Wann immer ich eine Zeitung aufmache, wünsche ich mir so gut wie auf jeder Seite, der Betreffende hätte einen Übersetzer zu Rate gezogen. Nein, im Ernst. Da hat man einen Artikel nach dem anderen, mal mehr, mal weniger interessant, das ist herzlich subjektiv, aber so gut wie alle in bestem Deutsch geschrieben, was durchaus objektiv zu beurteilen ist, ungeachtet stilistischer Eigenheiten. Und mitten im vorzüglichsten Deutsch staucht es mir plötzlich den sprachlichen Knöchel in einem Schlagloch, das nur aus einem Grund entstanden ist: Der – wie gesagt des Deutschen durchaus mächtige – Verfasser hat selbstständig, um nicht zu sagen eigenmächtig ein Zitat aus dem Englischen, ja, »ins Deutsche gezerrt« hätte ich um ein Haar gesagt. Aber genau darum geht es ja, es ist nicht Deutsch, es sind bestenfalls deutsche Wörter, beliebig aneinandergereiht, meist auch mit neuem Sinn, denn eine Übersetzung ist es ja oft noch nicht mal.
Ich spreche hier nicht von kompletten Artikeln, die Kollegen übersetzt haben oder von Interviews wie das neulich im Spiegel mit Jeremy Rifkin, dessen jüngstes Buch zu übersetzen ich die Ehre und große Freude hatte. Das liest sich tatsächlich, als hätten sich da zwei intelligente Deutsche auf Deutsch unterhalten. So sollte es sein – ein Text sollte sich so lesen, wie er intendiert ist –, und wenn sich im Ausgangstext nicht gerade zwei Sonderschüler schriftlich austauschen, dann sollte man die englischen Autoren in der Übersetzung auch nicht für solche halten …
Was mir in diesem Zusammenhang aus welchem Grund auch immer einfällt, ist eine Überschrift aus der SZ, in der Björk meinte, man könne nicht immer »süß« sein …obwohl es so ganz offensichtlich war, dass sie zwar »sweet« gesagt hat, aber »lieb« gemeint hat, »nett« von mir aus.»Sweet« hat durchaus mehrere Bedeutungen, und die gilt es zu übersetzen, nicht einfach Wörter in der einen Bedeutung, die man vom Schulwörterbuch her kennt. In anderen Fällen etwa wäre »sweet« mit “stark”, “krass” oder einem anderen Synonym für “großartig” zu übersetzen…
Oder »Die Situation fängt an, außer Kontrolle zu geraten…«1 Ich weiß, das mag jetzt pingelig klingen, aber was wäre dabei, da ein »allmählich« oder gar ein »langsam, aber sicher« zu bemühen? Dann wär’s auch tatsächlich Deutsch.
Aber bevor Sie jetzt glasige Augen kriegen und wegnicken: Konkreter Anlass für diesen Koller sind gleich zwei Hämmer hintereinander: Im Focus sehe ich gerade: »›Gehört dieses Video zu dir‹, heißt es in einer Nachricht, die derzeit immer mehr Facebook-User erreicht.«2 Etwas »belongs to someone«. Ich möchte hier nicht darüber labern, ob das Englische nun tatsächlich einen Dativ kennt oder dergleichen. Aber im Deutschen »gehört einem etwas«, wenn man nicht anderes ausdrücken will als den bloßen Besitz.»Das Teil gehört mir.« Aus, Äpfel, Amen!3 Sage ich »Der Laptop gehört zu ihm«, dann ist das nur ein halber Satz, da man einen Vergleich erwartet: »wie die Schale zum Ei« oder was weiß ich. Es will nicht auf den Besitz hinweisen, sondern, ja, dass etwas »zu jemandem gehört«, dass er ohne nicht denkbar ist. Aber darum geht’s ja gar nicht. Hier hat einer selbst das Grundschulenglisch vergessen. Und doch ja, Deutsch kann er auch nicht. Sonst würde er stutzen…
Mein famoses OED weiß dazu Folgendes:
g. To analyse or classify (figures, statistics, etc.). orig. U.S.
1934 Webster, Break down, to separate (an account or a budget) into its component parts or subdivisions. 1941 Amer. Speech XVI. 45 A vast amount of raw material has been broken down for classification. 1948 Hansard Commons CDXLVIII. 1663 The programme account is not broken down as between the Home, Light, and Third Programmes.
Es heißt nichts anderes als »analysieren«, »aufschlüsseln«, »aufgliedern« und was sich dafür im Synonymwörterbuch sonst noch so auftreiben ließe. Aber bitte nicht »herunterbrechen«. Herrgott noch mal.
Praktisch sind solche Sachen natürlich, um Leute zu dekouvrieren, die sich einen faulen Lenz mit fetten Magazin-Honoraren machen und dabei nur im Web gefundene englische Artikel abfeilen. Und das dann auch noch Arbeit nennen. Oder »Job«. (Und man findet diese Artikel durchaus, witzigerweise macht die beschissene wörtliche Übersetzung die Suche relativ leicht.) Was mich aber hier nichts angehen soll. Schlimmer ist für mich was ganz anderes: Da hierzulande derartiger Mist gleich für schick gehalten wird – »am Ende des Tages« fällt mir ein, zu schweigen von den »losen Kanonen« –, höre ich natürlich jetzt schon auch den letzten Idioten noch seine Statistik »herunterbrechen« und aus der »Aufschlüsselung« wird dann vermutlich ein »Zusammenbruch« …
Und als Übersetzer – obwohl mir diese Idioten die Butter vom Brot nehmen – sage ich mal: Die Tatsache, dass Analphabeten aus dem deutschen Lektorat nun ja auch seit geraumer Zeit meinen, die grünen Winzwellen in Words Grammatik-Korrektur seien der deutschen – oder überhaupt einer – Sprache letzter Schluss, halten mich doppelt & dreifach davon ab, mir tatsächlich ein solches App zu wünschen. Nur wäre es mir lieber, wenn man die deutsche Sprache ihre eigenen Fehler machen ließe …
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