Noch nie war der Widerspruch, die Kluft zwischen den Möglichkeiten, sich sprachlich fortzubilden – oder sich wenigstens im Einzelfall schlau zu machen – und dem sprachlichen Ausdruck, wie er sich dem Leser tagtäglich konkret präsentiert, so frappant wie heute. Das Bemühen um gendernde Korrektheit und ähnlichen sprachlichen Firlefanz scheint längst wichtiger geworden zu sein als ein anständiger Satz; Hauptsache, so scheint es, die angesagten einschlägigen Reizwörter fallen. Unsere Muttersprache stirbt dabei, nicht zuletzt unter dem Einfluss grauenhaft wörtlicher Übersetzungen, einen elenden Tod …
Eigentlich hatte ich – in einem ganz anderen Kontext – schreiben wollen: »Ganz blümerant mochte einem werden ob der Gier, ach was, der Sehnsucht nach Fake-News, die gewisse realitätsgefeite Zeitgenossen heute zu plagen scheint.« Dann jedoch hielt ich inne. »Blümerant«? Versteht man das heute überhaupt noch? Und mit »heute« meine ich die Generationen mit Emojis aufgewachsener Analphabeten, die mittlerweile das Land bevölkern und – sofern sie dort tätig sind – die Verlagswelt verpesten und terrorisieren – etwa Leute, die das vom Duden als »gehoben« eingestufte Adverb »allenthalben« als Dialekt abtun, ablehnen und entsprechend lektorieren …
… und dann, als hätt’s der »liebe Gott« gefügt wie – laut meiner lieben Nachbarin – das laue Herbstwetter, das die Gasrechnung drückt, sehe ich, dass sich hier im Blog jemand nach eben diesem Wort – »blümerant« – umgeguckt hat. Also mit einem herzhaften »Fuck you!« an genannte Generationen, hier ein paar Fakten dazu.
Wie so oft in meinem Blog hier, aus Respekt vor Heinz Küpper, dem großen Mann der deutschen Umgangssprache, der Eintrag aus seinem Wörterbuch der deutschen Umgangssprache:
blüme’rant adj adv
Dudens Großes Wörterbuch der deutschen Sprache weiß dazu Ähnliches:
Dudens Deutsches Universalwörterbuch legt nur bei der Definition des französischen Ursprungs etwas zu:
Der Fremdwörterduden fügt der deutschen Definition noch ein »schwindlig« hinzu:
Langenscheidts Handwörterbuch sowie der Muret-Sanders übersetzen »blümerant« auch recht treffend ins Englische, wobei freilich bei »queer« heute Vorsicht angebracht ist – das nette Adjektiv dürfte wohl in seiner eigentlichen Bedeutung denselben Weg gehen wie »gay«.
Das DWDS, das sich in den letzten Jahren zu einem der besten deutschen Wörterbücher überhaupt gemausert hat, bietet wie bei allen Einträgen eine ganze Menge mehr – wie Synonyme, Zitate & einen Überblick über den historischen Häufigkeitsverlauf – auf einen Blick. Hier nur die Definition:
blümerant salopp, scherzhaft flau, schwach
Beispiele:
jmdm. wird (es) blümerant
ihm war blümerant zumute
Ich weiß nur von leeren Ansprüchen und blümeranten Gefühlen [Wasserm.Wahnschaffe1,274]
Der Grimm soll diesmal ausnahmsweise am Schluss zu Wort kommen; er führt zunächst die beiden wörtlichen Ableitungen aus dem Französischen an:
BLÜMERANT adj. lehnbildung zu frz. bleu mourant.
1 helles blau, mattblau: 1666 die vermeynte lauchische seide .. welche .. recht blümerandt auszsiehet Praetorius anthropodemvs 1,262. 1746 dieses ist ein schöner bleumourant-blauer vogel, auf dem rücken etwas bräunlich Döbel jäger-practica 1,52a. ⟨1838/9⟩ denn sie (das adelige fräulein) hat sich selber schon, ganz blümerant aufgetakelt, ins freie gelockt Immermann 3,124 B.
2 eigenartig, verziert, blumig (bezogen auf sprache und stil): 1839 Tony geht es jetzt ganz gut. sie schreibt ebenso glückselig wie früher plümerant Droste-H. br. 1,323 Sch. K. ⟨v1874⟩ abersten nun setzen sie sich hin und schreiben sie auf ’ne art, was ich ’n blümeranten stil nenne Reuter 1,114 B. 1923 ich sagte zu mir: Ulrike, keine blümeranten ausreden Wassermann Woytich 132.
3 übel, unwohl: 1882 und dabei muß ich mir doch sagen, daß mir ganz blümerant zumute wird Raabe 15,76 H. 1996 selbst der CDU wird’s langsam blümerant zeit 8,3d. 2008 leider wurde dieser versuch mit der handkamera gefilmt, uns ist jetzt noch ganz blümerant zumute welt (28.1.)24.4
Synonyme für »blümerant«: unwohl: jemandem ist (oder:) wird unwohl / übel / schlecht / schwach / (ugs.) mies / (ugs.) kodd[e]rig / speiübel / schwindlig / blümerant, jemandem ist nicht gut, jemandem schwindelt; krank.5
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