Bei den Vorbereitungen für die Übersetzung eines Buches über Bob Dylan stieß ich auf einen Namen, der mich schlagartig in die Anfangszeit meiner Beschäftigung mit der englischen Sprache zurückwarf: Lomax. Und ich meine damit zunächst einmal beide, John und Alan, Vater und Sohn. Die Lomaxes waren womöglich die größten Kenner und Sammler amerikanischer Folklore überhaupt. Ich erinnere mich an einige Sammlungen, die ich mir in den 60ern aus dem Amerika-Haus ausgeliehen habe. Ich meine auch, in einem von Alan Lomax‘ Songbooks die ersten komplexeren Bluesgriffe gelernt zu haben. Und eine Alternativversion von „House of the Rising Sun“. Die ich erstaunlich fand. Und in einem Titel von John Avery Lomax – Cowboy Songs and other Frontier Ballads – gab es Text und Noten zu »The Days of Forty-Nine«. Bob Dylan hat den Song dann 1970 auf seinem merkwürdigen Album Self Portrait herausgebracht. Das ich aber damals nicht gehört habe.
Wie auch immer, in Lomax‘ Version von »The Days of Forty-Nine« heißt es
We are gazing now on old Tom Moore,
A relic of bygone days;
‘Tis a bummer, too, they call me now,
But what cares I for praise?
It’s oft, says I, for the days gone by,
It’s oft do I repine
For the days of old when we dug out the gold,
In those days of Forty-Nine.
Es gibt Textvarianten, aber darum soll es hier nicht gehen. Was mich damals interessierte, das war der »bummer«, mit dem ich mich ein andermal befassen will; ich hatte vergessen, dass er hier vorkommt. Nicht so »But what cares I for praise?« Damit hatte ich als Anfänger meine Schwierigkeiten; ich konnte die Wörter erst nicht so recht unterbringen. Die nächste Zeile, ich erinnere mich noch, half mir auf Sprünge: »It’s oft, says I, for the days gone by«.1 Aber glücklich war ich nicht damit; schließlich hatte man gerade gelernt, dass nur die dritte Person Singular eine »s«-Endung hat. So etwas war in den 1960ern gar nicht so einfach zu klären. Man hatte schließlich kein allwissendes Internet hinter jedem Text, den man zu entziffern versuchte.
Und weiteres Lesen brachte denn auch zunehmend Licht in die Geschichte. Vor allem, wenn man zu Büchern mit viel Umgangssprache drin neigt. »Says who?« ist wohl das beste Beispiel für das Paradigma. »Says I«, lautet eine Antwort darauf oder »Says you«: »Ich sag das« oder »Sagst du«/»Behauptest du«. Natürlich gibt es zahlreiche andere Möglichkeiten, die keineswegs feste Wendungen sein müssen: »Says my sources, that’s who.« In jedem Fall scheint man damit den Fragesteller nachzuäffen. In grammatischer Hinsicht ist dieses »says« freilich etwas ganz anderes als das »says I« im zitierten Text. Aber das fand ich erst später heraus; wichtig war damals erst mal zu erfahren, dass der Satz endlich einen Sinn ergab, wenn man weiß, dass ein »cares I« überhaupt möglich ist.
Was aber immer noch »what cares I for praise« nicht so recht zu klären vermag. Außer eben, dass es, wie nun feststeht, eine Grammatik außerhalb oder neben der Schulgrammatik gibt. Möglichkeiten, mit anderen Worten, sich auch außerhalb einer »offiziellen« Grammatik auszudrücken, und dass diese Möglichkeiten durchaus gedruckt wird.
Welcher Art sind nun die gebräuchlichsten »offiziellen« Abweichungen von der »offiziellen« Grammatik, von der Schulgrammatik? Genau – Abweichungen dialektaler Art. Und wem sollte das besser einleuchten als einem, für den »Butter«, »Radio« und »Kaugummi« von Kindesbeinen an »männlich« waren? Und so verhält es sich auch mit unserem Problem. Darauf kam ich aber erst im Studium; und zwar folgendermaßen.
Wenn man sich durch eine englische Literaturgeschichte arbeitet, stößt man irgendwann auf den Begriff »Child Ballads« oder »Child’s Ballads«. Und die haben nun nichts mit »Kindern« zu tun, auch nichts mit »Childe Herold« und Konsorten2, sondern sind nach ihrem Sammler benannt: Francis James Child. Und seine berühmte Sammlung selbst nennt sich The English and Scottish Popular Ballads. Sie umfasst zehn feinsäuberlich annotierte Bände. Und im vierten dieser Bände findet sich eine Ballade mit dem Titel »The Gypsy Laddie«, in der eine schottische Adelige mit einem Zigeuner ausbüxt. Auf die Frage nach dem Warum sagt sie:
‘What cares I for my houses and my lands?
What cares I for my babies?
What cares I for my decent married man?
I will go with the roving gypsies.’
Irritierenderweise findet sich diese Stelle in den im Internetarchiv abgelegten Exemplaren folgendermaßen:
What care I for houses and land?
And what care I for money?
What do I care for three pretty babes?
Da aber überall sonst im Web sich erstere Variante findet, habe ich mir das seinerzeit wohl aus einer anderen Ausgabe notiert. Womöglich gar nicht aus Childs Ausgabe selbst. Ist hier auch egal. Wichtig ist hier nur eines: Es handelt sich bei »what cares I« um eine vielfach belegte alte Dialektvariante. Ob sie ihren Ursprung im Schottischen hat, müsste man gesondert klären.3
Die invertierte Fragestellung4 ist übrigens gar nicht so selten, wo wir schon dabei sind. So heißt es, um nur drei Beispiele zu nennen, bei Thomas De Quincey:
What care I for the reversion of the bailiff’s place, unless I may take my Kate into the bailiff’s house as mistress?5
Und bei Virginia Woolf:
“What care I for your goose-feather bed?6
Und bei einem anderen Schotten, Sir Walter Scott:
And what care I for the bit of gold that the wench gave me, if I am to come to harm from the priest next Easter at confession, and be obliged to give him twice as much to make it up with him, and be called the Jew’s flying post all my life, as it may hap, into the bargain?
Nur nebenbei bemerkt: Wenn man den Ivanhoe nach »care« durchsucht, so fällt nicht nur auf, wie oft das Wort vorkommt, das Verb wird auch durch die Bank als »I care not« – nicht als »I don’t care« – verneint. Was die Form »what care I for« nicht mehr so absonderlich, sondern lediglich altmodisch erscheinen lässt.
Wie gesagt, ich kann nicht sagen, ob die Schotten die Ersten waren, die die erste Person Singular mit einem »s« versahen, das wäre ein andermal zu klären. Was das »I says« / »says I« anbelangt, muss man selbstverständlich noch das »historic perfect« unterscheiden; es handelt sich hier um die Technik, bei einer Erzählung um der Unmittelbarkeit willen ins Präsenz zu verfallen: »Komm ich doch neulich…« In diesem Fall bedeutet die Wendung natürlich ausnahmslos »sagte ich« / »habe ich gesagt«. Aber auch davon ein andermal mehr.
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