Morgen fällt – machen Sie sich da keine Illusionen – die Entscheidung über Fortbestehen oder Ende der Demokratie weltweit. Wenn das amerikanische Verfassungsgericht die Handlungsweise eines zutiefst verhaltensgestörten Menschen am 6. Januar 2021 für verfassungskonform erklärt, werden wir als nächsten Präsidenten einen Psychopathen haben, dem es um nichts anderes gehen wird als um sich selbst und der – umgeben von handverlesenen Arschkriechern – nach dem Muster von Idolen wie Putin, Xi Jinping, Kim Jong-un und Viktor Orbán allem an die Gurgel gehen wird, was nicht hundertprozentig in sein krankes Weltbild passt. Und das kann seine Wirkung auf unsere Breiten unmöglich verfehlen.
Eine Zeitlang fiel in Interviews mit Zeitgenossen, die der größenwahnsinnigen Orange nicht gewogen waren, das Wort »Narzisst«. Nicht dass einer von den Leuten wusste, was das ist, und nachgeschlagen hat es sicher auch keiner, und wenn, dann genügt auch Nachschlagen nicht für eine Diagnose. Und »selbstverliebt« tut’s nun mal nicht, wenn von einem Krankheitsbild die Rede ist – da würden wir doch alle unter den Begriff fallen. Aber irgendjemand hatte das in den Raum geworfen und alle haben es nachgeplappert. So fehlt hier stets ein entscheidendes Adjektiv vor dem Begriff selbst, und das ist »bösartig«. Witzigerweise ist nämlich ein Merkmal dessen, was unsereins unter »Narzissmus« versteht, das dringende Bedürfnis, immer und überall im Mittelpunkt zu stehen,1 dem unter der »bösartigen« Form des Narzissmus leidenden Menschen, völlig fremd. Der »maligne« also bösartige Narzisst« ist völlig ungebrochen in seinem Auftritt, er geht ganz in seiner Rolle auf, er ist so von seiner überlegenen Großartigkeit überzeugt, dass er andere, die ohnehin weniger wert sind als er, nicht braucht. Es sei denn, und das vermute ich jetzt mal als blutiger Laie, es sind die positiven Urteile anderer, zu denen er bewundernd aufblicken kann: in Trumps Fall Putin, Xi Jinping, Kim Jong-un und Viktor Orbán.
Keiner der Amerikaner von der Straße, die Trump einen »Narzissten« nannten, hätte, wenn überhaupt, mehr als eine der Eigenschaften nennen können, die einen solchen ausmachen:
– Selbstüberschätzung bzw. ein völlig übertriebenes Gefühl der eigenen Wichtigkeit oder Bedeutung
– die fehlende Empathie (der Mangel an Mitgefühl oder Einfühlungsvermögen gegenüber anderen)
– gestörtes Verhältnis zur Realität
– die Unfähigkeit zur Reue (siehe das folgende Video)
– Impulsivität (die spontane Reaktion ohne auch nur einen Gedanken an Konsequenzen auf Außenreize oder innere Impulse; man braucht sich nur Trumps Reden anzusehen, in denen er hirnlos selbst auf Fliegen reagiert)
– antisoziales Verhalten: die völlige Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen und deren Rechte (von den Menschenrechten ganz zu schweigen: Waterboarding ist für Trump keine Folter)
– der Hang zur Täuschung anderer (der Mann ist ein Hochstapler; Bauernfänger und ein Betrüger wie in dem New Yorker Prozess gegen ihn bewiesen wurde)
– der Hang zu Destruktivität
– eine sadistische Ader
– Die Neigung zur »projektiven Identifikation«, was letztlich nichts anderes bedeutet, als dass man anderen seine eigenen Macken unterstellt, was durchaus
– paranoide Züge annehmen kann
Wie auch immer, wenn hier von »Psychopath« und »krank« die Rede ist, dann ist das – selbst von mir als blutigem Laien – nicht einfach so hingeworfen, so wie man jemanden rasch mal als »Patienten« bezeichnet, weil einem sein Verhalten oder seine Ansicht nicht passt. Mitnichten. Obwohl in seinem Fall selbst ein oberflächlicher Blick auf Verhalten und Äußerungen genügen würde, verlasse ich mich auf die Diagnosen und Warnungen anderer, die den Mann besser kennen und für derlei Urteile besser qualifiziert sind als ich. Allen voran einer, der mehr Zeit mit Trump verbracht hat als sonst ein Zeitgenosse: Tony Schwartz, Co-Autor – sprich Ghostwriter – von Trumps Bestseller The Art of the Deal. Er sagte jüngst Folgendes:
Schwartz: »Als er [Donald Trump], kurz vor der Wahl 2016, sagte: ›Wenn ich auf der Fifth Avenue jemanden erschießen würde … würde man mich dafür nicht belangen.‹ Die Wahrheit dahinter ist, dass Donald Trump – und das sollten die Leute wissen – absolut willens wäre herzugehen und Sie oder mich oder Liz Cheney oder irgendjemanden, in dem er einen Feind sehen könnte, und das sind im Endeffekt alle außer den Medien vom rechten Flügel, und er könnte auf Sie schießen – ohne auch nur die Spur von Gewissensbissen … weil … und ich habe das bereits gesagt, aber, Mann, ist das heute klarer denn je, er ist – klinisch … die richtige klinische Diagnose für Donald Trump ist Soziopath oder Psychopath, und ein Soziopath oder Psychopath hat kein Gewissen, und das macht ihn so besonders gefährlich …«2
Dass Schwartz bereits vor der Wahl 2016 vor Trump gewarnt hat, weist auf eine Realitätsresistenz der Wähler, an der sich nicht nur nichts geändert, sondern die sich im Gegenteil noch verstärkt hat. Der Mann ist – gelinde gesagt – tatsächlich »nicht ganz sauber«.
Ein, zwei Jahre nach Schwartz’ erster Warnung haben seine Beobachtungen mehr als zwei Dutzend Psychiater bestätigt. Sie brauchen dazu nur mal einen Blick in das – aus irgendeinem unerfindlichen Grund – unübersetzt gebliebene Buch – The Dangerous Case of Donald Trump: 27 psychiatrists and mental health experts assess a president, herausgegeben von Bandy X. Lee, zu werfen.
Auch Tony Schwartz hat ein Kapitel zu diesem Buch – »I Wrote The Art of the Deal with Trump« – beigetragen, in dem er über seine einschlägigen Beobachtungen während der Arbeit mit Trump an The Art of the Deal ausführt, und die dauerte immerhin ein geschlagenes Jahr. Er sah in Trump einen »Mangel an Selbstwertgefühl« von der Größe eines »schwarzen Lochs«, ein unfassbares Maß an »von Fakten ungetrübter Selbstrechtfertigung« und einen »inneren Zwang, Krieg gegen die Welt zu führen«.
Die Herausgeberin von The Dangerous Case of Donald Trump weist seit Jahren auf Trumps psychopathische Persönlichkeit hin:
Lee: »Ja, in der Tat, sind wir nicht mehr nur um unser Ansehen in der Welt besorgt … das ist sicherlich dahin … zumindest in Bezug auf die Autorität … die wir mal hatten, äh, sondern wir sind jetzt besorgt um unser … das … das Überleben unserer Demokratie, wenn nicht gar der Nation selbst, und sogar das Überleben der menschlichen Spezies, wenn man überlegt, in welche Gefahr uns Donald Trump gebracht hat … nicht nur durch das, was er als, ähm, als Präsident getan hat, indem er seine psychischen Beeinträchtigungen … in die Präsidentschaft eingebracht hat, sondern auch die … die psychischen Symptome, für deren Verbreitung er gesorgt hat, und, äh, der Unterschied zwischen Symptomen und … oder Pathologie gegenüber gesunden, ähm, lebensbejahenden Ansichten, äh, was auch immer sie … welcher Art sie auch sein mögen … dieser Unterschied ist der, dass die eine zerstört … in … ja letztlich sich zur Zerstörung getrieben sieht, und die andere ist, nun, sie … sie bejaht das Leben, egal wie unsere, ähm, Veranlagung aussehen mag.«3
Interessanterweise besteht Doktor Lee darauf, man hätte in besagtem Buch Donald Trump keineswegs zu diagnostizieren versucht, weit gefehlt: “[W]ir haben nicht zu diagnostizieren versucht, nichts lag uns ferner. Wir warnten vielmehr vor der psychologischen Gefahr, die von ihm ausging, und vor der potenziellen Untauglichkeit für seinen Posten. Es ist doch so, dass jeder, von dem eine Gefahr für sich und andere ausgeht, automatisch ungeeignet ist für so ziemlich jeden Job in den Vereinigten Staaten – außer für ein gewähltes Amt. Daher hielten wir es für wichtig, die Öffentlichkeit zu warnen, da wir als Fachleute für psychische Gesundheit und als Mediziner für die öffentliche Gesundheit verantwortlich sind.« 4
»… im Fall einer Person des öffentlichen Lebens, die eine Gefahr für andere oder die Öffentlichkeit an sich darstellt, wird das zu einer Frage der öffentlichen Gesundheit, bei der der Patient nicht eigentlich die Person des öffentlichen Lebens ist, sondern die Öffentlichkeit selbst, und in unseren Ethikrichtlinien heißt es, dass wir eine Verantwortung nicht nur gegenüber dem einzelnen Patienten, sondern gegenüber der Gesellschaft haben.«5
Sie spielt hier auf die Ansteckungsgefahr des »Trump-Virus« an, wie ich es mal nennen möchte; sie spricht von der Gefahr einer »psychologischen Epidemie«.
»Das hat es in vielen anderen Kulturen gegeben, und auch die fortgeschrittenen Gesellschaften sind dagegen nicht immun. Genauso wie Individuen einer Krankheit verfallen können und … Nimmt die Krankheit erst einmal ihren Lauf, kann sie sich manchmal nur noch verschlimmern, wenn man nicht richtig eingreift, und genau das lässt sich in einer Gesellschaft beobachten. Ein bekanntes Beispiel ist die deutsche Gesellschaft, in der noch viele Menschen leben, die sich daran erinnern, was dort passsiert ist. Die Deutschen hatten eine der fortschrittlichsten Kulturen. Ihre Literatur, ihre Musik, ihre Wirtschaft und ihre Militärmacht mit … Bismarck, [die Deutschen waren] eine der mächtigsten Nationen, und doch erlagen auch sie einer Art Hitler- oder Nazi-Fieber, könnte man sagen. Man denkt ja oft, dass psychische Symptome auf das Individuum beschränkt sind, aber sie sind in Wirklichkeit psychosozial und können sich tatsächlich schneller ausbreiten als die … die gewöhnlichen Infektionskrankheiten, an die wir denken, und das ist ein wichtiges Merkmal.«6
Womit wir wieder bei der Befürchtung wären, die ich bereits in der ersten Folge geäußert habe: die Signalwirkung auf unsere Breiten. Hier ist von einer »Ansteckungsgefahr« die Rede, und das aus dem Mund einer renommierten forensichen Psychologin, die obendrein für zahlreiche Kollegen spricht. Die Amerikaner hätten das in den letzten neun Jahren zur Kenntnis nehmen können, taten das aber nicht, nein, im Gegenteil, die Symptome haben sich weiter ausgebreitet, Trump wird vermutlich auf die Wahlliste kommen. Ich glaube nicht, dass ein weitgehend von ihm bestelltes Verfassungsgericht gegen ihn entscheiden wird, dem ein notorisch korrupter Richter vorsitzt, der noch nicht einmal den Anstand hatte, sich wegen Befangenheit (seine Frau hatte mit dem Aufstand zu tun) der Stimme zu enthalten.
Und, um es noch einmal zu sagen (siehe den ersten Teil der Reihe): Bei uns ist die Saat gesät, unsere gesellschaftlichen Probleme unterscheiden sich kaum von denen der Amerikaner und die Masse von Leuten, die einander dumpf in ihrer Echokammer antidemokratische Parolen zuschreien, ist immens. Alles, was hier noch fehlt, ist ein »charismatischer« Irrer wie Donald Trump. Und glauben Sie ja nicht, dass all die politisch korrekt gendernden Tugendbolde noch groß die Klappe aufreißen, wenn diese Saat aufgeht. So politisch korrekt sie auch sein mögen, Demokraten sind sie nämlich – gerade deshalb – nicht.
Fußnoten
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