Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten besiegelte mit seinem Trump-Urteil vom 1. Juli 2024 das Ende freien Welt, wie wir sie kennen. Selbst wenn Trump wider Erwarten nicht gewählt würde, zögerte dies besagtes Ende bestenfalls um einige Jahre hinaus. Warum? Nun, das auf Trump gemünzte Urteil garantiert dem Präsidenten der USA praktisch die volle Immunität für alles, was er sich am und um den 6. Januar herum hat zuschulden kommen lassen und entsprechend für alles, was ihm künftig so einfallen sollte, um seine Macht zu wahren. Das Oberste Gericht der USA hat sich damit für die Wiedereinführung der Monarchie entschieden, deren Fesseln man in einer blutigen Revolution 1776 abgestreift hat. Was immer der durchgeknallten Orange in seinem faschistoiden Machtwahn einfallen sollte, um seine Gegner loszuwerden und Amerika finanziell abzuziehen, dieses Urteil öffnet ihm Tür und Tor dazu. Aber wie sieht das nun im Einzelnen aus.
Wir erinnern uns, mehr oder weniger: Am 1. August 2023 erhebt das US-Bezirksgericht für den District of Columbia in Washington Anklage gegen Donald J. Trump. Diese umfasst vier Punkte, darunter die Organisation eines Komplotts mit dem Ziel, ihn trotz seiner Niederlage bei der Wahl 2020 an der Macht zu halten.1 Am 3. August plädiert Trump in allen vier Anklagepunkten auf »nicht schuldig«.2 Am 5. Oktober beantragen Trumps Anwälte, die Klage gegen ihn aufgrund seiner absoluten Immunität als Präsident fallen zu lassen.3 Am 19. Oktober lehnen Sonderstaatsanwalt Jack Smith und sein Team Trumps Antrag auf Abweisung der Anklage ab.
Am 1. Dezember lehnt US-Bezirksrichterin Tanya Chutkan Trumps Antrag auf Abweisung der Klage auf der Grundlage einer umfassenden Immunität des Präsidenten ab und befindet, die Verfassung stütze keineswegs seinen Anspruch auf umfassenden Schutz vor Strafverfolgung für Amtshandlungen.4 Am 7. Dezember legt Trump gegen Chutkans Entscheidung Berufung beim Bundesberufungsgericht für den Bezirk Columbia ein. Am 11. Dezember gibt Smith beim Obersten Gerichtshof unter Umgehung des Bundesberufungsgerichts um eine rasche Entscheidung darüber ein, ob Trump wegen angeblich illegaler Handlungen während seiner Amtszeit im Weißen Haus strafrechtlich zu belangen sei. Am 13. Dezember gibt Chutkan Trumps Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens statt. Am 22. Dezember lehnt der Oberste Gerichtshof Smiths Antrag ab, im Fall von Trumps Immunität unter Umgehung des Berufungsgerichts für den District Columbia im Eilverfahren zu entscheiden.5
Hier beginnt das Problem mit SCOTUS, dem Obersten Gerichtshof der USA, der den Fall einfach an die untere Instanz hätte zurückgeben können. Was allgemeinem Dafürhalten nach hätte passieren sollen. Aber sehen wir uns an, was sich nach dem Jahreswechsel so tat.
Am 9. Januar hört ein dreiköpfiges Gremium des Bundesberufungsgerichts für den Bezirk D.C. die Argumente zur Frage um Trumps Immunität. Die Richter ertasten die Grenzen der von Trump behaupteten umfassenden Immunität,
wobei auch die Frage aufkommt, ob ein Präsident, der seinem Militär die Ermordung eines politischen Rivalen befehle, vor Strafverfolgung geschützt wäre.
Am 6. Februar spricht sich das dreiköpfige Richtergremium gegen Trumps Anspruch auf umfassende Immunität vor einer Strafverfolgung aus. Die Richter sprechen Trump den Anspruch auf präsidiale Immunität für ›behauptete Amtshandlungen‹ ab. Am 12. Februar ersucht Trump den Obersten Gerichtshof um eine Aussetzung der Entscheidung des Berufungsgerichts in einem Eilverfahren. Den Anwälten des Ex-Präsidenten zufolge würde »die Präsidentschaft, wie wir sie kennen« ohne Immunität vor strafrechtlichen Folgen »aufhören zu existieren«. Am 14. Februar fordert Smith den Obersten Gerichtshof auf, Trumps Dringlichkeitsantrag abzulehnen und die Entscheidung des Berufungsgerichts zu bestätigen. Falls, so Smith, SCOTUS’ Ansicht nach Trumps Antrag auf Immunität eine Überprüfung rechtfertige, so sollte die Entscheidung in letzterer Sache im Eilverfahren ergehen.6
Am 28. Februar nahm der Oberste Gerichtshof die Entscheidung darüber, ob Trump für mutmaßliche Handlungen während seiner Amtszeit Anspruch auf präsidiale Immunität habe, an. Es gehe darum,
»ob und wenn ja, in welchem Umfang … ein ehemaliger Präsident Immunität vor strafrechtlicher Verfolgung für während seiner Amtszeit begangene Handlungen haben« solle.
SCOTUS setzte für den 22. April eine Anhörung an. Das Verfahren liege bis zu einer Entscheidung, die man für Ende Juni erwarte, auf Eis. Am 19. März fordern Trumps Anwälte in ihrem Eröffnungsschriftsatz vom Obersten Gerichtshof zweierlei: die Aufhebung der Entscheidung des Berufungsgerichts und die Feststellung, ehemalige Präsidenten seien vor Strafverfolgung geschützt. Am 8. April 2024 reichte Jack Smith seinen Eröffnungsschriftsatz ein, laut dem Trump selbst dann strafrechtlich verfolgt werden könne, wenn der Oberste Gerichtshof zu dem Schluss kommen sollte, dass die Immunität auf »Amtshandlungen« eines ehemaligen Präsidenten ausgedehnt werden könne, schließlich handele es sich bei den Vorwürfen um ein »privates Komplott privater Akteure zur Erreichung eines privaten Ziels: die Bemühungen des Petenten, durch Betrug an der Macht zu bleiben«.7
Am 1. Juli 2024 war es dann endlich so weit. Der Oberste Gerichtshof fällte eine Entscheidung, die zunächst mal auf eine abermalige Verzögerung der Sache das Volk gegen Donald J. Trump abzielt. Vergessen wir nicht, dass sechs der neun Richter rechts bis rechtsaußen zu verorten sind. Nur drei Damen der Schöpfung halten die Stellung, die Richterinnen Sonia Sotomayor, Elena Kagan und Ketanji Brown Jackson.8 Für den Laien hört sich das 6‑zu-3-Urteil zunächst wenn schon nicht vernünftig so durchaus geeignet an, mit dem Mann – Sie verzeihen das Wortspiel – kurzen Prozess zu machen. Immerhin besagt es, dass Handlungen, die keine Amtshandlungen darstellen, auch fürderhin keine Immunität genießen und dass die untere Instanz, das Berufungsgericht für D.C. entscheiden solle, welche Handlungen Trump um den 6. Januar herum nun Amtshandlungen darstellen und welche nicht.9 Den drei liberalen Richterinnen zufolge beschere die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in Sachen präsidialer Immunität jedoch de facto selbst korrupten Präsidenten die Immunität gegenüber strafrechtlicher Verfolgung. Für Richterin Sotomayor ist der amerikanische Präsident damit künftig ein König über dem Gesetz. Das Verhältnis zwischen dem Präsidenten und dem Volk, dem er diene, habe sich mit diesem Urteil unwiderruflich verschoben. Sie warf ihren sechs Kollegen vor, rechtliche Präzedenzfälle zu ignorieren und eine »expansive Sicht von präsidialer Immunität« zu befürworten, die weit über das hinausgehe, was die Gründerväter, die Exekutive – ja, sogar Trumps Anwälte – jemals anerkannt hätten.10
Wo genau liegt das Problem? Nun, das liegt im Detail, in den Formulierungen, vor allem darin, wie man zwischen Amts- und privaten Handlungen unterscheiden soll und was zu dieser Unterscheidung als Beweis angeführt werden darf. Es geht also letztlich um den Beweis für die Beweggründe, mit anderen Worten um das Motiv. Wenn beispielsweise die Anklageschrift gegen Trump behauptet, die Macht seines Justizministeriums ausgenutzt zu haben, um Bundesstaaten dazu zu bringen, ihre rechtmäßigen Wahlleute 2020 durch Trumps falsche Wahlleute zu ersetzen, wie will man die betrügerische Absicht beweisen, wenn, wie die Richter am Montag entschieden, Trumps Gespräche mit den Beamten des Justizministeriums als offizielle Amtshandlungen gelten und somit nicht als Beweismittel oder zur Feststellung eines Motivs herangezogen werden können? Sehen Sie? Und das ist nur eine der fiesen Feinheiten dieser Entscheidung. Und das Problem ist, wie gesagt, dass es keine Präzedenzfälle für derlei Regeln gibt, geschweige denn, dass davon etwas in der Verfassung stünde.
»Argument für Argument erfindet die Mehrheit die Immunität mit brachialer Gewalt«, schrieb Sotomayor über die sechsköpfige Mehrheit ihrer Richterkollegen und fügte hinzu, dass das Urteil die Grenze zwischen Amtshandlungen und privaten Handlungen in einem Maß reduziere, dass es die Verfolgung einer privaten Handlung nahezu unmöglich mache. »Bei genauerer Hinsicht zerfallen ihre Argumente zu Staub.«11
Immer noch nicht ganz klar? Geht mir genauso. Dann führen wir das doch mal aus: »Selbst wenn«, sao die Richterin in ihrer Meinung zum Urteil, »die Immunitätsanalyse der Mehrheit [meiner Kollegen] vorgibt, dass inoffizielle Handlungen strafrechtlich verfolgt werden können, nimmt ihr drakonischer Ansatz bezüglich des Nachweises von Amtshandlungen dieser Strafverfolgung jeglichen Biss. Selbst wenn der ehemalige Präsident für seine Amtshandlungen nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann, sollten diese Handlungen dennoch als Beweismittel vor Gericht zulässig sein, um den Beweis für Wissen oder Vorsatz bei der strafrechtlichen Verfolgung von inoffiziellen Handlungen zu führen. Beispielsweise tut sich die Mehrheit [meiner Kollegen] schwer mit der Unterscheidung, ob die Rede eines Präsidenten in seiner Eigenschaft als Präsident (Amtshandlung) oder als Kandidat (private Handlung) erfolgt. Stellen Sie sich vor, ein Präsident erklärt in einer offiziellen Rede, er beabsichtige, einen politischen Rivalen an der Verabschiedung eines Gesetzes zu hindern, das er ablehnt, koste es, was es wolle (offizielle Handlung). Dann beauftragt er einen privaten Auftragskiller, diesen politischen Rivalen zu ermorden (inoffizielle Handlung). Nach der Entscheidung der Mehrheit [meiner Kollegen] könnte die Mordanklage nicht einmal eine Anspielung an das öffentliche Eingeständnis des Präsidenten, mit Vorsatz gehandelt zu haben, enthalten, auf die sich der mens rea [subjektive Tatbestand] des Mordes stützen ließe. Dies ist ein seltsames Ergebnis, gelinde gesagt.12
Sie führt das in einer Fußnote weiter aus: »Die Mehrheit [meiner Kollegen] schlägt in einer Fußnote vor, dass ein ›Staatsanwalt auf das öffentlich zugängliche Akten verweisen kann, um zu zeigen, dass der Präsident die Amtshandlung vorgenommen hat‹, solange der Staatsanwalt die Geschworenen nicht ›auffordert, die Handlung in irgendeiner Weise zu überprüfen‹. … Was auch immer dieser Vorschlag bewirken soll, er rettet die Beweisregel der Mehrheit nicht vor seiner Unsinnigkeit.«13
Machen wir uns nichts vor, es gibt hier kein Zurück mehr. Selbst wenn Biden – oder ein demokratischer Ersatz für ihn – im November gewinnen würde, es würde Jahrzehnte dauern und einen Anlass brauchen, um die Entscheidung die Immunitätsentscheidung des Obersten Gerichts wieder aufzuheben. Aber Biden – oder ein demokratischer Ersatz für ihn – wird nicht gewinnen. Und wie es unter Trump weitergeht, das hat der Mann ja nicht nur hundertmal an die Wand gemalt, er liefert jetzt auch noch ein bezeichnendes Beispiel dafür, wenn er die frühere republikanische Abgeordnete Liz Cheney als Landesverräterin bezeichnet und ein im Fernsehen übertragenes Militärtribunal für sie fordert.14 Und nicht nur für Liz Cheney, sondern für alle »Feinde der Demokratie« – will heißen: seine Feinde. Und die Liste ist bereits lang …15
Anmerkungen
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