Während selbst einer der Moderatoren Fox News einräumt, langsam nervös zu werden, was den Ausgang der Wahl angeht, kommt es zu weiteren Enthüllungen über Donald Trump, die bei jedem auch nur halbwegs vernünftigen US-Wähler endlich die Alarmglocken auslösen müssten. Wohl nicht gleich beim harten Kern der in der Wolle gefärbten MAGA-Ultras, die Trump schon als ihren Diktator gesehen haben, aber doch zumindest bei denen, die doch noch einen Zacken mehr Amerikaner als MAGA sind. Da wären seine zunehmend schwachsinnigen Absonderungen, zu schweigen von der Unfähigkeit, auch nur eine einzige konkrete Frage zu beantworten; da wären Melanias Äußerungen der letzten Tage; da wäre das Erscheinen eines Buches, das Trumps Image vom erfolgreichen bis genialen Geschäftsmann endgültig entmystifiziert; da wäre das Erscheinen einer Doku über Trumps infamen Krieg gegen Joe Biden mittels der Jagd auf seinen Sohn; und dann wäre da noch Trumps zunehmend öffentlicher Umgang mit bekennenden Nazis. Wer da noch immer zu dem Mann steht, geschweige denn Reklame für ihn macht … Nun, da sollte jeder hierzulande jeder seine eigenen Schlüsse ziehen. Beschäftigen wir uns in diesem Kapitel zunächst mit dem Russland-Faktor bzw. mit dem Vernichtungskrieg gegen Hunter Biden, Sleepy Joes Sohn.
Über Trumps Beziehungen zu und mutmaßliche Abhängigkeit von Russland wurde nicht nur schon viel gemunkelt, sondern auch geschrieben, ganze Bücher sogar. So trägt etwas Craig Ungers American Kompromat den vielsagenden Untertitel »Wie der KGB sich Donald Trump aufbaute und andere Geschichten über Sex, Gier, Macht und Verrat«.1 Auch der Ex-Geheimdienstler Christopher Steele spricht in seinem Dossier über Donald Trump von »Kompromat«, sprich belastendem Material gegen Trump, das ihn erpressbar mache.2 David Cay Johnston, der in seinem Enthüllungsbuch The Big Cheat berichtet, wie Donald Trump und seine Mischpoke sich an Amerika bereichert haben, berichtet von einem privaten Treffen zwischen Kreml-Agenten im Trump Tower mit Paul Manafort, der Trumps Wahlkampfmanager 2016, Donald Trump Jr. und Jared Kushner. Und es gibt noch weitere. »Der Unsinn mit den russischen Connections«, so twitterte Trump mal, sei »nur ein Versuch, die vielen Fehler zu vertuschen, die man bei Hillary Clintons verlorener Kampagne gemacht hat.«
Jetzt jedoch hat man es aus erster Hand. In der Doku From Russia with Lev, produziert von MSNBC-Moderatorin Rachel Maddow, erzählt Lev Parnas, ein russischer Gauner nicht nur von seinen Beziehungen zu seinem Gaunerkollegen Donald Trump, sondern auch von dessen Auftrag, Joe Biden über dessen Sohn Hunter Biden fertigzumachen, indem man sich kriminelle Machenschaften Hunter Bidens mit und in der Ukraine aus den Fingern sog.
Der Produzentin der Doku Rachel Maddow zufolge fing alles damit an, dass Trump 2019/20 auf keinen Fall gegen Joe Biden antreten wollte. Und da hatte er einen halbseidenen Typ in seinem Umfeld, einen eingebürgerten Ukrainer mit Verbindungen zum organisierten Verbrechen. So hätten denn Trump und Giuliani Lev und seinen Spezi Igor Fruman in die Ukraine geschickt, um dort ein Komplott auszuhecken, demzufolge Joe und Hunter Biden in der Ukraine massive Probleme hätten. Das sollte verhindern, dass die Demokraten Biden als Kandidaten nominierten. Die Firma, die Giuliani und seine Kumpane dazu aufzogen, nannten sie kesserweise »Fraud Guarantee« (Betrugsgarantie oder Betrug Garantiert). Man stelle sich vor!
Die »Ukraine-Affäre«. Es handelt sich da eigentlich um eine olle Kamelle, über die seinerzeit auch hierzulande ausführlich berichtet wurde.3 So wäre denn Lev Parnas einer wie The Mooch Scaramucci oder Michael Cohen, die jetzt groß abräumen mit ihren Enthüllungen und Ansichten über ihre Beziehung zu Trump. Ein weiterer hochintelligenter oder einfach nur gewiefter Abstauber also? Der Clou ist aber nun nicht nur Lev Parnas’ Aussage selbst. Der Mann kann alles mit mehreren Terabyte Daten von seinem Telefon und seinem iCloud-Account belegen. Er hat schlicht alles aufgezeichnet! Gemein mit Scaramucci und Cohen hat er, dass ihm das angeblich jetzt alles furchtbar leid tut. Was man sehen kann, wie man will. Tatsache ist, dass er sich bei Hunter Biden persönlich entschuldigt für den erstunkenen und erlogenen Dreck, mit dem man praktisch sein Leben ruiniert hatte, um seinem Vater zu schaden. Trumps Fragen während des diesjährigen Wahlkampfs, wo denn Hunter Biden sei, selbst nachdem Joe Biden längst Kamala Harris Platz gemacht hatte, bekommen da einen entschieden zynischen Unterton.
Wie auch immer, Rachel Maddow hatte Parnas bereits Anfang 2020 auf MSNBC zu seiner Verwicklung in den Trump-Ukraine-Skandal interviewt. Stephanie Grisham, Pressesprecherin des Weißen Hauses, sowie der Pressesprecher von Mike Pence, Marc Short, und ein Sprecher des Justizministeriums betonten, dass Parnas unter Anklage stehe und man ihm daher nicht glauben solle. Trump selbst wiederholte seine Behauptung, er kenne Parnas nicht, und bestritt, von einem wichtigen Brief Giulianis an den ukrainischen Präsidenten gewusst zu haben, in dem Giuliani behauptete, er handele ins einem Namen.
Parnas erzählt in der Doku aus einem Leben. Als Vierjähriger in die USA eingewandert, habe er auf der Straße Geschäfte gemacht, während die anderen in der Schule waren. Über seine Beziehung zu Trump selbst sagt er lachend, sie hätten sich vom Fleck weg verstanden, zwei New Yorker Gauner. Trump sei kein Politiker gewesen, sondern ein New Yorker Gauner wie er. Binnen anderthalb Jahren, so erzählt er, habe er es, der von Politik keine Ahnung hatte, in den inneren Kreis des Präsidenten gebracht. Er sei dem mächtigsten Mann der Welt so nahe gewesen, wie es nur ging. Er sah damals den Beginn einer großen Freundschaft, sah sich aber schwer enttäuscht. Aber es sei schon zum Brüllen gewesen, erinnert er sich, Mafiagrößen und Oligarchen mit all den republikanischen Kongressabgeordneten und Senatoren verkehren zu sehen.
In der Ukraine dann habe man sie einfach machen lassen, keine Leitlinien, keine Aufsicht, nichts. Wie in einem Spionagethriller sei er sich vorgekommen. Hauptsache, sie kamen mit was Kompromittierendem über Joe Biden zurück. Aber obwohl Parnas Trump bestens kannte und eine Schlüsselfigur in dem Komplett war, behauptete Trump, nach dem Mann gefragt, nie von ihm gehört zu haben.
Die Begegnung zwischen Lev Parnas und Hunter Biden so interessant wie aufschlussreich.
Parnas: Sie müssen verstehen, Hunter, dass ich damals, dass ich damals ernsthaft daran geglaubt habe, dass es einen Deep State gibt. Ich habe wirklich geglaubt, dass Sie da irgendwelchen Scheiß vorhatten, aber es ist nie was Kriminelles passiert oder was. Das ist alles. Es waren alles im Grunde nur Anspielungen, Verschwörungstheorien, aber keine tatsächlichen Fakten. Das Verrückte ist, Hunter, das ist mir echt peinlich, ich meine, ich habe damals Ihre Bankunterlagen gekriegt.
Biden: Wie kam der an meine Bankunterlagen? Meine Bankunterlagen sind doch noch mal auf einem Computer.
Parnas: Äh, ich bekam ein Email von John Solomon,4 in dem es hieß, seine Freunde beim FBI hätten sich Ihre Bankunterlagen besorgt. Ich weiß nicht wo, wie, was …
Biden: Also, das FBI hat insgeheim, unter der Trump-Regierung, meine Bankunterlagen eingefordert und bekommen und dann an John Solomon weitergegeben. Dann hat Rudy Giuliani sie … dem Justizministerium zugespielt und so gegen mich eingesetzt.
Parnas: Absolut, John Solomon, er und Hannity und Fox, die hatten da ein ganzes System am Laufen.
Man weiß ja nicht mehr irgendjemand begründen sollte, nichts von Trumps Betrügereien wie seinen halbseidenen bis kriminellen Machenschaften gewusst zu haben. Man weiß nicht, wie man die Psychopathologie und den Charakter des Mannes nicht sehen kann. Insofern wird auch die Ausstrahlung dieser Doku kurz vor der Wahl vermutlich niemanden groß umstimmen. Parnas immerhin kennt den Mann. Schon bei dem oben erwähnten Interview sagte er auf Maddows Frage, warum er sich dazu entschieden habe, mit seinem Wissen an die Öffentlichkeit zu gehen.5 Um das Land vor Präsident Trump und seinen Verbündeten zu schützen, die alle Teil einer großen »Sekte« seien.6
Parnas tue die ganze Geschichte leid, wie er in der Doku sagt. Er habe die Ukraine verraten, er habe Amerika verraten. Dass er und der sympathische Hunter Biden sich bei ihrem Treffen geradezu in die Arme fallen, ist rührend – oder einfach nur völlig verrückt.7
Anmerkungen
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