Der Börsengang seiner hauseigenen Social-Media-Plattform »Truth Social« und der daraus resultierende, wenn auch bislang eher papierne Milliardensegen für den Donald waren eine weitere völlig unerwartete Wende in der nicht enden wollenden Trump-Soap, die wir hier verfolgen müssen, weil der Ausgang schlicht enorme Auswirkungen auf den Rest der Welt und speziell auch auf uns hier in der alten Welt haben wird. Eine erneute Amtszeit der durchgeknallten Orange kann durchaus unseren Untergang bedeuten, wenn Trump das Problem Ukraine mit seinem Spezi Putin an einem Vormittag löst und dann die NATO zu demontieren beginnt. Und wenn immer noch jemand meint, da gebe es ja wohl Verträge, dann hat er Trump und seinen Mob von Faschisten in spe und was sie für die Weltgeschichte, für den Stand unserer Zivilisation bedeuten noch immer nicht ganz kapiert. Also schauen wir uns in dieser Folge des Trump-Lexikons das Phänomen »Truth Social« etwas näher an.
Mit dem Begriff »Wahrheit« verhält es sich heute ja ähnlich wie seit jeher mit den Begriffen »Volk« und »Demokratie« in Ländernamen – in welchen auch immer »demokratisch« oder »Volksrepublik« vorkommt, da herrscht weder Demokratie, noch hat das »Volk« was zu sagen – außer dem Teil von ihm, der regiert, und seinen Schergen, versteht sich. Wenn also jemand wie Trump, dessen Pressesprecherin Kellyanne Conway ja schon den Schwachsinn von den »alternativen Fakten« in die Welt gesetzt hat, seine matte Twitter-Kopie »Truth Social« nennt, dann durfte man davon ausgehen, dass nichts von dem, was er dort verzapfen würde, auch nur das Geringste mit »Wahrheit« zu tun haben wird. Und so kam es denn ja auch.
Aber rekapitulieren wir erst mal kurz.
Von dem Augenblick an, in dem Trump im Mai 2009 einen Twitter-Account eröffnete, begann er sich dieses Mediums in einem Maße zu bedienen, das ihm spätestens während seiner Präsidentschaft den Spitznamen »Tweeter-in-Chief« (»Chef-Twitterer« – in Anlehnung an »Commander-in Chief«: Oberbefehlshaber) einbringen sollte. Das Format des Kurznachrichtendienstes war wie geschaffen für seine ebenso spontane wie unsystematische Art des Denkens und Handelns.1 So tweetete er während des Wahlkampfs 2016 über 8000 und dann über 25000 mal während seiner Zeit im Amt. Und einer Erklärung des Weißen Hauses zufolge waren diese Tweets als offizielle Verlautbarungen zu sehen. Im Januar 2021, nach den Vorfällen vom 6. Januar, sah er sich von der Plattform verbannt. Als Musk seinen Account im November 2023 wieder freigab, hatte Trump mit »Truth Social« bereits seine eigene Plattform.2
Noch 2021 hatten Trump Andy Litinsky und Wes Moss, zwei ehemalige Bewerber seiner TV-Show The Apprentice, das Startup einer Twitter ähnlichen Plattformen vorgeschlagen, die von der Wirkung seines Namens profitieren sollte. Man einigte sich darauf, dass die Trump Media & Technology Group (TMTG) einen Anteil von 90% an der Firma bekommen sollte und United Atlantic Ventures, die Partnerschaft der beiden Mitbegründer, 8,6%.
So startete am am 21. Februar 2022 Truth Social, ein Twitter-Klon, der vor allem der Verbreitung von Trumps eigenen kontroversen Ansichten diente. In Großbuchstaben, wie das für ihn typisch ist, wirft er dort mit offensichtlichen Lügen, Dementis Beleidigungen, Verleumdungen um sich, auch mit mehr oder weniger verblümten Aufforderungen zur Gewalt.
Großer Erfolg war seiner Plattform nicht beschert, jedenfalls nicht im Vergleich mit Konkurrenten wie Twitter und Facebook. Trump Media, die Firma dahinter, verlor 2023 $58 Million und spielte gerade mal $4,1 Millionen an Steuereinkommen ein. Freilich sollte man nicht übersehen, dass so ein Unterfangen wohl nicht von heute auf morgen etwas abwerfen kann. Wie auch immer, der »unzensierte« und nur begrenzt moderierte Dienst hat in etwa zwei Millionen aktive User, die im Durchschnitt Männer zwischen 18 und 34 und republikanische Wähler sind.3
Es liegt in der Natur von Social-Media-Plattformen, ihre User an sich binden und so lange wie möglich auf der Plattform halten zu wollen, was zur Folge hat, dass man ihnen vorsetzt, was immer es dazu braucht. So haben User überwiegend das Gefühl, dass es sich bei dieser Plattform um ein politisches Instrument Donald Trumps handelt. Was dem harten Kern der Trump-Sekte recht sein mag, aber wohl kaum geeignet sein dürfte, Kundschaft anzuziehen, die Trump nicht interessiert und die sich einfach nur darstellen oder austauschen wollen. Eine Journalistin, die sich für den Business Insider bei Truth Social registriert und sich dort einen Tag lang umgesehen hat, meinte Anfang April 2024, in »eine bizarre Mischung aus Verschwörungstheorien und Hass auf Biden« einzutauchen.4
Einer Umfrage vom März 2022 zufolge würden 77% aller demokratischen Wähler die Plattform nie und nimmer benutzen, knapp 80% aller registrierten Domokraten dächten nicht daran, einen Account auf Truth Social einzurichten, 20% hielten die Einrichtung eines Accounts für denkbar, ohne diesen aber groß nutzen zu wollen, und weniger als ein Prozent sagte, sie würden dort auch tatsächlich posten.5 Womit Truth Social per definitionem auch längerfristig ein begrenztes Wachstumspotenzial beschert sein dürfte. Angesichts dieser Umstände sind der begrenzte Gewinn und die massiven Verluste der Plattform bedenklicher als bei anderen Startups während der Anfangszeit.
Zu einem Zeitpunkt, in dem eine Trump gegenüber anscheinend immer noch eher naive Welt, den Mann schon unter seinem Schuldenberg in die Knie gehen sah, gab die Trump Media & Technology Group eine Fusion mit einem unter dem Namen Digital World Acquisition Corporation bereits an der NASDAQ gehandelten Akquisitionszweckunternehmen6 bekannt, die Truth Social mit Trump als Mehrheitseigentümer den Börsengang ermöglichen und der Orange einen warmen Segen von zirka drei Milliarden Dollar bescheren würde. Vermutlich rechnete Trump damit, seine Anteile irgendwie versilbern oder beleihen zu können. Er hatte das ja schon einmal mit seinem Unternehmen Trump Entertainment Resorts veranstaltet, wo er eine Woche nach dem Börsengang einen Teil der fast 300 Millionen Dollar, die dieser eingebracht hatte, herausnahm, um persönliche Schulden zu begleichen, die aus den Problemen mit seinem Casino in Atlantic City aufgelaufen waren. Denken Sie an die Insolvenzen in den Jahren 2004, 2009 und 2014. 2009, drei Jahre nach dem Börsengang, warf ihn die NASDAQ dann raus.7 Der Mann ist bei aller Raffinesse eine Luftpumpe und als Geschäftsmann eine Niete. Offenbar hätte sein Medienunternehmen den Fusionscoup noch nicht mal erlebt, hätte es sich 2022 nicht unter anderem mit Krediten eines russisch-amerikanischen Geschäftsmannes über Wasser über Wasser gehalten, der seinerseits im Rahmen von Ermittlungen wegen Insidergeschäften und Geldwäsche unter Beobachtung steht.8 Es braucht hier wohl nur am Rande darauf hingewiesen zu werden, dass auch die DWAC ein Unternehmen recht zwielichtiger Provenienz ist, in dessen Zusammenhang von chinesischen Mitteln, Geldwäsche, Caymans, falscher Darstellung von Firmenmänteln, Singapur etc. die Rede ist.9
Inwiefern Trump all das »Monopoly-Geld« kurzfristig nützt, ist ebenso ungewiss wie die Antwort auf die Frage, ob und wann er auch dieses Unternehmen gegen die Wand fahren wird. Tatsache ist jedoch, dass der Kurs des Twitter-Abklatsches augenblicklich im freien Fall befindet, was so einige Nutzer von der Plattform aufgeschreckt bis verärgert hat. Und natürlich flüchtet sich dort so mancher sofort in die Behauptung einer künstlichen Abwertung des Unternehmenspapiers. Anderen geht der Arsch mit Grundeis: »Was passiert mit den DJT-Aktien?«, schrieb ein verzweifelter Truthsayer in seinem Kommentar zu einem Beitrag von Donald Trumps offiziellem Account. Er habe seine gesamten Ersparnisse investiert! »Bitte tun Sie etwas gegen den Absturz.«10 Aber So sehr der MAGA-Don sein Schrottpapier in Meme-Aktie zu verwandeln versucht, seit seiner Auflegung hat es etwa zwei Drittel seines Werts verloren. Selbst Joe Biden konnte sich eine spöttische Bemerkung über den sinkenden Wert von Trumps neuestem Schmu nicht verkneifen. »Wenn der Wert noch weiter sinkt, steht Donald Trump mit meinem Steuerplan womöglich besser da als mit seinem eigenen.«
Da hilft es auch nicht gerade, dass Trump in gewohnter Manier mit allen in Streit gerät und Gott und die Welt einander verklagen: die Gründer Litinsky und Moss verklagen Donald Trump, Trump verklagt Litinsky und Moss, Trump verklagt den Gründer der SPAC Patrick Orlando, Orlando verklagt Trump, behauptet, ein Trump-Mediendirektor hätte Wirtschaftsspionage betrieben. Die ersten Großinvestoren, Michael und Gerald Schwartzman, haben sich des Insiderhandels in zwei Fällen schuldig bekannt und so weiter und so fort.11 Und dann kündigt man, als Fallschirm im freien Fall sozusagen, auch noch die Aufstockung der käuflich zu erwerbenden Anteile um 21,5 Millionen Stück auf, was den Bestand um satte 15% erhöhen würde, was zwangsläufig die Anteile der Bestandsaktionäre, auch Trumps eigene, erheblich entwerten wird und entsprechend bereits zu millionenfachen Verkäufen führte.12 Womöglich bleibt nur der harte Kern von Losern aus der Trump-Sekte dem Schrottpapier treu.
Was möglicherweise nichts daran ändern wird, dass Truth Social und sein Börsengang Donald Trump allen Unkenrufen zum Trotz unterm Strich erst einmal wieder um einiges reicher gemacht haben dürfte. Und der Rest der Welt ist dem Mann ja bekanntlich egal.
Eines allerdings könnte Donald Trump womöglich doch noch das finanzielle Genick brechen, etwas das indirekt damit in Zusammenhang steht und für das Trump ganz alleine verantwortlich und das sich für uns blutige Laien in etwa als »Irreführung von Anlegern« zu bezeichnen ließe. Nehmen Sie an, Sie hätten, warum auch immer, vor einigen Wochen Anteile an Trump Media zu 61 Dollar erworben, die jetzt bei 31 Dollar stehen. Das ist ein gefundenes Fressen für auf Wertpapier-Sammelklagen spezialisierte Anwälte. Und denen läuft in Delaware, dem Bundesstaat, in dem Trumps Firma zuhause ist, bereits das Wasser im Mund zusammen. Wenn jemand hergeht und den Behörden gegenüber angibt, seine Firma sei instabil, illiquide, praktisch am Abnibbeln, und zum Beweis dazu die einschlägigen Zahlen vorlegt, gleichzeitig jedoch der Öffentlichkeit, also potenziellen Anlegern gegenüber behauptet, ihm gehe es großartig, wir haben ein Superpapier, ihr solltet in mich investieren, dann stellt das nach Kapitalmarktrecht eine falsche, irreführende Aussage dar.13 Es dürfte so einige Leute geben, die aufgrund dieser vollmundigen Aussage Trump-Aktien gekauft haben, und die auf diese Art von Klagen spezialisierten Kanzleien werden diese Leute finden und zu Klägern machen und dann mit einer Sammelklage, die sich gewaschen hat, vor Gericht gehen.
Einer, der sich ziemlich sicher ist, dass diese Sammelklagen das finanzielle Ende der durchgeknallten Orange sein werden, ist der Anwalt Michael Popok von MeidasTouch:
Diese Sammelklagen sind es, die Donald Trump in den finanziellen Ruin treiben werden, schon gar weil sie zusätzlich zu dem 465-Millionen-Dollar-Urteil kommen, für das er offenbar die Kaution nicht ordnungsgemäß aufbringen kann …
Sein Wort in Gottes Ohr …
Anmerkungen
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