Let me break it down to you – so it will be fore­ver broke …

Im Gefol­ge des Gemet­zels an der Demo­kra­tie im ame­ri­ka­ni­schen Fer­gu­son (und die­ses Gesin­del will auf der Welt für Recht & Ord­nung sor­gen?) ist man in den USA dabei, ein »App gegen Poli­zei­ge­walt« zu ent­wi­ckeln. Gute Idee. Und manch­mal – gera­de heu­te mor­gen wie­der – wür­de ich mir nun (fast) ein sol­ches App gegen eine ande­re Art von Gewalt wün­schen. Ich spre­che von Gewalt­ta­ten wider die deut­sche Spra­che durch bis über die Blöd­heit hin­aus wört­li­che Ein­deut­schun­gen eng­li­scher Texte…

Wann immer ich eine Zei­tung auf­ma­che, wün­sche ich mir so gut wie auf jeder Sei­te, der Betref­fen­de hät­te einen Über­set­zer zu Rate gezo­gen. Nein, im Ernst. Da hat man einen Arti­kel nach dem ande­ren, mal mehr, mal weni­ger inter­es­sant, das ist herz­lich sub­jek­tiv, aber so gut wie alle in bes­tem Deutsch geschrie­ben, was durch­aus objek­tiv zu beur­tei­len ist, unge­ach­tet sti­lis­ti­scher Eigen­hei­ten. Und mit­ten im vor­züg­lichs­ten Deutsch staucht es mir plötz­lich den sprach­li­chen Knö­chel in einem Schlag­loch, das nur aus einem Grund ent­stan­den ist: Der – wie gesagt des Deut­schen durch­aus mäch­ti­ge – Ver­fas­ser hat selbst­stän­dig, um nicht zu sagen eigen­mäch­tig ein Zitat aus dem Eng­li­schen, ja, »ins Deut­sche gezerrt« hät­te ich um ein Haar gesagt. Aber genau dar­um geht es ja, es ist nicht Deutsch, es sind bes­ten­falls deut­sche Wör­ter, belie­big anein­an­der­ge­reiht, meist auch mit neu­em Sinn, denn eine Über­set­zung ist es ja oft noch nicht mal.

Ich spre­che hier nicht von kom­plet­ten Arti­keln, die Kol­le­gen über­setzt haben oder von Inter­views wie das neu­lich im Spie­gel mit Jere­my Rif­kin, des­sen jüngs­tes Buch zu über­set­zen ich die Ehre und gro­ße Freu­de hat­te. Das liest sich tat­säch­lich, als hät­ten sich da zwei intel­li­gen­te Deut­sche auf Deutsch unter­hal­ten. So soll­te es sein – ein Text soll­te sich so lesen, wie er inten­diert ist –, und wenn sich im Aus­gangs­text nicht gera­de zwei Son­der­schü­ler schrift­lich aus­tau­schen, dann soll­te man die eng­li­schen Autoren in der Über­set­zung auch nicht für sol­che halten … 

Was mir in die­sem Zusam­men­hang aus wel­chem Grund auch immer ein­fällt, ist eine Über­schrift aus der SZ, in der Björk mein­te, man kön­ne nicht immer »süß« sein …obwohl es so ganz offen­sicht­lich war, dass sie zwar »sweet« gesagt hat, aber »lieb« gemeint hat, »nett« von mir aus.»Sweet« hat durch­aus meh­re­re Bedeu­tun­gen, und die gilt es zu über­set­zen, nicht ein­fach Wör­ter in der einen Bedeu­tung, die man vom Schul­wör­ter­buch her kennt. In ande­ren Fäl­len etwa wäre »sweet« mit “stark”, “krass” oder einem ande­ren Syn­onym für “groß­ar­tig” zu übersetzen…

Oder »Die Situa­ti­on fängt an, außer Kon­trol­le zu gera­ten…«1 Ich weiß, das mag jetzt pin­ge­lig klin­gen, aber was wäre dabei, da ein »all­mäh­lich« oder gar ein »lang­sam, aber sicher« zu bemü­hen? Dann wär’s auch tat­säch­lich Deutsch.

Aber bevor Sie jetzt gla­si­ge Augen krie­gen und weg­ni­cken: Kon­kre­ter Anlass für die­sen Kol­ler sind gleich zwei Häm­mer hin­ter­ein­an­der: Im Focus sehe ich gera­de: »›Gehört die­ses Video zu dir‹, heißt es in einer Nach­richt, die der­zeit immer mehr Face­book-User erreicht.«2 Etwas »belongs to someone«. Ich möch­te hier nicht dar­über labern, ob das Eng­li­sche nun tat­säch­lich einen Dativ kennt oder  der­glei­chen. Aber im Deut­schen »gehört einem etwas«, wenn man nicht ande­res aus­drü­cken will als den blo­ßen Besitz.»Das Teil gehört mir.« Aus, Äpfel, Amen!3 Sage ich »Der Lap­top gehört zu ihm«, dann ist das nur ein hal­ber Satz, da man einen Ver­gleich erwar­tet: »wie die Scha­le zum Ei« oder was weiß ich. Es will nicht auf den Besitz hin­wei­sen, son­dern, ja, dass etwas »zu  jeman­dem gehört«, dass er ohne nicht denk­bar ist. Aber dar­um geht’s ja gar nicht. Hier hat einer selbst das Grund­schul­eng­lisch ver­ges­sen. Und doch ja, Deutsch kann er auch nicht. Sonst wür­de er stutzen…

Nicht weni­ger doof ist, was ich zuvor im Stern gese­hen habe: »“Aus den Bewer­tun­gen sol­len mit der Zeit Ratings ent­ste­hen, die sich auf Bun­des­staa­ten, Bezir­ke, Poli­zei­sta­tio­nen bis hin zu indi­vi­du­el­len Poli­zis­ten her­un­ter­bre­chen las­sen.«4 Hier geht’s um besag­te Apps gegen Poli­zei­ge­walt. Von den »Poli­zei­sta­tio­nen« möch­te ich erst gar nicht anfan­gen; wirk­lich blö­de ist das »her­un­ter­bre­chen«. Da steht im Eng­li­schen natür­lich »break down«. Und das ist weder neu, noch Slang, noch stün­de es nicht in jedem Wör­ter­buch Englisch-Deutsch.

Mein famo­ses OED weiß dazu Folgendes:

 g. To ana­ly­se or clas­si­fy (figu­res, sta­tis­tics, etc.). orig. U.S.
1934 Webs­ter, Break down, to sepa­ra­te (an account or a bud­get) into its com­po­nent parts or sub­di­vi­si­ons.  1941 Amer. Speech XVI. 45 A vast amount of raw mate­ri­al has been bro­ken down for clas­si­fi­ca­ti­on.  1948 Han­sard Com­mons CDXLVIII. 1663 The pro­gram­me account is not bro­ken down as bet­ween the Home, Light, and Third Programmes.

Es heißt nichts ande­res als »ana­ly­sie­ren«, »auf­schlüs­seln«, »auf­glie­dern« und was sich dafür im Syn­onym­wör­ter­buch sonst noch so auf­trei­ben lie­ße. Aber bit­te nicht »her­un­ter­bre­chen«. Herr­gott noch mal.

Prak­tisch sind sol­che Sachen natür­lich, um Leu­te zu dekou­vrie­ren, die sich einen fau­len Lenz mit fet­ten Maga­zin-Hono­ra­ren machen und dabei nur im Web gefun­de­ne eng­li­sche Arti­kel abfei­len. Und das dann auch noch Arbeit nen­nen. Oder »Job«. (Und man fin­det die­se Arti­kel durch­aus, wit­zi­ger­wei­se macht die beschis­se­ne wört­li­che Über­set­zung die Suche rela­tiv leicht.) Was mich aber hier nichts ange­hen soll. Schlim­mer ist für mich was ganz ande­res: Da hier­zu­lan­de der­ar­ti­ger Mist gleich für schick gehal­ten wird – »am Ende des Tages« fällt mir ein, zu schwei­gen von den »losen Kano­nen« –, höre ich natür­lich jetzt schon auch den letz­ten Idio­ten noch sei­ne Sta­tis­tik »her­un­ter­bre­chen« und aus der »Auf­schlüs­se­lung« wird dann ver­mut­lich ein »Zusam­men­bruch« …

Gibt es kein App gegen die­sen Zusam­men­bruch der deut­schen Spra­che? Möch­te ich im ers­ten Augen­blick sagen. Ein App, das auf Ver­bre­chen an & Gewalt gegen die deut­sche Spra­che hin­weist? Nein, nicht doch. Natür­lich soll­te sich jeder so aus­drü­cken kön­nen, wie es ihm Spaß macht – oder wie es sei­nen über­set­ze­ri­schen Fer­tig­kei­ten ent­spricht, wenn er irgend­wo im Web etwas abkup­fert (und unbe­dingt meint, man mer­ke das nicht) … Nein, nein, jeder spre­che so, wie es ihm beliebt, solan­ge es mir per­sön­lich miss­fal­len darf. Gera­de der Gedan­ke, dass ein sol­ches App gegen Poli­zei­ge­walt hier­zu­lan­de flugs ver­bo­ten wäre, lässt mich aus­drück­lich dar­auf hin­wei­sen, dass ich kei­nem weder Wort noch Mund ver­bie­ten möchte…

Und als Über­set­zer – obwohl mir die­se Idio­ten die But­ter vom Brot neh­men – sage ich mal: Die Tat­sa­che, dass Analpha­be­ten aus dem deut­schen Lek­to­rat nun ja auch seit gerau­mer Zeit mei­nen, die grü­nen Winzwel­len in Words Gram­ma­tik-Kor­rek­tur sei­en der deut­schen – oder über­haupt einer – Spra­che letz­ter Schluss, hal­ten mich dop­pelt & drei­fach davon ab, mir tat­säch­lich ein sol­ches App zu wün­schen. Nur wäre es mir lie­ber, wenn man die deut­sche Spra­che ihre eige­nen Feh­ler machen ließe …

 

  1. 11. Juli 2014 05:42, CIA-Spio­na­ge beim BND []
  2. Mon­tag, 18.08.2014, 09:46 []
  3. Das ist baye­risch für »Peri­od!« []
  4. STERN 19. August 2014 []
SlangGuy

Übersetzer & Wörterbuchmacher

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