Keine von Trumps zweifelhaften Entscheidungen bei der Vergabe von Posten im Weißen Haus wäre besser geeignet, Amerikas Weg in die Kleptokratie aufzuzeigen als die Ernennung von Jared Kushner und seiner Gattin Ivanka zu Topberatern. Wie erwiesen, nutzten die beiden wiederholt Verbindungen zu ausländischen Staatsoberhäuptern zu ihrem eigenen Vorteil, allen voran die Chinas, Japans, Russlands, Israels und Saudi Arabiens, selbstverständlich alle um die Gunst des Weißen Hauses bemüht. Angesichts der ebenso gnaden- wie erfolglosen Hatz der GOP auf Hunter Biden ist es doch interessant, dass am rechten Flügel niemanden interessant, wie sehr die Trumps nachweislich von der Regierungszeit des Donald profitiert haben.
Kein anderer Berater genieße bei Trump mehr Vertrauen als Jared Kushner, schrieb Vox im Juni 2020. Kushners Aufgabenbereich erstrecke sich von der Aufsicht über den Bau der Mauer hin zu Mexiko über die Beendigung des israelisch-palästinensischen Konflikts und das Management von Amerikas medizinischen Rreserven während der Corona-Krise bis hin zur Überholung der republikanischen Plattform und mehr. Die Liste der Verantwortlichkeiten von Trumps Schwiegersohn und Chefberater sei beeindruckend, wäre da nicht der Umstand, dass es Kushner auf allen diesen Gebieten so offensichtlich an Erfahrung wie Eignung fehle.1
Aber wir greifen vor …
Kushners Großeltern Rae und Yossel Berkowitz stammten aus Polen, genauer gesagt aus einem Winkel im damaligen Nordosten Polens, der heute zu Belarus gehört. Der Rest der Familie war von den Nazis praktisch ausgelöscht worden. Die ebenso dramatische wie langwierige Flucht von Rae und Yossel durch ganz Europa endete 1949 in Amerika. Aufgrund der strikten Zuwanderungssquote für Juden bekamen sie ihre Visa nur durch einen Trick, der sie denn auch zu Kushners machte. Und aus Yossel wurde Joseph.2
Joe, der Zimmermann war, schenkte sich nichts und tat sich mit einigen anderen jüdischen Familien – auch sie Überlebende des Holocaust – zusammen, um in New Jersey Wohnhäuser zu bauen. Die emsige Gruppe verwandelte Ackerland in florierende Vorstädte und machte sich als »Holocaust Builders« einen Namen. Außerdem wurden sie wegen ihrer Großzügigkeit jüdischen Anliegen gegenüber bekannt.3 Rae und Joe hatten drei Kinder, Murray, Esther und Charles, Jared Kushners Vater. Während die »Holocaust Builders« ein eher verschworener bis verschlossener Klüngel waren, arbeitete der extrovertierte Charles neben seinem Vermögen auch an seinem Profil.
1985 gründeten Charles und sein Vater Joseph zusammen das Immobilienunternehmen Kushner Companies. Charlie Kushner, dessen Gebaren privat wie geschäftlich etwas von dem eines »Paten« hatte,4 wurde ein Mann mit großer Bugwelle in New Jersey; Politiker hofierten ihn5, innerhalb der Verwandtschaft sah man ihn schon als Senator. Tatsache ist, dass er sich schon deshalb in der Politik engagierte, weil das Immobiliengeschäft von Steuererleichterungen auf Kommunal- wie Bundesebene lebt. Und so spendete er fleißig, »meist an Demokraten: Robert Torricelli, Senator von New Jersey, Chuck Schumer, Senator von New York, und später die New Yorker Senatorin Hillary Clinton«.6
Jared ging 1999, nach der High-School, an die Harvard University, obwohl seine schulischen Leistungen dazu nie ausgereicht hätten. Eine Spende von 2,5 Millionen Dollar des Vaters im Vorjahr dürfte dazu den Weg geebnet haben.7 Als Ältester und damit Thronfolger sah Kushner junior sich schon während des Studiums in die Geschäfte der Familie eingeführt. Als Kushner Sr. 2005 wegen Steuerhinterziehung und Zeugenbeeinflussung zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, ging die Unternehmensleitung an seinen Ältesten, Jared, der als »sympathischer, wohlerzogener Junge« galt, »nicht besonders klug, wenn auch nicht dumm, und, im Gegensatz zu seinem unbekümmerten Bruder Josh, eher ernst«.8
Jared, war gerade mal Mitte zwanzig, als er Kushner Companies übernahm, und studierte noch. Er war noch nicht reif für eine derartige Verantwortung, und so führte Alan Hammer, ein Freund und Vertrauter Charlies das Unternehmen von 2005 bis 2007, während Charlie vom Knast aus die Fäden zog. Jared war lediglich das sympathische, rotbäckige Gesicht des Imperiums. Im Gegensatz zu seinem Vater schien er ruhig und besonnen. Wie alle Kushner-Kinder war er über die Maßen höflich. Die Leute mochten ihn.9
Und Vater Charlie hatte Großes mit ihm vor. Nicht zuletzt im Zuge seiner eigenen Rehabilitierung. Als erstes wollte man den Fokus des Unternehmens von New Jersey nach Manhattan verlegen, dazu musste eine renommierte Immobilie als Trophäe her: 666 Fifth Avenue, Manhattans renommiertester Büroturm. Dann bekam Sohn Jared eine eigene Zeitung: den Observer, der ihm eine ganz neue Welt eröffnete und unter anderem die Freundschaft mit Medienmogul Rupert Murdoch einbrachte.10 Fehlten nur noch Dates mit den richtigen, sprich profilierten Frauen, wie etwa Laura Englander, der Tochter des milliardenschweren Hedgefonds-Managers Israel Englander.11 2005 jedoch, als Jared und Ivanka sich auf einer Party vorgestellt sahen, schien es tatsächlich gefunkt zu haben. Das ideale Paar war geboren, ein Power-Couple, dessen höfliche Eleganz sich so ganz und gar unterschied von der hemdsärmeligen Art ihrer Väter.12 Und vergessen wir nicht die geballte finanzielle Macht, die da zusammenkam.
Jared, der es wie Donald Trump politisch zunächst mit den Demokraten gehalten hatte, nach einem Zwischenspiel als Unabhängiger dann aber 2018 offiziell Republikaner werden sollte, spielte 2016 eine wichtige Rolle in Trumps Wahlkampf und galt zeitweise als dessen De-facto-Wahlkampfchef. 2017 ernannte der Donald ihn, allen Vorwürfen der Vetternwirtschaft zum Trotz zu seinem Senior Advisor.13 Bereits rund um den Wahlkampf machte man Kushner immer wieder Interessenkonflikte zum Vorwurf, da er von politischen Vorschlägen profitierte, für die er sich innerhalb der Trump-Administration persönlich einsetzte. Und schließlich profitierte er dann natürlich auch von der Präsidentschaft Trumps.
»Ganz oben auf der Liste derer, die während Trumps Zeit im Weißen Haus reicher wurden«, so schreibt David Cay Johnston in seinem Buch The Big Cheat, »stehen seine Tochter Ivanka und ihr Mann Jared Kushner. Sie erhielten lauf Johnston mindestens achtzehn Hypotheken auf Amigo-Basis »im Gesamtwert von fast 800 Millionen Dollar«.14 Es ging bei diesen und vielen anderen Vergünstigungen jedoch nicht nur um schiere Gier, sondern vor allem darum, dass Jared Kushner in Wirklichkeit ein lausiger Geschäftsmann mit nicht weniger lausigem Urteilsvermögen war.
Schon beim Kauf des stark renovierungsbedürftigen Büroturms 666 Fifth Avenue 2007 hatte er die damalige Rekordsumme für eine New Yorker Immobilie von 1,8 Milliarden Dollar bezahlt. Nicht nur nur entsprach dies dem Doppelten des damals üblichen Quadratmeterpreises, das Geschäft war stark fremdfinanziert. Allein für die Anzahlung von 50 Millionen Dollar musste Jared mehr als 17.000 Wohnungen in New Jersey verkaufen; Hypotheken deckten die restlichen 97 Prozent des Kaufpreises. Dann begannen aus dem ohnehin nicht vollen und schon gar nicht rentablen Turm Mieter auszuziehen und die Krise von 2008 gab ihm geschäftlich den Rest.15
Jared war also finanziell durchaus angeschlagen, als sein Schwiegervater ihn und Ivanka als Berater ins Weiße Haus holte. Und obwohl der Posten offiziell unbezahlt war, belief sich ihr Einkommen während der Präsidentschaft Trumps auf mindestens 172 Millionen und womöglich mehr als 640 Millionen Dollar. Und dann profitierten sie natürlich wie alle Superreichen von Trumps Steuergesetzen. Wenn man davon ausgeht, dass ihr gesamtes Einkommen aus Pass-Through- oder Flow-Through-Geschäften stammte, hätten sie am oberen Ende mindestens 93 Millionen Dollar an Bundeseinkommenssteuern gespart. Im unteren Bereich hätte die Ersparnis 20 Millionen Dollar über vier Jahre betragen.16
Bezahlt oder unbezahlt, qualifiziert war Jared Kushner für den Beraterposten im Weißen Haus sicher nicht: Peter Navarro, der ehemalige Handelsberater des Weißen Hauses, bezeichnete Kushner als »Ein-Mann-Abrissfirma«, dessen »einzige Qualifikation darin besteht, der Schwiegersohn des Chefs zu sein.«17
Vor allem zahlten sich die zahlreichen diplomatischen Missionen aus, auf die Trump seinen Schwiegersohn schickte. Um zum Beispiel Geld für ein Hochhausprojekt – 1 Journal Square in New Jersey – aufzutreiben, bemühte man sich in China um Investoren. Im Mai 2017 veranstaltete Jareds Schwester Nicole Kushner Meyer ein Investitionsseminar im Pekinger Ritz-Carlton. Um ein betuchtes Publikum anzuziehen, schalteten die Kushners eine Anzeige, die bei einem Einsatz von 500.000 Dollar die Möglichkeit zur Einwanderung in die Vereinigten Staaten versprach.18
Als besonders lukrativ erwies sich der Kontakt mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, der im Jahr darauf die ermordung des Washington Post-Kolumnisten Jamal Khashoggi in Auftrag gab. Nach einem Besuch Jareds in Saudi-Arabien Ende Oktober 2017 fingen die Geheimdienste von mindestens vier Ländern Gespräche ab, in denen MBS damit prahlte, Kushner in der Tasche zu haben.19 Tatsache ist, dass weder Trump noch Kushner den Mord kritisierten und Letzterer nach seinem Auszug aus dem Weißen Haus über seine frisch und eigens dafür gegründete Private-Equity-Firma Affinity Partners Investments in Höhe von $2 Milliarden von den Saudis zu verwalten bekam.20 Qualifikation auf dem Gebiet hat Jared natürlich nicht.
Nach Trumps Niederlage 2020 flog Kushner nach Israel, um dort Werbung für die Leistungen der Regierung Trump zu machen. Offiziell oder nicht, die Reise traf sich mit Trumps Begnadigung von Charlie Kushner der Eingabe von Kushner Companies um die Genehmigung zum Verkauf von Unternehmensanleihen im Wert von 100 Millionen Dollar an der Börse von Tele Aviv.21 Und erst jüngst, im Februar 2024, äußerte Kushner sich in Harvard über die Menge an »ausgesprochen wertvollem« Land an der Küste von Gaza.22 Nichts könnte besser ausdrücken, wie sehr er Donald Trumps Welt und Familie passt. Außerdem meinte er in derselben Ansprache, dass man die 1,4 Millionen Palästinenser nach Ägypten oder in den Negev umsiedeln sollte, womit er wohl dem alten Freund der Familie Netanjahu aus der Seele sprach.23
Experten in Sachen Ethos und Verantwortlichkeit zufolge biss biss sich Jared Kushners Posten als hochgestellter Berater im Weißen Haus mit zwei wesentlichen Prinzipien der Innen- und internationalen Politik: »Kushner weigerte sich, seine Geschäftsinteressen vollständig zu veräußern, und bestand darauf, einen Großteil seiner Beteiligungen an den Kushner-Immobiliengesellschaften zu behalten. Laut der New York Times … hält er Immobilien und andere Investitionen im Wert von 761 Millionen Dollar. Damit öffnete er die Tür für möglicherweise schwerwiegende Interessenkonflikte – mit Sicherheit aber für den Anschein solcher Konflikte.«24 Außerdem hätte ihn sein Schwiegervater eingestellt, der ganz zufällig Präsident der Vereinigten Staaten war. »Auf diese Weise forderte er sowohl Einzelpersonen als auch Unternehmen geradezu zur Gewährung finanzieller Vorteile auf, um Einfluss auf seinen Chef und engen Verwandten, Präsident Donald Trump, zu bekommen.« Von der Frage nach Jareds Qualifikationen ganz zu schweigen.25
Trump selbst jedoch schien seinem Schwiegersohn bedingungslos zu vertrauen. »Obwohl Trump selbst sich seiner persönlichen Loyalität rühmt, ist er selbst nur so lange loyal, bis er es eben nicht mehr ist. Von seinen besorgten Helfern scheint nur Jared Kushner sicher zu sein, der sich zu Trumps De-facto-Außenminister ernannt sah.«26 Mit Jareds Loyalität dagegen schien es nach der Niederlage von 2020 nicht mehr so weit her. Weder er noch Ivanka an die Mär von der gestohlenen Wahl, und so begannen sie nach dem Auszug aus dem Weißen Haus ihren eigenen Weg zu gehen.27
»Donald Trump«, so schreibt Jared Kushner in seinen Erinnerungen Breaking History, »hat zweifelsohne mehr geschafft als irgendein anderer Präsident zu meiner Lebenszeit. Ich habe mit Stolz in seinem White House gedient, und ich war ihm dankbar für die Chance, ihm bei der Erfüllung seiner Versprechen gegenüber dem amerikanischen Volk zur Seite zu stehen.«28
Anmerkungen
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