Gebrauch lächer­li­cher, anstö­ßi­ger, oft unan­stän­di­ger Wor­te und Redens­ar­ten (4)

Die vier­te Por­ti­on von O’C­la­rus Hiebs­lacs humo­ris­ti­schen Vor­trag im Lon­don­der deut­schen Athe­nä­um – anno 1884. Nach der lan­gen Auf­zäh­lung von Schnit­zern aus eng­li­schen Goe­the-Über­set­zun­gen ist das »humo­ris­tisch« wohl eher cum gra­nu salis zu neh­men. Trotz­dem, lesen Sie ruhig wei­ter. In klei­nen Hap­pen genos­sen, lässt sich hier durch­aus schmun­zeln, aber wich­ti­ger noch es lässt sich was ler­nen. Vor allem sich an die eige­ne Nase zu fassen…

*

In einem Wie­der­ab­druck von Paul Hentz­ners berühm­ter Rei­se­be­schrei­bung nach Eng­land (1612), der 1807 in Eng­land erschien, konn­te der eng­li­sche Her­aus­ge­ber des latei­nisch geschrie­be­nen Wer­kes, die Lon­do­ner Namen zwei­er Juris­ten-Innun­gen, Gray’s Inn Und Lincoln’s Inn, wel­che Hentz­ner unrich­tig geschrie­ben nicht ver­ste­hen, obwohl sie leicht zu erra­ten sind, und gie­bt in einer Anmer­kung dazu fol­gen­de beleh­ren­de Erklä­rung der­sel­ben: »Gre­zin und Lycon­sin sind die Namen zwei­er däni­schen Köni­ge, wel­che im Temp­le begra­ben sind.«

Die­se klei­ne Aus­wahl zeigt, wie kühn man­che Über­set­zer sind. Ich könn­te übri­gens eine eben­so rei­che, ja rei­che­re Samm­lung von Schnit­zern aus fran­zö­si­schen Über­set­zun­gen von Faust citie­ren. Ich muß mich aber hier nur auf eng­li­sche beschränken.

Nach der Lek­tü­re einer sol­chen Über­set­zung ist man weni­ger ent­rüs­tet über sol­che Wor­te wie die des eng­li­schen Novel­lis­ten G. A. Sala, der einst in sei­nem Maga­zi­ne »Temp­le Bar« Göthes Faust ein bal­der­da­sh, d. h. Sal­ba­de­rei genannt hat. Er, der gar nicht deutsch ver­stand, hat wohl ans obi­ger Quel­le geschöpft. Es gie­bt übri­gens auch ganz vor­treff­li­che eng­li­sche Über­set­zun­gen von Göthes Faust. Wie hoch die­ser in der Ach­tung der Eng­län­der steht, beweist die Anzahl der Über­set­zun­gen die­ses klas­si­schen Wer­kes, die jetzt vier­zig schon übersteigt.

Aber lachen Sie ja nicht über Frem­de, wel­che die schwe­re, deut­sche Spra­che spre­chen oder dar­aus über­set­zen. Es lie­ße sich eine gro­ße, amü­san­te Samm­lung feh­ler­haf­ter, oft lächer­li­che­rer Über­set­zun­gen von man­chen hoch­ge­lehr­ten Deut­schen anle­gen. Ich hof­fe, es bie­tet sich mir eine and­re Gele­gen­heit, Ihnen eine Blu­men­le­se aus deut­schen Über­set­zun­gen eng­li­scher Wer­ke zu bie­ten. Schon Les­sing hat in sei­ner ver­nich­ten­den Schrift »Vade-Mecum« eine Legi­on von Schnit­zern in einer deut­schen Über­set­zung von Horaz aufgeführt.

(In einer moder­nen deut­schen Über­set­zung von Byron’s »The Dream« ist fol­gen­der Schnit­zer zu finden:

»The Boy was sprung to man­hood: in the wilds
Of fiery cli­mes he made hims­elf a home.«

»Zur Rei­fe wuchs der Knab, er mach­te sich
In glühn­der Zonen Wild­nis selbst zum Mann.«)

Zudem, wel­chem von Ihnen ist es nicht begeg­net, daß man, als er, noch weni­ger ver­traut mit der eng­li­schen Spra­che, ja selbst spä­ter noch, manch­mal über das, was er sag­te, auf die Lip­pen biß, errö­te­te oder gar lach­te? So ging es vor kur­zem einem Freun­de, der schon sehr vie­le Jah­re in Eng­land wohnt. Er trat in einen Laden, um eine Hals­bin­de zu kau­fen, und ver­lang­te von einem sog. Laden­hop­ser »a Sailor’s but­ton.« Lachend sag­te die­ser: »a what?« Nach Erläu­te­rung stell­te es sich her­aus, daß der Freund eine wohl­be­kann­te Hals­bin­de mit der Schlin­ge (Kno­ten, Knopf) eines Matro­sen haben wollte.

Ihr berühm­ter Ehren-Prä­si­dent, Dr. Wil­helm Sie­mens (2), erzähl­te in einem 1881 in Bir­ming­ham gehal­te­nen Vor­tra­ge einen sehr komi­schen Schnit­zer, den er selbst began­gen. Als er 1843 als jun­ger Gelehr­ter nach Eng­land kam, mit eini­gen Tha­lern in der Tasche, um daselbst eine Erfin­dung zu ver­wer­ten, und ohne alle Ver­bin­dun­gen, las er über einer Laden­t­hü­re das Wort: «Under­ta­ker”. »Unter­neh­mer«? dach­te er »,dies ist der Mann für mich« und er. betrat des­sen Laden, um ihm sei­ne Erfin­dung anzu­bie­ten. Wel­che Über­ra­schung, als er sich mit­ten unter Sär­gen befand und statt eines »Unter­neh­mers« einen „Hin­un­ter­neh­mer,« d. h. Lei­chen­be­sor­ger fand! Ueb­ri­gens wur­de das Wort «Under­ta­ker” auch noch neu­er­dings im alten Sin­ne gebraucht. Adam Smith braucht es regel­mä­ßig im Sin­ne von Kapi­ta­list, Employ­er, Arbeitgeber.

[Fuß­no­te (2) Zur Zeit des Dru­ckes die­ser Vor­le­sung der Welt lei­der entrissen.]

 

*

Fort­set­zung folgt.…

 

SlangGuy

Übersetzer & Wörterbuchmacher

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