… and moo­re may we not axe

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In dem Rap­track »Shakey Dog« sagt Ghost­face Kil­lah: »Frank snat­ched his gat, slap­ped him, axed him: ›Where’s the cash, coke and the crack?‹« Ghost­face Kil­lah, mit dem Rap-Kol­lek­tiv Wu-Tang Clan groß gewor­den, kommt aus Sta­ten Island, New York. Was mir mit als ers­tes auf­fiel, als ich schwarz­ame­ri­ka­ni­sches Eng­lisch zu ver­ste­hen begann, war die­se Ver­wen­dung von »to axe« für »to ask« neu für mich; ich hielt sie für einen Scherz. Und damit für Slang. Ist dem wirk­lich so?

Je mehr Eng­lisch ich ver­stand, des­to öfter begeg­ne­te mir die Ver­wen­dung der »Axt« für »fra­gen«, denn so hat­te ich das anfäng­lich auf­ge­fasst, auch anders­wo. Wenn Ray Baro­ne ali­as Ray­mond in der ame­ri­ka­ni­schen Sit­com Ever­y­bo­dy Loves Ray­mond1 etwas wis­sen woll­te, dann sag­te er in der Regel so was wie: »Let me axe you some­thing.« Und wenn er dar­auf bestand, jeman­den gefragt zu haben, mein­te er: »I did axe him!« Ray wohn­te in Long Island, einem Stadt­teil von New York. Um die Jahr­tau­send­wen­de. Und in Rudyard Kiplings Geschich­te »The Record of Bad­a­lia Herods­foot« sieht sich jemand in den Slums des Lon­do­ner East End »What’s the good o’ that, I arx you?« gefragt. Das war im letz­ten Quar­tal des 19. Jhs.

Da ist jetzt mal ein schlap­pes Jahr­hun­dert dazwi­schen. Und zwei Jahr­zehn­te davon weiß ich nun min­des­tens, dass »axe« kein Scherz, son­dern als Dia­lekt­va­ri­an­te von »ask« in Ver­wen­dung ist. Ich hielt den Fall damit für erle­digt; das Wort hat mich damit nicht mehr inter­es­siert. Gestutzt habe ich erst vor eini­ger Zeit wie­der, als ich aus dem einen oder ande­ren Grund öfter mal bei Wyclif2 zugan­ge war. Und da hieß es dann:

And, for ech man schul­de wyte þat he haþ ful hope in God, þer­fo­re in þe þrid­de word we preie to God of his mer­sy as we hopen in him, and moo­re may we not axe.3

Das ließ mich wie gesagt zwei­mal hin­schau­en. »Axe« für »fra­gen«. Ein Druck­feh­ler? Ich hak­te nach.4

when­ne þe disci­ples axe­de Crist how þey schol­de praye5
and Crist axe­de hem, why þey bre­ke Codes hes­tes for here feyne­de lawes.6
and for þis hope we axen to be not schent wiþou­ten een­de.7

Das ist schon sehr inter­es­sant. Wyclif, soviel ist noch im Kopf, schrieb »Midd­le Eng­lish« wie auch Chau­cer. Pro­bie­ren wir doch mal May­hew & Skeats Con­cise Dic­tion­a­ry of Midd­le Eng­lish:8

Axen, v. to ask, S, S2, S3, C2, C3, W, W2; axien, S2; see Asken.

fin­den wir hier – und unter asken heißt es bei dem Gespann von Hochwürden:

Asken, v. to ask, S, S2; eski­en, MD; aschen, MD; eschen, MD; esse, MD, S2; ocsi­en, MD; acsi­en, MD, S2; axien, MD, S2; axen, S, S2, S3, C2, C3, W, W2; esca­de, pt. s., S; eas­ke­de, S; hax­de, S; ess­te, S2.– AS. ásci­an: OHG. eiscón (Otfrid); cp. G. hei­schen.9

Man muss das jetzt beim bes­ten Wil­len nicht alles aus’nanderklamüsieren. Tat­sa­che ist, dass wir mit ásci­an einen ger­ma­ni­schen Vor­fah­ren haben und eini­ge Ände­run­gen bei den Voka­len im Ein­klang mit einer alt­eng­li­schen Lautum­stel­lung10 zu gleich meh­re­ren par­al­le­len For­men im Mit­tel­eng­li­schen führ­te: ōx, ax, ex, ask, esk, ash, esh, ass, ess.11 Die For­men acsi­an bzw. axi­an über­leb­ten als ax, das bis 1600 die lite­ra­ri­sche Form des Wor­tes blieb.12

Für die, die jetzt noch nicht weg­ge­nickt sind, gehen wir lang­sam wie­der zurück in die Neu­zeit. »Ask« ersetz­te »ax« im Stan­dard schließ­lich, aber letz­te­re Form hielt sich in den Dia­lek­ten letzt­lich bis heu­te, viel­fach auch als »asse« mit dem Past Ten­se »ast«, das man in Fil­men auch zuwei­len noch hört.

Wenn wir heu­te in Eng­land Bling­lish plap­pern­des Jung­volk »aks« für »ask« sagen hören, dann weil es als schick gilt. Der Witz dabei ist, dass sie das weni­ger aus den Dia­lek­ten der Insel über­nom­men haben als von den Schwar­zen aus der Kari­bik, wo »aks« sogar bei vie­len gebil­de­ten Spre­chern als die nor­ma­le Form für »ask« gilt.

Im schwarz­ame­ri­ka­ni­schen Dia­lekt und damit in Rap­songs ist »axe« wie ein­gangs erwähnt immer wie­der zu hören. Aber auch in Aus­tra­li­en fin­det sich »aks« bei den »Bogans«, einer Spe­zi­es, die man bei uns als Asla­ken, Assis oder Asos – von mir auch als Red­necks oder White bzw. Trai­ler Trash – bezeich­nen wür­de. Das Iri­sche, wo wir schon  gro­ße Sprün­ge machen, kennt die Form eben­falls: »Axe me arse!« sagt man auf der grü­nen Insel der­be, wenn einem einer auf den Geist geht. Es ist prak­tisch syn­onym zu »Fuck off!«

Ein Scherz ist »axe« für also eher indi­rekt, weil es eben durch den Anklang an die »Axt« wit­zig klingt; aber ansons­ten ist das Wort älter als prak­tisch die meis­ten ande­ren eng­li­schen Wör­ter – und trotz­dem Blin­kib­ling! Und damit ist das alte Dia­lekt­wört­chen denn auch wie­der Slang. 

Ganz nett ist die Ent­de­ckung, dass min­des­tens York­shire »ax« auch als Sub­stan­tiv – als »die Fra­ge« – kann­te. Kei­ne Ahnung, ob es das jetzt noch gibt. Und noch net­ter ist das ver­mut­lich eben­falls aus­ge­stor­be­ne ken­ti­sche Adjek­tiv »axa­ble« – damit bezeich­ne­te man ein Mäd­chen im mann­ba­ren Alter: Man kann um ihre Hand anhal­ten. All you have to do is axe … 

  1. Alle Lie­ben Ray­mond, 1996–2005 []
  2. John Wyclif [ˈwɪklɪf], auch Wiclif­fe, Wic­lef, Wycliff, Wyclif­fe, genannt Doc­tor evan­ge­li­cus (* spä­tes­tens 1330 in Spres­well in York­shire; † 31. Dezem­ber 1384), war ein eng­li­scher Phi­lo­soph, Theo­lo­ge und Kir­chen­re­for­mer. []
  3. Sel­ect Works of John Wyclif Vol. III: Mis­cel­la­neous Works, ed. Tho­mas Arnold, 1871, S. 100 []
  4. Hät­te ich mir wäh­rend des Stu­di­ums Alt- und Mit­tel­eng­lisch nicht geschenkt, wäre der Fall ohne­hin klar gewe­sen. []
  5. a.a.O., S. 100 []
  6. a.a.O., S. 110 []
  7. a.a.O., S. 56 []
  8. May­hew & Skeats Con­cise Dic­tion­a­ry of Midd­le Eng­lish: From 1150 to 1580 []
  9. MD: Mätz­ner, alt­eng­li­sches Wör­ter­buch []
  10. Meta­the­se []
  11. OED Ety­mo­lo­gie unter »ask« []
  12. a.a.O. []
SlangGuy

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