Anfang des Jahres gab ich schweren Herzens die Übersetzung eines ebenso vielversprechenden wie hochgelobten Erstlingsroman eines jungen australischen Autors zurück. Der Grund dafür war schlicht der, dass ich ihn hätte um fünfzig Seiten zusammenstreichen sollen. Einen 250-Seiten-Roman! Und das ohne Wissen bzw. Einwilligung des Autors. Nur weil sich da beim deutschen Verlag jemand für gescheiter oder qualifizierter oder was weiß ich hält.
Ich hatte mich sogar hingesetzt und mir die Mühe gemacht, dem Lektorat zu zeigen, dass durch eine straffe Übersetzung eine deutsche Fassung zu bewerkstelligen sei, die kaum länger ausfallen würde als das Original. Und es hätte nichts gefehlt. Und es hätte sogar den kargen bis desolaten Ton des Buchs betont. Aber das konnte der betreffende Lektor nicht »nachvollziehen«? Was, aber seitenweise streichen? Er hätte mich jedoch sogar machen lassen – aber streichen sollte ich trotzdem.
Wie gesagt, die Kritik hat das Werk durchaus gelobt. Ich hätte also durchaus gern noch mal drüber gesprochen, mich gern mit dem Autor kurzgeschlossen. Wer weiß, vielleicht hätte er ja – so kopfschüttelnd auch immer – einschlägige Vorschläge gehabt. Aber irgendwie brach dann die Kommunikation zusammen. Der Lektor wollte sich »am Montag« melden, was jedoch nicht passierte, nicht mal eine Nachricht, dass was dazwischen gekommen sei. Wenn ich sehe, dass man neben den Rechten des Autors auch noch auf ein popliges Minimum an Manierlichkeit dem Übersetzer gegenüber pfeift, gehen bei mir die Lichter aus. Ich gab den Vertrag zurück. Es hat sich wohl ein Kollege gefunden, dem das Urheberrecht an seinen vier oder fünf Buchstaben vorbeigeht. Vermutlich einer, der sich auch für gescheiter hält als der Autor.
Wahrscheinlich schreibt man dann auch noch »Ungekürzte Ausgabe« drauf…
Man sollte das dann als »Mangelware« in die Buchhandlungen zurücktragen. Ein Tipp für alle, die sich einen Prozess leisten können.
Ich hatte die Episode fast vergessen, bis ich in meiner Sammlung an Übersetzungen auf einen Harold-Robbins-Titel stieß, dessen arg verstümmelte deutsche Fassung mich wieder dran erinnerte. Beim Überfliegen des Romans Stiletto (Die Profis) fand ich den blablalosen Stil des gestandenen Bestsellermachers überaus interessant. Also dachte ich, schauste mal in die deutsche Fassung rein…
… und durfte feststellen, dass hier genauso redigiert wurde, wo man das von mir im Falle des jungen Australiers verlangt hatte. Die folgende Passage mag das verdeutlichen:
Ich bin mir relativ sicher, der Übersetzer – oder war’s eine Kollegin? – hat sich bestenfalls zu einem solchen Gemetzel breitschlagen lassen. Allerdings gehe ich nach eigenen einschlägigen Erfahrungen mal von einem Attentat des Lektorats aus. Die Frage ist nur, warum diese Verstümmelung? Es ist ja nicht so, dass man bei einem todsicheren Bestsellerautor aus Kostengründen Seiten zu schinden braucht. Und ich meine mit Sicherheit sagen zu können, dass sich noch kein Leser von Harold Robbins, Jackie Collins, Stephen King, Dan Brown und wie sie alle heißen über die Länge ihrer fesselnden Schwarten beklagt hätte.
Hier sind wohl eher verlagsseitig eigenmächtige Klugscheißer am Werk, die auf die Rechte anderer – der Autoren, zum Beispiel – ebenso pfeifen zu können meinen wie auf das Leseerlebnis ihrer Kundschaft.
Besonders ärgerlich ist das, und darauf möchte ich auch bei Gelegenheit hier noch eingehen, wenn man im Rahmen einer Arbeit aus Übersetzungen zitieren soll – und dann merkt, dass der gesuchte Satz oder die ganze Passage fehlt.
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