Selbst namhafte Journalisten fallen auf getürkte Meldungen herein. Ich habe das erst jüngst bei einer Übersetzung für LETTRE gemerkt, wo der Autor auf ein gefaktes Video hereingefallen ist. Natürlich wurde das auf einen Hinweis hin auf der Website der London Review of Books korrigiert. Viele andere machen das nicht.1 Die Begeisterung, mit der man der nervigen Orange im Weißen Haus etwas anhängen will, spielt da sicher eine gewisse Rolle. Aber das ist wie mit Folter & Todesstrafe: Wenn man sich unterscheiden will…
Irgendwie witzig ist das bei den Büchern mit Trump-Zitaten. Die sind ja recht einfach zu machen, weil die Zitate leicht zu finden sind, das Web sammelt sie ja für einen. Aber man sollte sie nicht einfach unrecheriert übernehmen, wie ich selbst bei der Arbeit an einer solchen Anthologie gemerkt habe. Allein einen Satz aus dem Zusammenhang zu reißen, kann schon den Sinn ändern, bei der Übersetzung bleibt dann oft auch der Rest an Sinn auf der Strecke.
Mit das beste Beispiel, das mir diesbezüglich untergekommen ist, will ich hier mal darstellen. Es ist ja auch für den Übersetzer interessant, der doch auch immer wieder interpretieren muss, wenn er einen Text vor sich hat. Aus dem Zusammenhang gerissen lässt sich schlicht nicht übersetzen. Das sei insbesondere Lektoren gesagt, die sich mit der Forderung nach “Probeübersetzungen” disqualifizieren oder tatsächlich meinen, sie bräuchten sich nur an das Manuskript einer Übersetzung setzen & könnten vom ersten Satz drauflosändern. Ohne den Rest des Textes geht’s einfach nicht.
In zwei deutschen Sammlungen mit Trump-Zitaten, die ich hier absolut nicht kritisieren möchte – sie sind beide kurzweilig & ansprechend aufgemacht –, es geht mir hier einzig darum, journalistische wie übersetzerische Prinzipien zu veranschaulichen. Man muss den Kontext recherchieren. Und das ist, lassen Sie sich das von einem gesagt sein, der bereits vor dem Internet übersetzt & damit recherchiert hat, nie so einfach wie heute.
Das Trump-Zitat, um das es hier gehen soll: »Part of the beauty of me is that I am very rich.« Natürlich ist das leicht zu finden, es findet sich praktisch in jeder der zahllosen Anthologien Trumpschen Schwachsinns im Web. Und dann ist es natürlich an Griffigkeit, so wie es sich präsentiert, nicht zu überbieten. Der Haken daran ist nur: Hat er das, was einem dabei in den Kopf kommt, denn auch tatsächlich gesagt?
Anders sieht den fraglichen Satz Nicholas Nikol in seiner Anthologie Donald J. Trump: Sorry ihr Neider und Verlierer, aber mein IQ ist einer der höchsten – und das wisst ihr auch alle!3
Übersetzungstechnisch wäre anzumerken, dass man als Profi den Satz selbst isoliert, aus dem Zusammenhang gerissen, wie er ist, anders angehen würde, weil man weiß, dass sich die Wendung »part of the beauty of« eher selten im engeren Sinne auf die »Schönheit« oder »Attraktivität« eines Menschen, einer Sache bezieht. Sie meint vielmehr, was man im Deutschen mit der Wendung »das Schöne an ist« ausdrückt oder genauer »mit das Schöne an ist«. Auch »mit das Gute an« würde es treffen. Googeln Sie einfach mal (und klicken Sie dabei über das Trump-Zitat hinaus). Nur drei beliebige Beispiele:
»Part of the beauty of the show in a way is that he’s not perfect, but you can always count on him to do the right thing in a pinch. That’s why he …«
»That is part of the beauty of all literature. You discover that your longings are universal longings, that you’re not lonely and isolated from anyone.«
»Here is my longer set of simplicity quotes that I draw from: .…. Jean — I think it’s part of the beauty of simplicity.«4
Aber zurück zum eigentlichen Problem: Hat er das wirklich gesagt? Nun, mit Sicherheit, um das gleich mal vorwegzunehmen, hat er nicht gesagt, was da in den Übersetzungen steht. Das gibt der Kontext nämlich nicht her. Der Kontext war nämlich folgender.
2011 gab Trump bekannt, dass er nun schließlich doch mit dem Gedanken spiele, für das Amt des Präsidenten zu kandidieren. Und so eine Kandidatur kostet natürlich Geld. Viel Geld. Und in eben diesem Kontext sieht er sich im Rahmen eines Interviews für Good Morning America (ABC) von Ashleigh Banfield gefragt, was er denn dafür auszugeben bereit sei, immerhin habe er doch ein Vermögen von $600 Millionen. Trump wäre nicht Trump, würde er die Zahl nicht sofort nach oben korrigieren. Aber dann kommt unser Zitat:
»I have much more than that […] That’s one of the nice things. I mean, part of the beauty of me is that I’m very rich. So if I need $600 million, I can put $600 million myself. That’s a huge advantage. I must tell you, that’s a huge advantage over the other candidates.«
Geht ein Licht auf? Ich denke doch. Mit das Schöne an ihm sei, dass er das nötige Kleingeld für eine Kandidatur habe. Er braucht also nicht wie seine Konkurrenten nach Kalifornien zu pilgern, um bei den Milliardären dort Arschkriechen zu gehen. Das sagt er dann später 2015 im Wahlkampf. Es geht also um die »war chest«, nicht um seine persönliche Schönheit.
Aber hören Sie selbst (1:23ff):
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Er sagt also : »Mit das Schöne an mir ist, dass ich sehr reich bin.« oder »Mit das Gute an mir ist, dass ich so reich bin.« In diesem Sinne ließe sich das sicher noch weiter variieren. Aber eben in diesem Sinne…
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