Das Vorwort zu Arnold Genthes, Deutsches Slang habe ich bereits hier vorgestellt. Ich möchte im Laufe der nächsten Zeit die Sammlung selbst vorstellen. Interessant dabei ist, dass Genthe 1892 kaum ein Wort bzw. eine Wendung bringt, die wir nicht auch heute noch als solides Umgangsdeutsch bezeichnen würden. Um der Sammlung etwas mehr Gewicht zu geben, werde ich den einen oder anderen Eintrag durch einen Blick in andere Wörterbücher oder ins Internet ausführen bzw. kommentieren. Das kann durchaus dauern, schließlich muß ich das in Fraktur gehaltene Bändchen mühsam abtippen, lässt sich allerdings beschleunigen, wenn die Leser hier Interesse an den einschlägigen Seiten haben…
[Seite 26]
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Kanten, m., 1. die beiden enden eines Brodes; 2. Red.: nach allen Ecken und Kanten hin = in jeder Richtung, in jeder Hinsicht.
Mir war bekannt, dass eine Persönlichkeit ihre »Ecken und Kanten« haben & dass es »an allen Ecken und Kanten fehlen« kann, nicht aber die Wendung »nach allen Ecken und Kanten«. Da sie mir aber gefällt, habe ich sie mal gegoogelt – mit dem erstaunlichen Ergebnis, dass es gerade mal neun Fundstellen brachte:
»Er suchte augenscheinlich eine Stelle, um seine Dragoner zum Angriff zu führen. … So suchte er nach allen Ecken und Kanten zum Einbruch zu gelangen.« Detlev von Liliencron, Eine Sommerschlacht (1886)
»Born und ich haben jetzt das allgemeinste angeregte Hc-Modell nach allen Ecken und Kanten durchgerechnet — … und finden, daß die Energie sicher falsch herauskommt.« Wolfgang Pauli, Wissenschaftlicher Briefwechsel mit Bohr, Einstein, Heisenberg u.a
»Sie stehen aber auch in einem vollständig aus Stroh hergestellten und schon halb wieder verfallenen polnischen Viehstall, durch den Wind und Wetter nach allen Ecken und Kanten hindurchziehen, …« Otto Wolfien, Kriegstagebuch 1914/15: Erster Weltkrieg — Feldpostbriefe an seine Frau
»›Dorthin!‹ gebot Kosman Theophil Banning, deutete mit seinem Stock auf einen goldenen Anker, ließ eine herzhafte Lachsalve über Futterkrippe, Häcksel und Hafer knallen, daß davon die Spatzen nach allen Ecken und Kanten auseinander stöberten, und trat mit seinem Begleiter über die Schwelle.« Joseph von Lauff, Der Prediger von Aldekerk (1926)
»Er hat nun das deutsche Vaterland an vielen Ecken und Enden kennen gelernt. Er kennt Berlin, Leipzig, München und das süddeutsche Hochgebirge.« Adalbert von Hanstein, Das jüngste Deutschland (1900)
»Jeder einzelne hat Ideen, Sie und ich. Wichtig dabei ist eine politische Kultur, die es uns erlaubt, diese Ideen in die Arbeit der Gremien auch einzubringen, ohne dass jede Idee bereits vorab nach allen Ecken und Kanten abgesucht und durchgeprüft wurde.« RASENGRÄBER Bürgermeister informiert in Glashütten über potenzielle Alternative, Kreis-Anzeiger vom 16. April 2014.
Immerhin ist darunter auch ein zeitgenössisches Zitat; und noch drei aus der Schweiz:
»Meine Darlegungen basieren auf meinen persönlichen und damit subjektiven Überlegungen und sind nicht stets nach allen Ecken und Kanten auf mögliche Spitzen nachprüfbaren Wertungen auszulegen.« Interview mit Dr. jur. Antoine F. Goetschel, ehemaliger Tieranwalt Zürich, 8. März 2012
»Und obwohl er dieses Datenmaterial nach allen Ecken und Kanten ausgeleuchtet hat, konnte er nicht feststellen, dass professionell geführte (grosse) Pensionskassen ihr Geld ertragreicher anlegen als kleine.« Werner Votobel, »Mehr Rente durch freie Wahl der Pensionskasse?« Blick, Publiziert am 19.10.2005 | Aktualisiert am 20.01.2012
»So wird denn zu guter Letzt dieses Appenzeller Land und Volk nach allen Ecken und Kanten ins rechte Licht gerückt, …« Schweizer Schule, Band (Jahr): 29 (1942) Heft 14: Appenzell I (PDF erstellt am: 12.11.2017).
Ein Drittel »Ecken und Kanten« aus der Schweiz. Möcht ich jetzt nicht so mir nichts dir nichts Schlüsse draus ziehen… Die nächste Eintrag bei Genthe sieht witzigerweise nach Schweiz aus, kommt aber mitnichten von unseren Nachbarn:
Kantonist, m., Red.: ein unsicherer Kantonist = ein Mensch, auf den man sich nicht verlassen kann.
Der Duden weiß dazu:
Ein unsicherer Kantonist : Die Fügung bezieht sich auf die alte Einteilung Preußens in Kantone, also in Aushebungsbezirke. »Kantonist« ist die veraltete Bezeichnung für einen ausgehobenen Rekruten. Ein »unsicherer Kantonist« war also ursprünglich ein Rekrut, der sich der Einberufung zu entziehen versuchte. In der Umgangssprache bezeichnet man als »unsicheren« Kantonisten jemanden, auf den man sich nicht verlassen kann, der wankelmütig, unzuverlässig ist: Der Verbindungsmann gilt als ein unsicherer Kantonist. In Willy Brandts Erinnerungen mit dem Titel »Begegnungen und Einsichten« heißt es: »Er versuchte unserem Gast beizubringen, dass die deutschen Sozialdemokraten für den Westen unsichere Kantonisten seien« (S. 76). © 2002 Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG
Der Begriff entspricht damit den »losen Kanonen«, die augenblicklich – neben am Ende des Tages – als Lehnübersetzung bei uns grassieren.
kapern, v.tr., sich listig und flink etw. nehmen.
kapores, kaput, a., entzwei, zerbrochen, ruiniert. (von Sachen); letzteres auch von Menschen, z. B. : ich bin ganz kaput ermattet.
Karreete, f., alter Wagen.
karriolen, v. int., sich eilig fortbewegen; auch laufen, fahren, reiten; ursprünglich nur von fahren.
Käseblatt, n., kleine, unbedeutende Zeitung.
Käsemesser, n., unförmlich großes Taschenmesser.
käsig, a., blaß, bleich, von der Gesichtsfarbe.
Kasten, m., Arrestlokal, Gefängnis.
Kater, m., bezeichnet den Zustand des Unwohlseins, der die gewöhnliche Folge von zu reichlichem Spirituosen-Genuß ist.
Moralischer Kater (gew. abgekürzt “Moralischer”, z. B.: er hat einen kolossalen Moralischen) ist das physische Unbehagen, das man empfindet infolge einer Handlung, die man bereut
Katze, f., red.: das ist für die Katze = zu wenig; er macht Gesicht, wie die Katze, wenn’s donnert = mürrisches Gesicht.
katzbalgen, v. refl., sich zanken, balgen wie die Katzen.
Katzbalgerei, f., Schlägerei.
Katzenjammer, m., dasselbe wie Kater.
Katzenkopf, m., leichter Schlag auf den Kopf.
Katzensprung, m., kurze Strecke, kurzer Weg.
Katzenwäsche, f., oberflächliche Wäsche.
kaufen, v. tr., sich jem. kaufen = jem. zur Rede stellen, ihm den Standpunkt klar machen.
[page 27]
Keile, pl., Prügel; Keile Kriegen, Prügel bekommen.
keilen, v. tr., jem. zu etwas treiben, mit Gewalt oder durch Lockungen zu etwas herbeiziehen.
Kerl, m., sehr oft in gutmütigem Sinne: ein netter Kerl, ein famoser Kerl etc.
kieken, v. int., xxx
Kiekindiewelt, m., junger, unerfahrener Mensch.
Kies, m., Geld.
Kiesefretsch, kieseetig, m. u. a., wählerisch im Essen; einer, der immer etwas auszusetzen hat am Essen.
Kinkerlitzchen, pl., 1. Kleinigkeiten, Nippsachen, unnützer Tand: 2. Albernheiten, Kinderein, Ausflüchte, Umschweife.
Kippe, f., auf der Kippe stehen, von einem Gegenstand, der leicht fallen kann; auch von zweifelhaften Entscheidungen.
kippelig, a., ungewiss, schwierig auszuführen, von Sachen, die leicht mißlingen können.
Kiste, f., Sache, Ding etc,. für jeden Gegenstand, den man nicht nähre bezeichnen will.
klabastern, v. int., mit Gegenständen derart umherwirtschaften, daß ein heftiges Gepolter entsteht; sich abklabastern, v. refl., durchklabastern, v. tr., rumklabastern, v. in.
hier gefällt mir der Eintrag im guten alten Grimm:
klabastern, ein merkwürdiges volkswort, das nach der entwickelung der bed. und den reichen nebenformen alt sein musz.
Das erinnert mich an die Defintion einer Socke in Johnson’s English dictionary von 1775:
SOCK … Something put between the foot and shoe.
klackern, v. int., tröpfeln (s. beklackern).
Klacks, m., Flecken, Klecks.
Kladderadatsch!, interj., Ausruf, den Fall eines Gegenstandes bezeichnend.
Klappe, f., 1. Bett; in die Klappe gehen = zu Bett gehen; 2. derber Ausdruck für Mund: halt die Klappe = schweig’ still.
Fortsetzung folgt …
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