Frischbiers Preussisches Wörterbuch. Ost- und Westpreussische Provinzialismen aus dem Jahre 1883 führt unter muchtig Folgendes an:
muchtig, adj. modrig, stinkend, verdorben. … Vgl. müffig.1
Auf der anderen Seite des Reichs hört sich das um etwa dieselbe Zeit folgendermaßen an:
muchtig [Roppenzw.] Adj. sumpfig.2
Nehmen wir auch gleich das dazugehörige Substantiv dazu:
Muchte [Roppenzw.] f. sumpfige Wiese. 3
Und definitiv verwandt damit ist das folgende Adjektiv:
muchzig [Ingw.] Adj. schimmelig, moderig, von Räumen, die immer geschlossen sind und nie gelüftet werden, dann auch von Kleidungsstücken, die in solchen Räumen aufbewahrt werden; Syn. vermuchzt.2
Machen wir einen kurzen Sprung in unsere Zeit mit einer interessanten Fundsache, einem Auszug aus einer ebenso netten wie kenntnisreichen Rezension aus einem Whisky-Forum im Web:
BOWMORE WHISKYTALES destilled 1987 bottled 2009 (22 Jahre); Sherry Cask 120 Bottles; 58,7% : Aroma/Nase: zunächst erdig, fast schon muchtig, dann kommen Fruchtaromen hinzu, eine Beerigkeit, aber weniger von der Frucht, als von den Blättern … dahinter eine leichte Rauchigkeit und ganz wenig metalliche Töne3
Aber gehen wir nochmal zurück ins Elsässische, indem wir uns noch ein paar verwandte Begriffe ansehen:
Muchel [Rchw.] m. Schimmel‑, Modergeruch. E M. haⁿ von einem Weinfass.4
muchlig, müech(te)lig [Ingersh. Katzent. Rchw. Rapp. Mütt. Bf.; Bisch. Illk. Str.; Dollern; Mittl. Ingersh.; Liebsd.] Adj. Adv. schimmelig, muffig, dumpfig nach Geruch und Geschmack. Du hes nix aˡs muchligi Fässler Ingersh. Heu, das bei Regenwetter lange auf der Wiese liegt, wird m. Katzent. Mittl. M. Fleisch Katzent. E muchliger Büschung (frz. bouchon) Rchw. M. schmeckeⁿ nach Schimmel riechen ebd. M. Brot, muchligi Kleider Rapp. Der Wiⁿ is m. Liebsd. ‘mièchlig’ Mü. St. Mäder. In Sprache und Sittenbildern geschildert von Adam Mäder … hg. v. Aug. Stöber, Mülhausen 1876.. ‘wenn se nur d’r Kern nit fül und müechlig finde’ Stöber Fürst. 8.4
Hier findet sich übrigens auch »schmecken« in der Bedeutung von »riechen«, die ich auch aus dem Bayerischen kenne. Und dann hätten wir noch zwei damit verwandte Verben:
muchereⁿ [Roppenzw.] modern.4
vermuchereⁿ verfaulen: Er is bal vermuchert Roppenzw.4
In einer Auflistung mundartlicher Begriffe unserer Zeit aus Wallburg (Ettenheim) im Baden-Württembergischen findet sich dazu:
müchtala : stinken, unangenehm riechen.5
Aber gehen wir wieder zurück zum eigentlich Thema des Beitrags: muchtig. Auf einer offensichtlich mittlerweile wieder verschwundenen Website fand ich vor Jahren laut meiner Datenbank folgenden Eintrag:
muchtig : von geringer Qualität oder Wertigkeit.6
Und folgender Hinweis findet sich dieser Tage im Web:
muchtig : Im ehemals ostdeutschen Sprachraum ist der Begriff »muchtig« Synonym für alt, verbraucht, heruntergekommen.7
Wo wir schon im Ostdeutschen sind, braucht es nicht weiter zu verwundern, wenn man auch Magdeburg das Adjektiv kennt; hier wird es dem Plattdeutschen zugeordnet:
muchtig : verdreckt, gammelig8
Der großartige Open Thesaurus ordnet »muchtig« unter anderem die folgenden Synonyme zu:
verwahrlost · verwildert · zerfasert · zerfleddert · zerlumpt · zerschlissen · abgeranzt (ugs.) · abgerockt (ugs., salopp) · abgewrackt (ugs.) · auf den Hund gekommen (ugs.) · gammelig (ugs.) · muchtig (ugs., berlinerisch) · vergammelt (ugs.) · abgefuckt (derb, jugendsprachlich) · (herumlaufen) wie ein Penner (derb, abwertend)
Und die stets erfrischende, wenn auch durch zappelige Werbung nebst Zusatzfenstern immer auch etwas nervige Sprachnudel weiß wie immer die neuesten Bedeutungen:
Muchtig ist norddeutsch für schmutzig, feucht-eklig und abgeranzt. (22.05.2008) Beispielsätze: »Erst nassgeregnet und dann die Nacht in dieser verrauchten Kneipe… die muchtigen Sachen zieh ich nicht nochmal an!« »Deine Decke ist übel muchtig … wasch sie doch mal!« Synonyme für muchtig: ranzig, schmutzig abgefuckt asselig keimig dreckig gammelig schlampig ungepflegt9
Ein paar Zitate aus dem Web dazu:
»Pension mit Ostcharme und muchtig … Im EG war das Bad winzig. Klorrollenhalter im Ostplastikcharme. Fugen in der Dusche verschimmelt. Der Teppich im Zimmer war alt und sehr abgenutzt! Möbel einfach, aber ok. Außer den versifften Ledersesseln.«
»Kommentar werten zum Gipfel Kammturm … Wertung: Dreckhaufen Niedrig, muchtig, und nicht einmal ein Buch oben.«
»Das Ding muss so muchtig aussehen das man den Zündschlüssel stecken lassen kann und datt Ding wird auch dann nicht geklaut!!!«
»Originalweg klettert/geklettert seid? Der geht ja wohl diese versetzten Rippen … hoch — muchtig, brüchig und häßlich. Die Beschreibungen hier deuten darauf hin, dass doch eher der 2.R vom Absatz angeklettert wird und der erste ignoriert.«
»›Dunkel und muchtig‹ war das Objekt, das 1897 errichtet wurde, schon in den 70er Jahren, erinnerte gestern Bürgermeister Alexander Dill«
»… da meine derzeitige Lieblingshose durch die Sitzerei am Tisch sichtlich abgewetzt war. Sie sah einfach muchtig aus, selbst eine intensive Wäsche konnte die vermeintlichen Schmutzstellen nicht entfernen. Naja, Verschleiß halt.«
Und die Mundmische, wie immer den Finger am sprachlichen Puls der Zeit, hat auch ein Substantiv in mehreren Bedeutungen dazu:
Muchte “Du Muchte” oder “Ihr Muchten” Meist halbfreundschaftliche & scherzhafte Beleidigung unter Männern mit der Bedeutung, dass der andere stinkt oder hässlich ist.
Die Muchte als Objekt bezeichnet ein/e unsaubere/s und schmutzige/s Wohnung/Auto, in der/dem es auffällig riecht. (Achtung: Eine Buchte ist abfällig für eine Behausung, welche ebenfalls unsauber sein kann. Bei der Muchte ist zumindest Gestank vorhanden.)
Unter Muchten versteht man stinkende Socken oder Füße.
Auch als Verb steht muchten für stinken oder übel riechen.10
Apropos Synonyme, auch Klaus-Peter Möllers Wörterbuch der DDR-Soldatensprache führt »muchtig« unter den Synonymen für »schmutzig« an:
schmutzig … aashaft … dreckig … fickig … fuhlig … keimig … Moch, mochig, Much, Muchbunker, muchig, Muchküche, Mucht, Muchtel, muchtig, Muff … siefig … spreckig … verkeimt11
Und dann bezeichnet eine Muchte auch noch einen überhaupt unfähigen Menschen, eine Lusche, Gurke, Pflaume, Pfeife oder Niete, wie man das auch nennt:
Muchte … eine Person, die unfähig ist, die einfachsten Sachen auszuführen oder zu verstehen. Außerdem kann »muchtig« als Adjektiv zur Beschreibung von schlechten Aktionen verwendet werden. »Du Muchte, du musstest bloß den Knopf drücken.« »Was war das für ne muchtige Aktion. User female 48 Könistgucci (Bayern) vor 3 Jahren9
Und die Person, die den Beitrag geliefert hat, ist ja nun doch aus Bayern. Womit sich der gesamtdeutsche Kreis wohl geschlossen hat …
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