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Trump-Wör­ter­buch #73: Die Grenze

Kom­men wir nun zu einem The­ma, das neben dem Schwan­ger­schafts­ab­bruch und den hohen Lebens­mit­tel­prei­sen mit das ent­schei­den­de The­ma die­ser Wahl ist. Ich spre­che von der Ein­wan­de­rung, vor allem der unkon­trol­lier­ten ille­ga­len Ein­wan­de­rung in die USA. Eng damit ver­bun­den ist der Zustrom von Dro­gen, allen vor­an das syn­the­ti­sche Opi­at Fen­ta­nyl, und ein, von der Rech­ten unter­stell­ter Anstieg der Kri­mi­na­li­tät. Hier wird es schmerz­haft für all die, die Trumps Lamen­to von der »offe­nen Gren­ze«, von geöff­ne­ten Gefäng­nis­sen »auf der gan­zen Welt«, die ihre Kri­mi­nel­len nach Ame­ri­ka schi­cken, und der Migran­ten-Kri­mi­na­li­tät« und den Fen­ta­nyl-Toten ledig­lich für Panik­ma­che hal­ten. Auch wenn Trump wie immer auch dabei maß­los über­treibt und die ver­öf­fent­lich­ten Zah­len erklä­rungs­be­dürf­tig sind.

Noch im Sep­tem­ber 2024 lie­gen Umfra­gen zufol­ge die Demo­kra­ten hin­ter den Repu­bli­ka­nern, wenn es um die »Grenz­fra­ge« geht.1 Har­ris, die Ende Sep­tem­ber auch in den Swing-Sta­tes ent­we­der die Nase vor­ne oder mit Trump Kopf an Kopf zu lie­gen scheint,2 mag die Lücke mit einem Besuch in Ari­zo­na zu ver­klei­nern ver­su­chen, schlie­ßen wird sie sie nicht.

Als Rück­schlag für sie dürf­te sich die jüngs­te Ver­öf­fent­li­chung von Zah­len der ICE erwei­sen, der Behör­de, die lega­le und ille­ga­le Ein­wan­de­rungs­vor­gän­ge zu über­wa­chen hat. Eben noch belä­chel­ten Demo­kra­ten Trumps hys­te­ri­sche Tira­den über den Zustrom kri­mi­nel­ler Migran­ten, da sehen sie sich mit offi­zi­el­len Zah­len einer ihrer eige­nen Behör­den kon­fron­tiert, wie immer die im Ein­zel­nen zu inter­pre­tie­ren sein mögen, was ein­mal mehr auf Fein­hei­ten hin­aus­läuft, die den Wäh­ler nicht inter­es­sie­ren. Die Zah­len jeden­falls sehen fol­gen­der­ma­ßen aus:

Laut ICE wur­den unter den Ein­wan­de­rern über 13.000 ver­ur­teil­te Mör­der fest­ge­nom­men und in die Ver­ei­nig­ten Staa­ten ent­las­sen. ICE ver­folgt der­zeit 425.000 Migran­ten, die straf­recht­lich ver­ur­teilt sind, sich aber nicht in Gewahr­sam des Bun­des befin­den. Dar­über hin­aus gibt es 222.000 Migran­ten, gegen die, wie aus den Daten her­vor­geht, ein Straf­ver­fah­ren anhän­gig ist. Unter den in die USA ent­las­se­nen Migran­ten sind 13.099 ver­ur­teil­te Mör­der, 1845 wei­te­re sind wegen Mor­des ange­klagt. Fast 15.845 Migran­ten sind ver­ur­teil­te Sexu­al­straf­tä­ter, bei wei­te­ren 4.250 ist eine Ankla­ge wegen sexu­el­ler Nöti­gung anhän­gig.3

Die Zah­len stam­men aus der Lis­te nicht in Gewahr­sam des ICE befind­li­cher Migran­ten, also Men­schen, die von Grenz­be­am­ten auf­ge­grif­fen, aber nicht fest­ge­hal­ten wur­den. Die Ver­ur­tei­lun­gen rei­chen dar­über hin­aus von Dro­gen­be­sitz über Ent­füh­rung und Kör­per­ver­let­zung bis hin zum Ein­bruch. Aber wohl­ge­merkt auch Ver­kehrs­de­lik­te und ähn­li­che, die nicht unter Straf­sa­chen fallen. 

Der stell­ver­tre­ten­de Direk­tor der ICE, der die Zah­len auf eine Anfra­ge von Sena­tor Tony Gon­za­les her­aus­ge­ge­ben hat, spricht von mehr als sie­ben Mil­lio­nen Migran­ten, die das ICE gelis­tet, aber nicht in Gewahr­sam hat. 647.000 von ihnen sind ver­ur­teilt oder haben ein ein­schlä­gi­ges Ver­fah­ren anhängig.

Der stell­ver­tre­ten­de ICE-Direk­tor Patrick Lech­leit­ner räumt die Besorg­nis der zustän­di­gen Behör­den eini­ger Coun­tys dar­über ein, dass eine Zusam­men­ar­beit mit sei­ner Behör­de das Ver­trau­en bei Ein­wan­de­rer-Gemein­schaf­ten unter­gra­ben könn­te, was ört­li­chen Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den den Dienst an die­sen Bevöl­ke­rungs­grup­pen erschwe­re. »Eine sol­che Poli­tik kann jedoch auch dazu füh­ren, dass man gefähr­li­che Kri­mi­nel­le abschirmt, die nicht sel­ten eben die­se Gemein­schaf­ten schi­ka­nie­ren.«4

Kurz gesagt, es lau­fen Hun­dert­tau­sen­de von ein­ge­wan­der­ten Straf­tä­tern frei her­um: ca. 425.000 ver­ur­teil­te und ca. 222.000, bei denen ein Ver­fah­ren anhän­gig ist. Das ist ein Schlag ins Kon­tor für die Demo­kra­ten, der sofort dazu geführt hat, dass man Trump, der damit auf den ers­ten Blick Recht behal­ten hat, auch bei allen ande­ren sei­ner Behaup­tun­gen Recht gibt. 

Har­ris fiel dazu nicht viel mehr ein als noch ein­mal dar­auf hin­zu­wei­sen, dass »Prä­si­dent Biden und ich das schärfs­te und fairs­te Bün­del über­par­tei­li­cher Refor­men zur Grenz­si­cher­heit seit Jahr­zehn­ten ein­ge­bracht haben … Die Repu­bli­ka­ner im Kon­gress haben dage­gen gestimmt – zwei­mal.«5 Wor­auf sich wie­der sagen lie­ße, dass sie selbst zu den Sena­to­ren gehör­te, die 2018 Trumps Antrag auf ein Depor­ta­ti­ons­bud­get abschos­sen. Sie­he dazu das Schrei­ben an den Rechts­aus­schuss des Senats, in dem Sena­to­ren die Bedro­hung her­vor­he­ben, »die sol­che Maß­nah­men, ein­schließ­lich einer Auf­sto­ckung der Grenz­pa­trouil­len- und ICE-Agen­ten, der Haft­bet­ten und der Finan­zie­rung der Mau­er, für die Drea­mers dar­stel­len, die von der will­kür­li­chen Ent­schei­dung der Regie­rung, DACA zu been­den, bedroht sind«.6 Dass Depor­ta­ti­ons­la­ger oder das Aus­ein­an­der­rei­ßen von Fami­li­en und eine stren­ge­re Zuwan­de­rungs­kon­trol­le zwei ver­schie­de­ne Paar Stie­fel sind, wird wie­der­um nie­man­den inter­es­sie­ren. Har­ris hat in die­ser Bezug defi­ni­tiv eine Ent­wick­lung hin­ter sich, for­der­te aber 2020 »einen Weg zur Staats­bür­ger­schaft für Emp­fän­ger des Pro­gramms Defer­red Action on Child­hood Arri­vals«, sprich allei­ne ankom­men­de Kin­der soll­ten nicht ein­fach wie­der abge­scho­ben wer­den, und unter­stütz­te einen Ent­wurf der Demo­kra­ten, dem­zu­fol­ge »die Zusam­men­füh­rung von getrenn­ten Ein­wan­de­rer­fa­mi­li­en zu beschleu­ni­gen und huma­ne Alter­na­ti­ven für asyl­su­chen­de Ein­wan­de­rer­fa­mi­li­en zu för­dern« sei­en.7

Um den Schlag etwas abzu­fe­dern, bleibt einem nur, die Zah­len etwas genau­er anzu­se­hen. Das Ers­te, was man dabei erfährt ist, dass die­se Zah­len zwar vom Juli 2024 sind, aber leicht falsch inter­pre­tiert wer­den kön­nen, wenn man sie nicht ana­ly­siert. So erklär­te ein Spre­cher des Minis­te­ri­ums für Inne­re Sicher­heit, die an Sena­tor Gon­za­les über­mit­tel­ten Daten reich­ten über vier Jahr­zehn­te zurück, gehen also lan­ge über die Amts­zeit Bidens hin­aus. Neh­men wir die auf den ers­ten Blick erschre­cken­de Zahl von 13.000 »ein­ge­wan­der­ten« Mör­dern her­aus. Es sei unmög­lich zu sagen, wann der ers­te von ihnen in die USA gekom­men sei. Zwei Beam­te der Behör­de sag­ten gegen­über NBC News, vie­le der nicht in ICE-Gewahr­sam befind­li­chen Migran­ten auf der Lis­te sei­en unter frü­he­ren Regie­run­gen ins Land gekom­men, auch der von Prä­si­dent Trump. Die Grö­ße die­ser Grup­pe habe aber in den letz­ten Jah­ren zuge­nom­men.8

Die betref­fen­den Per­so­nen befän­den sich der­zeit nicht in Gewahr­sam des ICE, weil sie ent­we­der nicht zu der Grup­pe gehö­ren, die vor­ran­gig in Gewahr­sam zu neh­men sei­en, oder weil sie ihrer Straf­ta­ten wegen irgend­wo im Gefäng­nis sit­zen. Ande­re wie­der­um sei­en tat­säch­lich nicht auf­zu­fin­den. Wie vie­le tat­säch­lich ein­sit­zen, lie­ße sich nicht sagen, da die Daten der staat­li­chen und ört­li­chen Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den für das ICE nicht immer zugäng­lich sei­en.9

Eini­ge Zah­len dazu von unter­schied­li­chen Behör­den: 2016 hät­ten sich 368.000 Ein­wan­de­rer mit Vor­stra­fen nicht in ICE-Gewahr­sam befun­den; am 5. Juni 2021, also knapp fünf Mona­te nach Trumps Amts­an­tritt, hat­te das ICE 405.786 ver­ur­teil­te kri­mi­nel­le Ein­wan­de­rer auf der Lis­te der nicht-in-Gewahr­sam-befind­li­chen Per­so­nen, und im Juli 2024 waren, wie bereits gesagt, 435.719 vom ICE erfass­te ver­ur­teil­te kri­mi­nel­le Ein­wan­de­rer nicht in des­sen Gewahr­sam.10

Ob die­se Leu­te nun irgend­wo in den Staa­ten ein­sit­zen oder frei her­um­lau­fen, sol­che Fein­hei­ten inter­es­sie­ren in die­sem Kon­text nicht wirk­lich. Dass die Zah­len gera­de jetzt, so unmit­tel­bar vor der Wahl her­aus­ge­ge­ben wer­den, gibt eben­falls zu den­ken. Das Wei­ße Haus jeden­falls erklär­te sich über­rascht. Ein Kom­men­tar dazu steht Ende Sep­tem­ber noch aus. Trump jeden­falls kann den Fake-News eine Nase dre­hen und end­lich sagen: »Ich hab’s euch doch gesagt! Da lau­fen hart­ge­sot­te­ne, bös­ar­ti­ge Kri­mi­nel­le in unse­rem Land her­um.«11

Anmer­kun­gen

  1. Dan Goo­ding , Bill­al Rah­man and Kait­lin Lewis, »Har­ris Aims to Clo­se Immi­gra­ti­on Pol­ling Gap With Visit to Dou­glas, Ari­zo­na«. News­week, Sep 27, 2024. ↩︎
  2. Lily Boy­ce and June Kim, »Har­ris and Trump Are Neck and Neck in Michi­gan and Wis­con­sin, Polls Find«, The New York Times/Siena Col­lege Poll, Sept. 21 to 26. ↩︎
  3. Karah Rucker and Jake Mas­lo, »ICE con­firms hundreds of thou­sands of migrant cri­mi­nal con­vic­tions«. Straight Arrow News, Sept, 2024. Das Doku­ment mit den Zah­len fin­den Sie hier. ↩︎
  4. Ebda. ↩︎
  5. Joe Edwards, »ICE Releases Dam­ning Bor­der Report Amid Kama­la Har­ris Visit«. News­week, Sep 28, 2024. ↩︎
  6. »Sena­tors Demand Rejec­tion of Trump’s Depor­ta­ti­on Force Bud­get Request«. U.S. Sena­te Com­mit­tee on the Judidcia­ry, 04.27.2018. ↩︎
  7. Rafi Schwartz, »What did Kama­la Har­ris accom­plish as a Cali­for­nia sena­tor and att­or­ney gene­ral?«. The Week US, 14 August 2024. ↩︎
  8. Julia Ains­ley, Lau­ra Strick­ler and Gabe Gut­ier­rez, »More than 13,000 immi­grants con­vic­ted of homic­i­de are living out­side immi­gra­ti­on detenti­on in the U.S., ICE says«. NBC News, Sept. 28, 2024. ↩︎
  9. Ebda. ↩︎
  10. Ebda. ↩︎
  11. Will Weis­sert and Jona­than J. Coo­per, »Har­ris deli­vers cam­paign remarks in Ari­zo­na after visit to bor­der«. PBS, Sep 27, 2024. ↩︎
SlangGuy

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