Wir haben jetzt – bis auf die Biden-Frage – alle Komponenten beisammen für den perfekten Sturm im amerikanischen Wahlherbst: Trump, der unverbesserliche Psychopath, hat seinen – politisch offensichtlich recht gelenkigen – Vize gekürt, der wohl nicht seine erste Wahl gewesen sein dürfte, was die eigentliche Macht hinter dieser Konstellation deutlich machen dürfte: die Tech-Bros aus dem amerikanischen Westen, Thiel und Musk, die hinter den Kulissen die Strippen ziehen. Dazu steht der Fahrplan für die »Übergangsphase« zum autoritären Staat in Form des ominösen Project 2025. Und als ultimatives Instrument zur Umsetzung und Überwachung des Prozesses und aller, die ihm im Wege stehen, sollten wir ein weiteres Element nicht außer acht lassen: Palantir, die Überwachungssoftware, mit der bereits so einige Geheimdienste und Polizeibehörden weltweit operieren.
Wir haben im letzten Kapitel gesehen, dass die Wahl seines Vizes womöglich weniger Trumps eigene Entscheidung war als Ergebnis seiner Einsicht in die Aussicht auf die Goodies, die es ihm einbringen könnte, sich weiterhin mit seinem Gönner Peter Thiel gut zu stellen. Der eher talentfreie J.D. Vance verdankt, wie wir gesehen haben, seine politische Karriere ebenfalls dem schwerstens rechtslastigen Tech-Milliardär. Erinnern wir uns rasch noch mal an die dritte Komponente zur Umsetzung eines autoritären Staats: das Project 2025. Hier ist kleinteilig beschrieben, wie in den ersten 180 Tagen von Trumps zweiter Amtszeit Tausende der obersten Stellen im Staat durch bereits in »Ausbildung« befindliche – sprich indoktrinierte – Untertanen besetzt werden sollen. Hierzu ist auch eine Aussage von Vance vom Mai 2022, also noch vor Erscheinen des Project 2025, interessant, in dem er dieses praktisch vorwegnimmt: »Ich denke, dass Trump 2024 wieder kandidieren wird … Wenn ich ihm einen Rat geben würde, dann diesen: Feuern Sie sämtliche Bürokraten auf mittlerer Ebene, jeden Beamten im Verwaltungsstaat, ersetzen Sie sie durch unsere Leute.«1 Was einem Staatsstreich gleichkäme. »Wir befinden uns in einer Spätphase der Republik … wenn wir sie retten wollen, müssen wir ziemlich wüst zu Werke und in Richtungen gehen, die vielen Konservativen im Moment noch unangenehm sind.«2
Nicht nur beschwor Vance damit das unter der Neuen Rechten weit verbreitete Bild von Amerika als einem Rom, das auf seinen Cäsar wartet, er nahm damit auch das Project 2025 vorweg. In diesem wird auch empfohlen, die Gewaltenteilung dadurch auszuhebeln, dass man das Justizministerium abspeckt und praktisch direkt dem Präsidenten unterstellt. Außerdem spekuliert man auf ein Gesetz, das es dem Präsidenten erlaubt, jeden, aber auch wirklich jeden Staatsdiener auf der Stelle zu feuern. Dass Trump von alledem nichts wissen will, zeigt nur, dass er wie immer lügt; immerhin hat Trumps Sprachrohr Fox News unter Verfassern und Helfern 140 ehemalige Mitarbeiter Trumps ausgemacht. Falls nun jemand meint, es wird ja wohl eine funktionierende Gegenbewegung, wenn nicht gar so etwas wie einen Untergrund geben, dann sollte er sich rasch mal die Diskussion um Palantir, Peter Thiels weltweit genutzte Überwachungssoftware ansehen.
Okay, Palantir bzw. Palantir Technologies ist zunächst mal eine 2003 auf eine Idee von Peter Thiel hin gegründete Software-Firma. Hier braucht es etwas Hintergrund: Thiels erstes Unternehmen war der E‑Commerce-Pionier Paypal. Etwas Hintergrund dazu: »So eindrucksvoll seine Bilanz als Unternehmer sein mag, als Investor und Hinterzimmerdiplomat übt Thiel noch größeren Einfluss aus. Er steht an der Spitze der sogenannten PayPal-Mafia, eines inoffiziellen Netzes aus verflochtenen finanziellen und persönlichen Beziehungen, die bis in die späten 1990er-Jahre zurückreichen. Zu dieser Gruppe zählen Elon Musk sowie die Gründer von YouTube, Yelp und Linkedln. Sie brachten das Kapital für Airbnb, Lyff, Spotify, Stripe, DeepMind – inzwischen besser bekannt als Googles global führendes Projekt für künstliche Intelligenz – und natürlich für Facebook auf.«3 Das Buch, aus dem dieses Zitat stammt, nennt sich nicht umsonst Peter Thiel, Wie der Pate des Silicon Valley die Welt beherrscht. Der Mann finanziert, um das noch mal zusammenzufassen, sowohl Donald Trump als auch seinen neuen Vize J.D. Vance.
PayPal war ein libertäres Unternehmen – Thiels extremste Vorstellungen gingen so weit, dass er darin eine Möglichkeit sah, den Regierungen einseitig die Kontrolle über ihre eigene Geldmenge zu entziehen. Nach dem 11. September war Thiel aber kaum noch als libertär zu bezeichnen, wenn er überhaupt jemals ein Libertärer gewesen war. Die Demokratie, die Einwanderung und auch alle übrigen Formen der Globalisierung beurteilte er zunehmend skeptisch – und er arbeitete damals am Aufbau eines neuen Unternehmens, das seiner veränderten politischen Haltung entsprach.4
Dieses neue Unternehmen war Palantir. Bezeichnenderweise – haben wirklich alle SciFi- und Phantasy-Freaks eine faschistoide Ader? – ist das Unternehmen nach den Palantìri benannt, den sehenden Steinen aus Tolkiens Der Herr der Ringe, mit denen sich über weite Entfernungen kommunizieren und auch sonst noch allerhand sehen lässt. Sie sind nicht an sich gut oder schlecht, ihre Macht entfaltet sich vielmehr unter den Händen derer, die über sie gebieten. Und die Jagd auf Terroristen nach dem 11. September ist zunächst ja mal – da unterscheiden zu wollen würde hier wirklich zu weit führen – eine Sache der Guten.
Aber zunächst noch zum Mitbegründer von Palantir: Alexander Caedmon Karp. Die beiden kannten sich vom Jurastudium in Stanford her. Sie hatten sich als Außenseiter kennengelernt, es »war ihre Menschenverachtung, nicht ihre politische Haltung, die sie zu Freunden werden ließ«5, und sich dann aus den Augen verloren. Karp, hochintelligent, im Gegensatz zu Thiel ein Liberaler, hatte in Frankfurt Philosophie studiert, dort auf deutsch promoviert, dann jedoch eine kleine Erbschaft als Startkapital darauf verwendet, sich als Risikokapitalist neu zu erfinden. Und er hatte mit seiner unkonventionellen Art ein Händchen für Investoren. Und Thiel fand das alles so beeindruckend und nützlich, dass er ihn Projektleiter von Palantir wollte.
Über den eben zurückgetretenen CIA-Direktor George Tenet und John Marlan Poindexter, dem Herrn über die Daten bei DARPA, kamen die beiden unter Berufung auf das Gespenst des 11. Septembers, wenn auch zögerlich, ins Geschäft mit dem Staat. In-Q-Tel, die Risikokapitalfirma der CIA, steckte Geld in den Prototyp von Palantirs Datenkrake »Gotham«.
Um das kurz zu machen: Heute arbeiten die CIA, das FBI und eine Menge anderer Behörden weltweit mit der Software von Palantir, einer Software zur totalen Überwachung sämtlicher Daten, die irgendwann jemand als Datenspur irgendwo hinterlassen hat. Angekreidet wurde dem Unternehmen die Zusammenarbeit mit Trumps Einwanderungs- und Zollbehörde (ICE), weil sie angeblich beim Aufspüren illegaler Einwanderer half.
Von illegalen Einwanderern, die laut Trump das Blut der Nation vergiften, bis hin zum Geschmeiß der Feinde der Demokratie, sprich seiner eigenen Widersacher,Trump wird sie loswerden wollen. Selbst wenn wir bei unseren Spekulationen die langjährige finanzielle Unterstützung des Präsidentengespanns durch Thiel unter den Tisch fallen ließe, wir brauchen ja noch nicht mal groß zu spekulieren. Alexander Karp, CEO von Palantir, hat die Mitwirkung seiner Software bei einer der grenzwertigeren Aktionen der Regierung Trump dieses Jahr in Davos eingestanden.6
Wie Alex Karp in einem Interview in Davos eingestand, spüre sein Unternehmen »in unserem Land Menschen ohne Papiere« auf.7 Jahrelang hatte Palantir jede Mitwirkung bei solchen Operationen mit einem Verweis auf die beiden Komponenten der US-Einwanderungs- und Zollbehörde entweder bestritten oder heruntergespielt: die mit grenzüberschreitenden strafrechtlichen Ermittlungen befasste HSI und die mit der Durchsetzung der Einwanderungsbestimmungen und Abschiebung der Betroffenen befasste ERO. Immer wieder hatte das Unternehmen erklärt, man arbeite nicht für die ERO. Aber selbst wenn sich das tatsächlich trennen ließe, es ist seit 2017 offiziell, dass die ERO Palantirs Software sehr wohl einsetzt und Palantir damit auch an der umstrittenen Familientrennung mitgewirkt hat.8 Es geht hier um Menschenrechtsverletzungen, an denen Palantir seit Jahren aktiv beteiligt ist.9
Das soll hier freilich nur als Beispiel dafür dienen, wie der nächste Präsident sich der Software von Palantir bedienen kann und im Falle von Trump auch bedienen wird. Ein von Trump bestimmtes Heer höherer Staatsbediensteter (denken sie an das Project 2025) könnte in Sekundenschnelle sämtliche Datenspuren einer beliebigen missliebigen Person auf eine Wand von Bildschirmen zaubern – wie man das aus Jason Bourne und anderen Verfolgungsepen kennt. Er braucht sie dann noch nicht mal vor ein »Militär-Tribunal« zu stellen oder von den Navy Seals liquidieren zu lassen, wie er sich das bereits ausgemalt hat, er braucht ihnen nur das Leben zur Hölle machen. Denken Sie an all die »nichtvereidigten Deputys« vom 6. Januar! Was, meinen Sie, könnten da Uniformierte mit offiziellem Auftrag tun! Man stelle sich die Gefährlichkeit dieser Art von Software in den Händen eines autoritären »Herrschers« vor.
Irgendwie scheint diese Nation noch immer nicht aufwachen, scheint sich immer noch daran klammern zu wollen, dass man es mit einem auch nur halbwegs »normalen« Menschen zu tun hat und nicht mit dem empathielosen Psychopathen,10 der der Mann in Wirklichkeit ist. Man sieht das schon daran, dass sich selbst erfahrene politische Kommentatoren von den ersten 20 Minuten seines Gelabers von Einheit und Einigkeit haben einlullen und auf den Leim führen lassen.
Anmerkungen
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