Transparency International ist eine Organisation, die sich den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen geschrieben hat. Weltweit. Ihr Gründer ist Peter Eigen,2 ein deutscher Jurist, der unter anderem als Weltbank-Manager in Westafrika tätig war. In dieser Eigenschaft erlebte er aus erster Hand, welchen Schaden Korruption anrichtet, in der dritten wie überall sonst auf der Welt. Ich habe während der Übersetzung eine ungemeine Bewunderung entwickelt für diesen Mann. In einem der zahlreichen Fallbeispiele verschiedener Autoren ging es um Russland. Es wird darin ziemlich anschaulich geschildert, wie korrupte Machenschaften den industriellen Mittelstand enteignet haben. Nicht zuletzt sind das die Machenschaften, die zu den Milliardenvermögen geführt haben, die laut Putin heute in Deutschland bzw. Europa nach Anlagemöglichkeiten verlangen.3
Was mich an das Buch bzw. diesen Artikel erinnert hat, ist folgende Passage in einem Leitartikel des britischen Guardian:
WikiLeaks mag sich hier und da im Urteil darüber vergaloppiert haben, wo genau bei der Veröffentlichung von Kriegstagebüchern und Depeschen die Grenze zu ziehen ist, aber alles in allem sind die Vorhersagen der Panikmacher über den Einbruch des Himmels nicht eingetroffen. Man wirft Herrn Assange eine harte antiamerikanische Haltung vor. Dabei veröffentlicht er seit einigen Jahren dekuvrierendes Material über korrupte, repressive Regierungen überall auf der Welt, ein Unterfangen, mit dem er eher allein auf weiter Flut stand, obwohl sich dieses in seinen Intentionen gar nicht so sehr von Organisationen wie Transparency International unterscheidet, die sich der großzügigen Unterstützung der USA erfreut.
Auch Larry Kings Interview mit dem russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin hatte mich an den Russland-Artikel im Jahrbuch Korruption 2005 erinnert. Das Interview bezog seine Spannung ja nicht aus dem Umstand, dass Putin Schadensbegrenzung hinsichtlich der bei WikiLeaks durchgesickerten Depeschen betreiben wollte; man hat ja irgendwie darauf gewartet, dass King den Mann nach dem russischen »Mafia-Staat« befragt und vielleicht sogar, wie viele Schäfchen er selbst so ins Trockene gebracht hat. Eine albern-naive Erwartung, sicher. Aber Larry King hört ja ohnehin auf. Warum nicht noch eine Bombe? Weil der Mann ein Vollprofi ist, klar… Und Putin, der es doch nun wirklich nicht nötig hat, bedankte sich ja denn auch dicke dafür:
KING: Herr Premierminister, ich bedanke mich vielmals. Ich freue mich darauf, Sie bald auf russischer Erde zu sehen.
PUTIN: Larry, Sie sind eingeladen. Ich erwarte Sie hier in Moskau. Sie haben Moskau bislang nie besucht, und ich bin sicher, es wird Ihnen gefallen.
KING: Vielen Dank, Herr Premierminsiter.
PUTIN Kann ich Sie noch etwas fragen?
KING: Sicher.
PUTIN Ich weiß nicht warum, aber der König verlässt die amerikanische Bühne. Also –
KING: Manchmal weiß ich selbst nicht warum.
PUTIN Es gibt auf der amerikanischen Bühne und in den amerikanischen Massenmedien viele talentierte und interessante Leute, aber trotzdem gibt es dort nur einen King. Ich frage nicht, warum er abtritt. Aber trotzdem, was meinen Sie, wann werden wir wieder mit Recht ausrufen können, ›Lang lebe der König.‹ ? Wann wird es wieder einen Mann geben, der weltweit so beliebt ist, wie sie es nun einmal sind?
Vom mächtigsten Mann Russland Rotz um die Backe geschmiert zu bekommen! Das ist schon was; ich denke mal, danach kann man beruhigt in den Ruhestand treten, King oder nicht. Trotzdem verdankt er das Kompliment wohl seinem diplomatischen Geschick, zu dem ja wohl auch gehört, gewisse Gedanken – und seien sie noch so offensichtlich – für sich zu behalten. Nicht zuletzt ja auch ein grundsätzliches Problem der Veröffentlichungen auf WikiLeaks. Wie auch der Gedanke, der sich nach diesem Interview aufdrängt: Führt die massenhafte Aufdeckung politischer Lügen bzw. gar Korruption zur weiteren Gewöhnung daran wie im Falle der Veröffentlichung von Sextapes internationaler Stars? Braucht man dann in Fällen, die einen früher erledigt hätten, nur kalt lächelnd dazu zu stehen? Und ist danach populärer denn je zuvor. Die Italiener belegen dies ja womöglich jetzt schon mit ihrem Chef. Noch möchte ich glauben, bei uns würden derlei Vermutungen über das Staatsoberhaupt zu, tja, etwas – irgenwas – führen…
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