’s einen zweiten Nachschlag. Vielleicht, so beginnt mir eben zu dämmern, müsste man vor diesem Hintergrund auch noch einmal einen genaueren Blick auf »schwirbelig«, »schwurbelig« und Konsorten werfen…
Nachtrag: Jetzt bin ich doch noch fündig geworden, was eine Definition für die zweite Bedeutung von »trümmlig« angeht. Vermutlich hätte sie mir jeder Schweizer sagen können, aber es hat sich offensichtlich seit gestern kein Eidgenosse hierher verirrt.
Ich zitierte den Tages-Anzeiger vom 14.Mai 2010. Hier hieß es unter der Überschrift »Dialektisch« zu »trümmlig«:
Mir isch trümmlig!, sagt der Schweizer, und meint damit: Mir ist schwindlig. … Weniger ums Drehen als vielmehr ums Ver- oder Durchdrehen hingegen geht es, wenn von einer trümmligen Person die Rede ist: Eine solche gilt per definitionem als unorganisiert, unkonzentriert, unzuverlässig, ist in gewisser Hinsicht also durchaus ein Unmensch. Ein Individuum, mit dessen Seriosität es nicht weit her ist, das dieses Manko jedoch nicht selten durch Liebenswürdigkeit wieder wettmacht. … (psz)
Das würde bedeuten, dass ich mit »blöde« womöglich etwas zu weit gegangen bin. Aber wo ist die Grenze zwischen “verwirrt” und “blöd” in den Augen des Mitmenschen? Und was, wenn »trümmlig« dann schimpfend auf Gerätschaften und Sachverhalte angewandt wird? So eindeutig sind die Grenzen da einfach nicht. Aber da werde ich wohl noch mal ran müssen…
Fortsetzung hier.
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* »Damisch« hat – wie seine Verwandten »dämisch« und »dämlich« – übrigens nichts mit der »Dame« zu tun, wie man sich nun die letzten 40 Jahre von der emanzipierten Fraktion vorwerfen lassen muss; Grimm leitet es vom mittelhochdeutschen »toum«, Qualm, Dunst, ab; dienlicher ist der Verweis auf das mittelhochdeutsche »tumeln« vom althochdeutschen »tumilon«, laut Duden eine Iterativbildung zum mhd. »tumen«, ahd. »tumon«, was »sich im Kreise drehen, schwanken« bedeutet.
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