Nachdem ich mir grade wieder mal seine Metamorphosen gegeben habe, musste ich doch tatsächlich mal nachschlagen: Der Komponist Philip Glass wurde diesen Januar 86. Nicht eben eine Jahreszahl, die Anlass für eine Reihe von Events sein dürfte wie etwa sein 75., zu dem es die Uraufführung seiner Symphony No. 9 in der Carnegie Hall und Ende Februar ein viertägiges Festival in der New Yorker Park Avenue Armory gab; aber für unsereins, die da sowieso nicht hinkönnen, mussten es schon damals Platten & Interviews tun. Und wer würde sich da als Partner besser eignen als die New Yorker Village Voice, in deren Nähe der Mann damals seit Jahrzehnten schon wohnte …
Mit das Schöne an Interviews mit Kreativen ist, dass man immer wieder – so ganz nebenbei eigentlich – von Zufällen erfährt, die sonst unter den Tisch der Geschichte gefallen wären. Zufällen, die gerade mal nette Nebensächlichkeiten geblieben wären und andere, die größere bis große Folgen hatten. Im Fall von Philip Glass hat so ein Zufall immerhin dazu geführt, dass er die Einkünfte aus Verlagsrechten nicht mit einem Musikverleger teilen muss. Und das kam so…
Glass ist 1937 in Baltimore geboren. Seine Mutter war dort Bibliothekarin an der High School, die der junge Philip besuchte. Und eben diese High School besuchte, ein paar Jahre früher als Glass, ein anderer Junge, der weit früher als der sperrige Komponist ein Star werden sollte. »Er war ein kleines jüdisches Kerlchen«, erzählt Glass in einem Interview mit der Village Voice, »ständig piesackte ihn einer, aber bei meiner Mutter in der Bibliothek hatte er seine Ruhe. ›Das hat mich gerettet‹, hat er mir mal gesagt.«
Das kleine Kerlchen war kein Geringerer als Jerry Leiber, Texter einiger der größten Songs der Popgeschichte — von »Hound Dog« über »Kansas City« und »Spanish Harlem« bis hin zu »Yakety Yak«. Leiber war 1933 in Baltimore zur Welt gekommen, ist also vier Jahre älter als Glass. Viel später in New York liefen die beiden sich dann wieder über den Weg. Und Jerry wollte sich für die Gefälligkeiten von Philips Mutter bei Glass revanchieren. »Ich sag dir das wegen deiner Mutter «, meinte er und klärte Glass in Sachen Verlagsrechte auf. Die Nachhilfe gipfelte in dem Rat, sich auf der Stelle als Musikverleger registrieren zu lassen – was Glass denn auch sofort tat. »Und ich kann Ihnen sagen«, erzählte er der Village Voice, »das macht ganz schön was aus. Es hätte mir gehen können wie all den anderen.« Womit er sagen wollte, dass er – und er ist da einer von wenigen – heute alle Verlagsrechte an seinen Werken hat. Und wenn man sich so anguckt, wobei Musikverleger so mitkassieren, wird einem klar, dass da eine Menge Holz zusammenkommt, wenn man nicht teilen muss.
Aber man denke mal: Was für ein Zufall, dem er diesen glücklichen Umstand verdankt. Wer hätte ihn in dieser Angelegenheit besser beraten können als Jerry Leiber, der Autor von zahllosen Hits? Und wenn der vor den Bullys an der High School nicht ausgerechnet bei der Mutter des späteren Komponisten von Koyaanisqatsi Zuflucht gefunden hätte …
(Titelbild Wikipedia gemeinfrei)
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