So dachte ich mir neulich, schau doch mal, wie Wollschläger im Ulysses „biff him one“ übersetzt. Nun, sein „hau ihm in die Fresse“ wäre mir persönlich als adäquate Lösung einige Nummern zu derb, ist aber unterm Strich durchaus in Ordnung, der Satz davor allerdings ist, wie ich feststellen muss, völlig falsch übersetzt: „He doesn’t half want a thick ear, the blighter. Biff him one, Harry.“ Daraus macht Wollschläger: „Was wollt ihr dem noch lange die Hucke vollquatschen, dem Widerling! Hau ihm in die Fresse, Harry!“
Hier missversteht der Übersetzer das „geschwollene Ohr“ als durch Reden herbeigeführt, aber ein „thick ear“ bekommt man im Englischen ausschließlich von einem Schlag; das ist ein festes Bild, meist als familiäre Androhung einer Ohrfeige: „Behave yourself or I’ll give you a thick ear!” „If he got hold of you he would give you a thick ear, then tell you to get home.”
Aber das Missverständnis fängt ganz wo anders an, nämlich damit dass der Übersetzer die Wendung „not half“ nicht kennt. Bei „not half“ unterschlägt er das alles entscheidende „half“ und kehrt das Idiom damit ins Gegenteil; es bedeutet eben nicht „nicht“, sondern „in hohem Maße“: „Holy bananas, it’s not half hot today! Time to dig out the big fan I think.” (ist das heiß heute!) “You don’t look half different.” (Du hast dich ja ganz schön verändert.) “She didn’t half swear.” (Was hat die geflucht.) usw. Während der Übersetzer den Satz also so interpretiert, dass Harry dem Mann “kein dickes Ohr quatschen” solle, ist dem Mann bei Joyce nach “einem Satz heißer Ohren”, nach einer “dicken Lippe”, wenn man’s freier angehen will. Natürlich sollte man in diesem Fall in der deutschen Sprache zurückgehen, aber darum geht es hier nicht.
Ich will auf etwas anderes hinaus. Es handelt sich hier um ganz alltägliche Idioms. Kein Muttersprachler würde hier etwas missverstehen. Ich muss da, gerade weil es um Joyce geht, an einen anderen Kollegen denken, Dieter E. Zimmer, der sich seinerzeit im Zuge der leidigen Lemprière-Debatte eine so arge Blöße gegeben hat, als er sich mit der Bedeutung von “to stop in one’s tracks” vergaloppierte und dann, darauf aufmerksam gemacht, mit kulturpäpstlichem Starrsinn in die Vollen ging mit der Retourkutsche, das käme doch wohl auf den Zusammenhang an. Aber „to stop in one’s tracks“ heißt nun mal nichts weiter als „stehen bleiben“, nicht „hinter jemandem stehenbleiben“, in keinem Kontext der Welt. Auch dieses Idiom ist Alltagsenglisch. Und “blighter” mit “Widerling” zu übersetzen, ist mehr als fragwürdig, spielt aber angesichts der anderen Fehler längst keine Rolle mehr.
Man findet das immer wieder bei Übersetzungen großer Autoren: den Leuten, die diese Aufträge bekommen (natürlich wurmt es mich, dass ich sie nicht bekomme, keine Frage), fehlt es viel zu oft am Nötigsten, am sprachlichen Alltag, an der Umgangssprache, am sprachlichen Drill. Es genügt eben nicht, selbst Autor zu sein. Oder Journalist. Und irgendwann mal Englisch gelernt zu haben. Und nicht selten ist dabei eine ebenso gehörige wie nun einmal fatale Portion Überheblichkeit gegenüber den sprachlichen Niederungen mit im Spiel. Selbst wenn man den Ulysses auf der anderen Seite als großes Werk des Alltags feiert.1 Man kann das eine nicht ohne das andere sehen.
Literatur hin oder her, Übersetzen ist in erster Linie ein Handwerk, und als Handwerker muss man eben erst mal einen Hammer von einem Nagel unterscheiden und letzteren richtig einschlagen lernen, bevor man auch nur daran denken kann, sich zum Kunsthandwerker erklären zu wollen. Anders gesagt: Wie sollte man einen Text auf der „literarischen“ Ebene goutieren und damit adäquat übersetzen können, wenn man schlicht nicht weiß bzw. nicht spürt, was da steht? Statt sich auf hochliterarischen Veranstaltungen gegenseitig Zucker in den Arsch zu blasen, sollten Übersetzer sich erst mal einen laufenden Meter Idiomatiken vornehmen und den Fernseher einschalten, ein paar Tausend Episoden ganz banaler englischer Sitcoms anschauen. It Ain’t Half Hot Mum wäre kein schlechter Anfang. Gerade für Joyce…
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