So verhielt es sich denn mit einem Artikel, den ich eben zu übersetzen hatte, und in dem von einem »Bush moment« die Rede. Es hieß da:
Remember that old witticism of the neocons of the ascendant Bush moment back in 2003: “Everyone wants to go to Baghdad. Real men want to go to Tehran”?1
Nun scheint man ja unter einem »Bush moment« jene Augenblicke zu verstehen, in denen es beim vorletzten ‘kanischen Präsidenten mal kurz aussetzte. Der Begriff »Bushism« scheint in diesem Zusammenhang wohl bekannter zu sein.
Um nur ein Beispiel zu nennen:
Obama’s Bush Moment: “Larry Summers did a heckuva job.” That phrase will go down in history along side George W. Bush’s “heckuva job, Brownie” after the Katrina fiasco. scottystarnes.wordpress.com, 2010
Hin und wieder wird denn auch unnötigerweise doppelt gemoppelt wie etwa wenn von einem »embarrassing Bush moment« die Rede ist; ein »Bush moment« ist per definitionem peinlich. Wie auch immer, diese Augenblicke summierten sich im Lauf der Jahre zum Klischee, das in einer Sammlung analog etwa zu Ostfriesenwitzen aufging. »What’s your favourite Bush moment?« ist die Frage, die das am besten auf den Punkt bringt.
Nur, um auf meinen Satz zu kommen, ein »sich anbahnender Bush-Moment« sozusagen, das lässt einen doch stutzen. Das fängt schon mit dem Singular an, der problematisch ist, wenn wir an die vielen kleinen Aussetzer des Ex-Präsidenten denken; wenn wir beim genannten Paradigma beiben, dann müsste da von einem bestimmten satten Filmriss die Rede sein. Aber der Satz wird in dem Artikel nicht eingeleitet; er ergibt vor diesem Hintergrund einfach keinen Sinn. Es muss sich ebenfalls um einen festen Begriff handeln, der sich aber anders definiert. Also macht man sich auf die Suche…
… und wird auch relativ schnell fündig. Der Artikel ist immerhin von Tom Engelhardt2, einem Autor, der unter der Ägide des Nation Institute die Website TomDispatch.com betreibt. Zu seinen Büchern gehören End of Victory Culture und The American Way of War. Wir sehen auf tomdispatch.com, dass der Begriff »Bush moment« dort immer wieder auftaucht.
Dilip Hiro liegt an der Einschätzung eines bedeutenderen Niedergangs – nicht dem des »Bush moment« in Washington, sondern dem eines imperialen Amerika, das sich, wie er unten erklärt, als Verlierer eines zunehmend demütigenden Nullsummenspiels mit einer eher zweitrangingen Macht sieht.3
Und:
Die Frage, die Grandins Artikel aufwirft, ist doch folgende: Ist ein Blick in die Vergangenheit auch ein Blick in die Zukunft? Wenn der »Iran Contra moment« die Saat für unsere zweite Ära Bush ausbrachte, wie wird dann das Erbe dieses »Bush moment« aussehen?4
Man ist zunächst versucht, hier noch einmal zu unterscheiden zwischen einem mutmaßlichen bestimmten Augenblick der Amtszeit von George W. Bush und dem »Bush moment« als diese Amtszeit an sich. Das jedoch klärt sich mit der nächsten Fundstelle auf:
Das ist übrigens etwas, wovon die Evangelikalisten seit den 1850ern träumen. Es ist dies der Hintergrund der Amerikanischen Universität in Beirut. Der Gedanke hinter den presbyterianischen Missionen war ursprünglich die Missionierung des Nahen Ostens, die freilich auf der ganzen Linie scheiterte – woran sich bis heute nichts geändert hat. Der »Bush moment« war ein Augenblick, in dem diese Träume aus dem 19. Jahrhundert von einer Verschmelzung evangelikaler Missionierung und imperialer Macht für kurze Zeit wieder auflebten. Mittlerweile ist ihnen klar geworden, dass es dazu einfach nicht kommen wird, und das ärgert sie, sie sind enttäuscht. Das lässt sich verstehen.5
Und nachdem der Begiff definiert ist, noch einige Ausführungen dazu:
Die umfassende Aufnahme des Gedankens einer humanitären Intervention sorgte unter anderem für das neue Phänomen des »Bush moment« – einem expliziten Appell an die religiöse Motivation hinter der Ausübung amerikanischer Macht. Mit George W. Bushs Machtübernahme brauchte sich die religiöse Rechte keinen Zwang mehr anzutun hinsichtlich ihrer unverblümt religiösen Sprache bei der Rechtfertigung amerikanischer Machtausübung – einer Sprache der Mission, die den Begriff der »Freiheit« durch den des »Heils« ersetzt. Wir stellten uns gegen Saddam Hussein ganz und gar im Sinne eines binären Kampfs Gut gegen Böse. Bushs Appelle an das Böse waren von den ersten Tagen des Krieges an ein Hauptthema seiner Reden. Ziel seines Krieges, so erklärte er uns, sei nicht die Verbreitung der Demokratie, sondern das Ende des Bösen. Sie sehen, was da passiert? Wir haben bewegen uns in eindeutig religiöse Kategorien, und in Amerika was das in Ordnung.6
Wir dürfen also unter dem »Bush moment« hier weder die kleinen und größeren Peinlichkeiten des ehemaligen US-Präsidenten, noch seine Amtszeit an sich verstehen. Gemeint ist hier vielmehr der historische Augenblick, in dem George W. Bush sich vor der Möglichkeit einer Invasion des Iran sieht, der Augenblick eben, in dem die Träume »von einer Verschmelzung evangelikaler Missionierung und imperialer Macht für kurze Zeit wieder auflebten«.
Ach ja, fast hätte ich die Frage vergessen, ob sich diese doch ganz eigene Interpretation des »Bush moment« wohl durchsetzen wird. Da wird man wohl bei Gelegenheit noch mal nachgoogeln müssen.
Und auch das einschlägige Gejammer des Übersetzers soll hier nicht fehlen: All diese Arbeit für eine einzige poplige Wendung!
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