Wer zum Gei­er war Larry?

Ich erin­ne­re mich noch, dass wir an der Schu­le Ende der 60er, Anfang der 70er Jah­re den Spruch hat­ten, jemand sol­le hier »nicht den Lar­ry machen«. Bis heu­te war der Spruch in allen Jahr­zehn­ten zu hören. Und sei­ne Beliebt­heit scheint eher zuge­nom­men zu haben als ab. Zumal er mitt­ler­wei­le meh­re­re Bedeu­tun­gen hat. Aber wer war die­ser sagen­haf­te Lar­ry? Dum­mer­wei­se hat­ten wir  damals was Bes­se­res zu tun, als dem Ursprung dum­mer Sprü­che nachzugehen…

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Wie bei allen Wen­dun­gen, die aus irgend­ei­nem Grund attrak­tiv, aber in ihrer Bedeu­tung unklar sind, tritt sich die ursprüng­li­che Bedeu­tung, wie immer sie gelau­tet haben mag, ziem­lich rasch breit. Oft bis ins Gegen­teil. Man den­ke an eine Wen­dung wie etwas »passt wie die Faust aufs Auge«. Das ist hier noch nicht mal der Fall. Den­noch haben wir eine gan­ze Band­brei­te von Nuan­cen: Ob heu­te nun einer »den Lar­ry macht«, »einen auf Lar­ry macht« oder »den Lar­ry raus­hän­gen lässt« oder das alles mit »Lär­ri« oder »Ler­ryn« durch­spielt, es bedeu­tet ent­we­der, dass er

a) Spaß macht, her­um­al­bert, abspackt, eine Show abzieht
oder
b) angibt, auf den Putz haut, eine dicke Lip­pe riskiert
oder
c) dass er sich aus­nut­zen oder schi­ka­nie­ren lässt
oder
d) sich dicke tut, sich wich­tig macht, sich aufspielt
oder
e) sich unnö­tig echauf­fiert, sich anscheißt, sich einen Fleck ins Hemd macht
oder
f) Ran­da­le, Bam­bu­le bzw. Putz macht im Sin­ne des alten Rockerspruchs.

Nicht dass die oben ange­führ­ten Vari­an­ten auf alle Nuan­cen passen.

Jeman­den »zum Lar­ry machen« bezieht sich auf c) und bedeu­tet, dass man jeman­den aus­nutzt.

Das nütz­li­che Rhei­ni­sche Mit­mach-Wör­ter­buch weiß auch noch, dass man unter ande­rem einen »gro­ßen« oder »dicken Lar­ry« machen kann – und nennt schließ­lich als wei­te­re Bedeu­tung sexu­el­le Akti­vi­tä­ten nicht näher bestimm­ter Art.

Wenn man sich nun auf die Suche macht, woher der Spruch kommt, steht man lei­der schnell auf dem Schlauch. Der Duden lässt uns im Stich, erstaun­li­cher­wei­se auch der famo­se alte Küp­per, auf den man in sol­chen Fäl­len ja sonst so oft zäh­len kann. Die klei­ne­ren Samm­lun­gen, die seit der letz­ten Aus­ga­be des Küp­per erschie­nen sind, kön­nen bes­ten­falls spe­ku­lie­ren. Der Ver­such, die Wen­dung auf »Lei­su­re Suit Lar­ry Laf­fer« zurück­zu­füh­ren, ist zwar gut gedacht, aber selbst die­ser Klas­si­ker der Com­pu­ter­spie­le aus dem Jah­re 1987 kam fast 20 Jah­re, nach­dem ich den Spruch zum ers­ten Mal gehört habe. Was nicht heißt, dass sein Auf­tau­chen der Wen­dung nicht zu neu­em Auf­trieb ver­hol­fen haben konn­te; der­glei­chen kommt in Wort­ge­schich­ten nicht sel­ten vor. Trotz­dem Lar­ry Laf­fer schei­det (etymo)logischerweise aus. 

»Ler­ryn«, Künst­ler­na­me von Jörg-Diet­her Dehm-Desoi, unter ande­rem Lie­der­ma­cher, der sei­nen Spitz­na­men »Lar­ry« mit »Lenin« kom­bi­nier­te, käme da von der Zeit her eher hin. Immer­hin begann er sei­ne Lauf­bahn in den 1960er-Jah­ren. Wie der Zusam­men­hang aus­se­hen soll­te, ist frei­lich alles ande­re als klar.

Eine wei­te­re Mög­lich­keit wäre der Import aus dem Eng­li­schen; was heu­te zur ner­vi­gen Seu­che gewor­den ist, gab es natür­lich auch damals bereits, wenn auch in weit ver­nünf­ti­ge­rem & damit auch ertäg­li­che­rem Maß.

Inter­es­san­ter­wei­se ist »Lar­ry« im Eng­li­schen näm­lich eben­falls nega­tiv kon­no­tiert. Die Bedeu­tung »Trot­tel« gab es bereits damals, und in der Spra­che der Unter­welt bezeich­ne­te »lar­ry« schon seit Ende des 19. Jhs. die Fines­se eines Gau­ners oder direkt eine Fin­te oder einen Betrug. Unter Schau­stel­lern waren »lar­rys« min­der­wer­ti­ge oder gar kaput­te Waren, die sie auf Jahr­märk­ten feil­bo­ten. Das Adjek­tiv »lar­ry« steht bis heu­te für »min­der­wer­tig«, »luschig« bis »faul«.

Aber um die gan­ze Geschich­te voll­ends zu kom­pli­zie­ren: Das Eng­li­sche kennt die Wen­dung »hap­py as Lar­ry«, die heu­te – des­halb die­ser klei­ne Nach­trag aus dem Febru­ar 2019 – noch so popu­lär ist wie 1905, das Jahr, für das das all­wis­sen­de Oxford Eng­lish Dic­tion­a­ry den ers­ten schrift­li­chen Beleg nennt:

1905   T. Coll­ins in Bar­ri­er Truth (Bro­ken Hill, New South Wales) 29 Dec. 1   Now that the adven­ture was dra­wing to an end, I found a peace of mind that all the old fogies on the river could­n’t dis­turb. I was as hap­py as Lar­ry.

Wir wür­den das mit wunsch­los oder rund­um glück­lich und zufrie­den über­set­zen. Ich habe die Wen­dung erst am Mon­tag, den 18. Febru­ar 2019 wie­der auf BBC4 Extra in der Sen­dung The News Quiz Extra1 aus dem Mun­de der schot­ti­schen Stan­dup-Komi­ke­rin Sus­an Cal­man2 gehört. Was mich denn auch zu die­sem Nach­trag ver­an­lasst hat.

Apro­pos all­wis­send: Auch das OED weiß nicht, wer der gute Lar­ry war.

Aber natür­lich stellt sich hier nun mehr denn je die Fra­ge, wie Lar­ry — aus­ge­rech­net in den 60er-Jah­ren? — nach Deutsch­land gekom­men sein könn­te. Ob es wohl irgend­wo da drau­ßen jeman­den gibt, der sich an die 60er-Jah­re erin­nert. Und an den Spruch?

  1. Series 25, Epi­so­de 7 []
  2. https://en.wikipedia.org/wiki/Susan_Calman []
SlangGuy

Übersetzer & Wörterbuchmacher

View Comments

  • moin,
    larry bezieht sich wahrscheinlich auf laurentius von rom. er scherzte noch fröhlich während er gefoltert wurde.
    viele grüsse,
    larry

    • Hi Larry,
      dank dir für den Hinweis; den Knaben werd ich mir mal zur Brust nehmen müssen; interessanterweise ist der ja im Englischen »St. Lawrence« und der britische Autor & Abenteurer »Lawrence of Arabia« (Film gucken!) ist nach diversen Folterungen in der arabischen Welt, so heißt es, auf den Geschmack gekommen und hat sich auch nach seiner Rückkehr in good old England hier & da mal wieder mal gaudihalber auspeitschen lassen ... aber schau demnächst mal wieder vorbei, ich werd – dank dir! – mal meine letzten Erkenntnisse nachtragen ... Cheers!

  • moin,
    hier nochmal eine anmerkung zu laurentius von rom. als er auf einem glühenden rost zu tode gefoltert wurde blieb er COOL und sagte, seine letzten worte an den kaiser gerichtet: das feuer ist mir eine KÜHLE, für euch aber ist es eine ewige pein.
    das larry auch minderwertig heisst, könnte daher stammen, dass er bettler, krüppel, witwen und waisen als den wahren schatz der kirche bezeichnet hat.
    findet man bei wikipedia.
    beste grüsse,
    larry

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