Ganz blü­mer­ant möch­te einem werden …

Noch nie war der Wider­spruch, die Kluft zwi­schen den Mög­lich­kei­ten, sich sprach­lich fort­zu­bil­den – oder sich wenigs­tens im Ein­zel­fall schlau zu machen – und dem sprach­li­chen Aus­druck, wie er sich dem Leser tag­täg­lich kon­kret prä­sen­tiert, so frap­pant wie heu­te. Das Bemü­hen um gen­dern­de Kor­rekt­heit und ähn­li­chen sprach­li­chen Fir­le­fanz scheint längst wich­ti­ger gewor­den zu sein als ein anstän­di­ger Satz; Haupt­sa­che, so scheint es, die ange­sag­ten ein­schlä­gi­gen Reiz­wör­ter fal­len. Unse­re Mut­ter­spra­che stirbt dabei, nicht zuletzt unter dem Ein­fluss grau­en­haft wört­li­cher Über­set­zun­gen, einen elen­den Tod … 

Eigent­lich hat­te ich – in einem ganz ande­ren Kon­text – schrei­ben wol­len: »Ganz blü­mer­ant moch­te einem wer­den ob der Gier, ach was, der Sehn­sucht nach Fake-News, die gewis­se rea­li­täts­ge­fei­te Zeit­ge­nos­sen heu­te zu pla­gen scheint.« Dann jedoch hielt ich inne. »Blü­mer­ant«? Ver­steht man das heu­te über­haupt noch? Und mit »heu­te« mei­ne ich die Gene­ra­tio­nen mit Emo­jis auf­ge­wach­se­ner Analpha­be­ten, die mitt­ler­wei­le das Land bevöl­kern und – sofern sie dort tätig sind – die Ver­lags­welt ver­pes­ten und ter­ro­ri­sie­ren – etwa Leu­te, die das vom Duden als »geho­ben« ein­ge­stuf­te Adverb »allent­hal­ben« als Dia­lekt abtun, ableh­nen und ent­spre­chend lektorieren … 

… und dann, als hätt’s der »lie­be Gott« gefügt wie – laut mei­ner lie­ben Nach­ba­rin – das laue Herbst­wet­ter, das die Gas­rech­nung drückt, sehe ich, dass sich hier im Blog jemand nach eben die­sem Wort – »blü­mer­ant« – umge­guckt hat. Also mit einem herz­haf­ten »Fuck you!« an genann­te Gene­ra­tio­nen, hier ein paar Fak­ten dazu. 

Wie so oft in mei­nem Blog hier, aus Respekt vor Heinz Küp­per, dem gro­ßen Mann der deut­schen Umgangs­spra­che, der Ein­trag aus sei­nem Wör­ter­buch der deut­schen Umgangs­spra­che:

blü­me’rant adj adv

  1. schwach. Fußt auf franz »bleu-mou­rant = matt­blau« und ist durch »Blu­me« oder »ver­blümt« u. ä. ent­stellt. Aus der Bedeu­tung »bleich­blau« ergibt sich »krän­kelnd«. 1800 ff.
  2. ihm ist blü­mer­ant zu Mute = ihm ist nicht wohl; er hat böse Befürch­tun­gen. 1800 ff.
  3. blü­mer­ant um die Rosette sein = ängst­lich sein. s. Rosette. Sold 1939 ff.1

Dudens Gro­ßes Wör­ter­buch der deut­schen Spra­che weiß dazu Ähnliches: 

blü­mer­ant aus frz. bleu mou­rant = ster­ben­des (=blas­ses) Blau, aus: bleu (bleu) u. mou­rant = ster­bend, 1.Part von: mour­ir = ster­ben: flau, unwohl, übel: ein ‑es Gefühl; mir ist, wird ganz b. [zumu­te]; Schon ges­tern… habe er sich ganz b. gefühlt (Süs­kind, Par­fum 187).2

Dudens Deut­sches Uni­ver­sal­wör­ter­buch legt nur bei der Defi­ni­ti­on des fran­zö­si­schen Ursprungs etwas zu: 

blü­mer­ant frz. bleu mou­rant = blass­blau, aus: bleu (bleu) u. mou­rant = ver­wa­schen, eigtl. = ster­bend: flau, unwohl, übel: ein ‑es Gefühl; mir ist, wird ganz b. [zumu­te]. © Duden­ver­lag2

Der Fremd­wör­ter­du­den fügt der deut­schen Defi­ni­ti­on noch ein »schwind­lig« hin­zu:

blü­mer­ant : (ugs.) schwin­de­lig, flau

Lan­gen­scheidts Hand­wör­ter­buch sowie der Muret-San­ders über­set­zen »blü­mer­ant« auch recht tref­fend ins Eng­li­sche, wobei frei­lich bei »que­er« heu­te Vor­sicht ange­bracht ist – das net­te Adjek­tiv dürf­te wohl in sei­ner eigent­li­chen Bedeu­tung den­sel­ben Weg gehen wie »gay«.

blü­mer­ant Adj. umg.: mir ist ganz blü­mer­ant (zumu­te) I feel quea­sy (oder que­er)3

Das DWDS, das sich in den letz­ten Jah­ren zu einem der bes­ten deut­schen Wör­ter­bü­cher über­haupt gemau­sert hat, bie­tet wie bei allen Ein­trä­gen eine gan­ze Men­ge mehr – wie Syn­ony­me, Zita­te & einen Über­blick über den his­to­ri­schen Häu­fig­keits­ver­lauf – auf einen Blick. Hier nur die Definition: 

blü­mer­ant salopp, scherz­haft flau, schwach
Bei­spie­le:
jmdm. wird (es) blü­mer­ant
ihm war blü­mer­ant zumu­te
Ich weiß nur von lee­ren Ansprü­chen und blü­mer­an­ten Gefüh­len [Wasserm.Wahnschaffe1,274]

Der Grimm soll dies­mal aus­nahms­wei­se am Schluss zu Wort kom­men; er führt zunächst die bei­den wört­li­chen Ablei­tun­gen aus dem Fran­zö­si­schen an: 

BLÜMERANT adj. lehn­bil­dung zu frz. bleu mou­rant.
1 hel­les blau, matt­blau: 1666 die ver­meyn­te lauchi­sche sei­de .. wel­che .. recht blü­mer­andt aus­zsi­e­het Prae­to­ri­us anthro­po­demvs 1,262. 1746 die­ses ist ein schö­ner bleumourant-blauer vogel, auf dem rücken etwas bräun­lich Döbel jäger-practica 1,52a. ⟨1838/9⟩ denn sie (das ade­li­ge fräu­lein) hat sich sel­ber schon, ganz blü­mer­ant auf­ge­ta­kelt, ins freie gelockt Immer­mann 3,124 B.
2 eigen­ar­tig, ver­ziert, blu­mig (bezo­gen auf spra­che und stil): 1839 Tony geht es jetzt ganz gut. sie schreibt eben­so glück­se­lig wie frü­her plü­mer­ant Droste-H. br. 1,323 Sch. K. ⟨v1874⟩ abers­ten nun set­zen sie sich hin und schrei­ben sie auf ’ne art, was ich ’n blü­mer­an­ten stil nen­ne Reu­ter 1,114 B. 1923 ich sag­te zu mir: Ulri­ke, kei­ne blü­mer­an­ten aus­re­den Was­ser­mann Woy­tich 132.
3 übel, unwohl: 1882 und dabei muß ich mir doch sagen, daß mir ganz blü­mer­ant zumu­te wird Raa­be 15,76 H. 1996 selbst der CDU wird’s lang­sam blü­mer­ant zeit 8,3d. 2008 lei­der wur­de die­ser ver­such mit der hand­ka­me­ra gefilmt, uns ist jetzt noch ganz blü­mer­ant zumu­te welt (28.1.)24.4

Syn­ony­me für »blü­mer­ant«: unwohl: jeman­dem ist (oder:) wird unwohl / übel / schlecht / schwach / (ugs.) mies / (ugs.) kodd[e]rig / spei­übel / schwind­lig / blü­mer­ant, jeman­dem ist nicht gut, jeman­dem schwin­delt; krank.5

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  1. Wör­ter­buch: blü­mer­ant. Wör­ter­buch der deut­schen Umgangs­spra­che, S. 4290 vgl. Küp­per-WddU, S. 117) © Mari­an­ne Küp­per []
  2. © 2000 Duden­ver­lag [] []
  3. © Lan­gen­scheidt KG, Ber­lin und Mün­chen []
  4. Deut­sches Wör­ter­buch von Jacob Grimm und Wil­helm Grimm / Neu­be­ar­bei­tung A‑F []
  5. c) Duden­ver­lag []
SlangGuy

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