Kle­da­ge, Plün­nen & Kluft

»Allen­thalben« ist plötz­lich süd­deutsch, was nichts ande­res als eine Umschrei­bung für baye­risch und somit gleich­be­deu­tend mit »nicht mehr zu ver­ste­hen« ist; und nach­dem »spil­le­rig« offen­bar viel zu nörd­lich ist, um vom Rest der Nati­on ver­stan­den – oder, o Graus, gar nach­ge­schla­gen – zu wer­den; nach­dem … Okay, nach­dem also die­ses Jahr in Manu­skrip­ten von mir gleich mehr­mals Redak­teu­re die Dia­lekt­brem­se zie­hen zu müs­sen mein­ten, dach­te ich mir, geh doch mal den unter ande­rem monier­ten »Plün­nen« und eini­gen ihrer Syn­ony­me nach … 

Vor­ab, ich habe weder was gegen »über­all«, noch gegen »schmäch­tig« oder »Kla­mot­ten«, solan­ge die Über­set­zung Hand und Fuß hat; womit ich ein Pro­blem habe, ist die Ver­ar­mung unse­rer Spra­che durch arm­se­li­ge Über­set­zun­gen, egal ob das an unbe­se­he­nen Maschi­nen­über­set­zun­gen liegt (»Gehen zu Kind­le-PC …«) oder dar­an, dass da ver­arm­te Geis­ter redi­gie­ren, denen ein Emo­ji als der Gip­fel dif­fe­ren­zier­ten sprach­li­chen Aus­drucks gilt. Und ich habe auch nichts gegen »Out­fit«, um es gleich vor­weg­zu­neh­men. Aber wenn ich nun mal »Plün­nen« schrei­be, war­um muss das gleich als offen­bar anstö­ßig raus? Und wo’s die gute alte »But­ze«1 in den ange­sag­ten gesamt­deut­schen Wort­schatz geschafft hat, war­um soll­te man da nicht auch ande­ren Wör­tern eine Chan­ce geben? 

Wo wir schon im Zeit­al­ter der Such­ma­schi­nen leben, goo­geln wir »Kle­da­ge« ein­fach mal. 4040 Fund­stel­len sind zuge­ge­ben etwas weni­ger, als ich erwar­tet hät­te, aber man sieht auf den ers­ten Blick, dass nichts einem all­ge­mei­nen Ver­ständ­nis des Begriffs wider­spricht. Dazu noch 1500mal die Schrei­bung »Kle­dasche«, Fund­stel­len, die sich jedoch größ­ten­teils mit den ande­ren decken dürften. 

Küp­per, stets mei­ne ers­te Anlauf­stel­le in Sachen deut­scher Umgangs­pra­che, weiß dazu: 

Kle­da­ge (Klee­da­ge) f (franz aus­ge­spro­chen)
1. Klei­dung, Klei­der. Ent­stan­den in Ber­lin oder in Nie­der­deutsch­land im spä­ten 18. Jh. aus dt »Kleid« und der franz Endung »-age«, die viel­fach einen Sam­mel­be­griff aus­drückt.
2. schar­fe Kle­da­ge = ele­gan­te, auf­fal­len­de, gewag­te Klei­dung. vgl. scharf. 1950 ff. 12

Arnold Gen­the hat­te das bereits in der aller­ers­ten Samm­lung »deut­schen Slangs« von 1892, wie Sie hier sehen können. 

… zwi­schen­durch eini­ge Syn­ony­me aus dem Open The­sau­rus gefällig? 

Beklei­dung · Gar­de­ro­be · Gewand · Klei­der · Klei­dung · Kluft · Mode · Out­fit · Textilie(n) ● Anzieh­sa­chen ugs. · Gewan­dung geh. · Kla­mot­ten ugs. · Kle­da­ge ugs., salopp, regio­nal · Kon­fek­ti­on geh. · Plün­nen ugs., nord­deutsch · Sachen ugs. · Zeug ugs. 

Also, ich wüss­te nicht, was gegen die brei­te­re Ver­wen­dung bzw. Ver­brei­tung der »Kle­da­ge« spre­chen soll­te. Und wie sieht es mit der »Kluft« aus?

Kluft f

  1. Klei­dung (ziv); Uni­form (sold); Spiel­klei­dung (sportl). Fußt auf jidd »keli­phas = Scha­le«. Aus dem Rot­wel­schen des 17. Jhs über Stu­den­ten des 18. Jhs. und Sol­da­ten des spä­ten 19. Jhs umgangs­sprach­lich geworden.
  2. stram­me Kluft = eng­an­lie­gen­de Klei­dung; modisch auf­fal­len­de Klei­dung. 1910 ff.
  3. sich in Kluft schmei­ßen (wer­fen) = Uni­form anle­gen; sich gesell­schafts­fä­hig klei­den. 1910 ff.3

Das von Tag zu Tag famo­se­re DWDS schlägt in die­sel­be Kerbe:

Kluft, die
… Wort­bil­dung mit ›Kluft‹ als Letzt­glied: Arbeits­kluft

Bedeu­tung: umgangs­sprach­lich Klei­dung für den Dienst, Sport, Anzug, Uni­form
Bei­spie­le:
. er zieht sei­ne Kluft zum Segeln an
. du musst dich in dei­ne gute Kluft wer­fen (= dei­nen bes­ten Anzug anzie­hen)
. er trägt noch die alte Kluft aus dem Krieg (= die alte Uniform)

Und zur Ety­mo­lo­gie fin­det sich fol­gen­des: Ety­mo­lo­gi­sches Wör­ter­buch (Wolf­gang Pfei­fer)
Kluft f. ‘uni­form­ar­ti­ge, eine Grup­pe kenn­zeich­nen­de Klei­dung’. Rotw. Kla­bot (15. Jh.), Claf­fot (16. Jh.), Klofft, Klifft, Kluft (17. Jh.) ‘Kleid, Anzug’ gelangt Ende des 18. Jhs. über die Stu­den­ten­spra­che (Klüft­chen) und Sol­da­ten­spra­che ins Hd. Der Aus­druck stammt viel­leicht aus hebr. ḥalīfā ‘Kleid’. Oder ist eher von hebr. qālaf ‘schä­len’, qelīfā ‘Scha­le’ (vgl. rotw. Scha­le ‘Anzug’) auszugehen?

… blie­ben noch die »Plün­nen«


Gram­ma­tik Sub­stan­tiv · wird nur im Plu­ral verwendet 

[mund­art­lich, beson­ders D‑Nordwest] …
a) [meist abwer­tend] alte und gebrauch­te Klei­dung
b) ⟨sich in die Plün­nen krie­gen, bekom­men⟩
c) ⟨sich in den Plün­nen haben⟩ 

Duden, GWDS, 1999 und DWDS
mund­art­lich, beson­ders D‑Nordwest
a)
meist abwer­tend alte und gebrauch­te Klei­dung

sie­he auch Kla­mot­te (1), Lum­pen (a)
Bei­spie­le:
»Nur mit einer Sche­re, ganz ohne Nähen« ent­steht aus den abge­wetz­ten Plün­nen etwas Neu­es. [Neue Osna­brü­cker Zei­tung, 16.05.2019]

Der Plünn­schus­ter war ein »Klei­der­zu­sam­men­fli­cker«, der aus alten Plün­nen (Beklei­dung und Stof­fen) immer noch etwas zusam­men­brach­te. [Ham­bur­ger Abend­blatt, 15.10.2018]

Eine Plünn­ju­le war ein unor­dent­lich und nach­läs­sig geklei­de­tes Mäd­chen, das zwar kei­ne Plün­nen (Lum­pen) trug, aber nach dem kon­ser­va­ti­ven Geschmack der Groß­el­tern nicht kor­rekt ange­zo­gen war. [Ham­bur­ger Abend­blatt, 28.01.2013]

Sara […] hält zahl­rei­che Online‑Dealer mit Kla­mot­ten­be­stel­lun­gen auf Trab. Das ist nicht wei­ter schlimm, denn das meis­te schickt sie zum Glück post­wen­dend wie­der zurück. Vor drei Tagen kam ich nach Hau­se und im Wohn­zim­mer lagen hau­fen­wei­se Plün­nen her­um, die sie bestellt und anpro­biert hat­te. [Welt am Sonn­tag, 27.02.2011]

»Die bil­li­gen Plün­nen, die du immer kaufst, lan­den doch alle nach einem hal­ben Jahr im Alt­klei­der­sack«, […]. [Ham­bur­ger Abend­blatt, 08.08.2000]

b)
DWDS
Phra­sem: ⟨sich in die Plün­nen krie­gen, bekom­men (= mit­ein­an­der einen Streit begin­nen)⟩; Syn­onym zu sich in die Haa­re krie­gen
Bei­spiel:
Wenn man sich durch soli­de Arbeit aus­zeich­net und sich nicht in die Plün­nen kriegt, dann ist man lang­wei­lig. [Ham­bur­ger Abend­blatt, 26.07.1999]

c)
DWDS
Phra­sem: sich in den Plün­nen haben (= mit­ein­an­der strei­ten)
Syn­onym zu sich in den Haa­ren lie­gen
Bei­spiel:
»Sie haben sich in den Plün­nen und zwar gewal­tig, und die Fäl­le hän­gen alle mit­ein­an­der zusam­men«, stell­te der Rich­ter fest und ver­such­te sich als Mode­ra­tor. [Ham­bur­ger Abend­blatt, 28.08.2002]

Neh­men wir doch auch gleich noch die »Kla­mot­ten« dazu:

Kla­mot­te f. ‘zer­bro­che­ner Zie­gel­stein, alter Kram, ver­al­te­tes bzw. auf gro­ber Komik beru­hen­des Thea­ter­stück’ brei­tet sich in der 1. Hälf­te des 20. Jhs. von Ber­lin her aus; häu­fig ist der Plur. Kla­mot­ten ‘alte Klei­der, ärm­li­che Möbel’. Die Her­kunft des Wor­tes, das der Ber­li­ner Gau­ner­spra­che (um 1900) ent­stammt, ist nicht bekannt. Ver­bin­dun­gen zu tschech. (älter) kla­mol ‘Bruch­stück’, zu Scha­mott (s. d.), zu rotw. Kla­bot ‘Klei­dung’ oder zu jidd. k’le umo­nos ‘Hand­werks­ge­rät’ sind ungesichert.

Kla­mot­ten Pl.:

1.a. ‘Klei­dung und Hab­se­lig­kei­ten’, meist abschät­zig, Kla­mot­te (glaˈ­mo­də) [man­cher­orts]. Pack dei K. zam­me (un geh)! [Krie­ger 14]. Frää, hol mer mol schnell mei K.! [GH-Nd’lustdt]. —b. ‘Geld’. Ich han ke K. [RO-Bist­schd]. Syn. s. PfWb Geld 1. — 

2. scherzh. für
a. ‘Füße’ [ZW-Stamb]. —
b. ‘Hän­de’ [GH-Leimh]. Syn. s. PfWb Hand 1 a. — Aus dem Rot­wel­schen; vgl. Wolf Nr. 2657. — SHW Süd­hess. III 1364/65; RhWb Rhein. IV 606/07.

4

  1. nicht dass ich sie als Über­set­zung für »crib« am Lek­to­rat vor­bei­ge­bracht hät­te, obwohl sie per­fekt dafür ist ↩︎
  2. Heinz Küp­per, Wör­ter­buch der deut­schen Umgangs­spra­che (Direct­me­dia • Ber­lin 2000, Digi­ta­le Biblio­thek Band 36 ↩︎
  3. Wör­ter­buch: Kluft. Wör­ter­buch der deut­schen Umgangs­spra­che, S. 14739
    (vgl. Küp­per-WddU, S. 428) © Mari­an­ne Küp­per
    http://www.digitale-bibliothek.de/band36.htm ↩︎
  4. ↩︎
SlangGuy

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