Ugs-Pro­jekt 10: gefinkelt

Jeder im deut­schen Sprach­raum weiß, was ein »ganz aus­ge­koch­ter Hund« ist. Ein rech­ter »Hundling« eben. Aber ein ganz »gefin­kel­ter Bur­sche«? Um so einen zu ken­nen, muss­te man bis­lang, wie’s aus­sieht, ziem­lich weit in den Süden, genau­er gesagt nach Öster­reich. Obwohl die bei­den Wör­ter von der Bedeu­tung her sich weit näher ste­hen, als man ver­mu­ten möch­te. Müh­sam nährt sich das Eich­hörn­chen – und SlangGuy’s Wör­ter­buch der deut­schen Umgangssprache.

Schlägt man »aus­ge­kocht« im Duden nach, fin­det man Folgendes:

aus­ge­kocht (ugs. abwer­tend): raf­fi­niert, durch­trie­ben: ein ‑er Bur­sche, Gau­ner, Betrü­ger; wenn Sie es gewe­sen sind, sind Sie ein ganz ‑er Hund (Fal­la­da, Blech­napf 289).1

Das Rhei­ni­sche Wör­ter­buch von Josef Mül­ler führt »aus­ge­kocht« eben­falls mit raf­fi­niert und bringt dazu das Zitat »en a. Framensch«.2 Und Christmann/Krämer, in ihrem Pfäl­zer Wör­ter­buch haben Ähn­li­ches parat:

aus­ge­kocht Adj.: e (a) Aus­ge­koch­ter ‘ein Raf­fi­nier­ter, Abge­feim­ter’ [allg.]. Syn. s. PfWB schlau. — Zu PfWB auskochen.

Das Wort bie­tet also kaum ein Pro­blem. Ganz anders dage­gen »gefin­kelt« bzw. das Verb, von dem es wohl kom­men soll­te: »fin­keln«. Da lan­den wir erst mal auf einem,wenn auch durch­aus inter­es­san­ten Holz­weg. Neh­men­wir den alten Adelung:

Fin­keln, verb. regul. neu­tr. mit dem Hülfs­wor­te haben; wel­ches im Hochd. ver­al­tet ist, Fin­ken fan­gen; von wel­chem Zeit­wor­te Kai­ser Hein­rich I, der sonst auch der Vog­ler heißt, wegen sei­ner gro­ßen Nei­gung zum Vogel­fan­ge, von geschmack­lo­sen Geschicht­schrei­bern noch zuwei­len der Fin­ke­l­er oder Fin­k­ler genannt wird.

Inter­es­san­ter wer­den da schon die Dia­lekt­wör­ter­bü­cher, so etwa das bereits zitier­te Rhei­ni­sche Wörterbuch:

fin­keln ‑e- Dür-Stdt, Aach-Her­zo­genr, Kemp-Breyell schw.: mit Feu­er spie­len. S. a. fünkeln.

Das gibt es auch andern­orts in der Vari­an­te »fin­ken«. Aber so rich­tig fün­dig wird man erst bei Sig­mund Wolf; in des­sen Wör­ter­buch des Rot­wel­schen defi­niert er fin­keln mit »kochen, sie­den, bra­ten«. Womit wir denn glatt wie­der bei aus­ge­kocht wären. Eine Ety­mo­lo­gie, die auch Küp­per vor­schlägt, der aller­dings auch gleich wie­der ein Haar in die Sup­pe wirft, wenn er bei »aus­ge­kocht« schreibt: »Lei­tet sich von der Koch­kunst her oder von jidd ›kochem = weise‹.«

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gefin­kelt

(1) <Adj.><Adv.>  (ursprüngl. & vor­wie­gend Österr., aber auch in Dtl. bekannt; auf Per­so­nen bezo­gen) lis­tig; schlau; raf­fi­niert; gewitzt; durch­trie­ben; trickreich.

»So gefin­kelt besie­gen Tie­re die Käl­te — Febru­ar 2010« WWW

sinn­verw.: geris­sen; aus­ge­kocht; gerie­ben; aus­ge­bufft; aus­ge­picht; aus­ge­schla­fen; gewieft; aus­ge­fuchst; schlitz­oh­rig; rabig;

gefin­kelt

(2) <Adj.>  ursprüngl. Österr., aber auch in Dtl. bekannt ”’(auf Per­so­nen bezo­gen) lebens­er­fah­ren; mit allen Tricks vertraut.

»Jon Hess ist ein ganz gefin­kel­ter Bur­sche. Er kennt als Cut­ter des ers­ten Films des­sen Tricks ganz genau …« WWW »Das ist ein ganz Gefin­kel­ter!« WWW

sinn­verw.: Was­ser: mit allen Was­sern gewa­schen; Hund: von allen Hun­den gehetzt; aus­ge­bufft; aus­ge­picht; ausgeschlafen;

gefin­kelt

(3) <Adj.>  Österr., aber auch in Dtl. bekannt (auf Sachen / Sach­ver­hal­te bezo­gen) durch­dacht; vol­ler Fines­se; raf­fi­niert [gemacht].

»Wie­ner Staats­oper, Oper, Bal­lett & Kon­zert in Wien und aller Welt! … Den­ken Sie nur an den unge­heu­er gefin­kel­ten Wort­witz, …« WWW »Exch­an­ge Nach­rich­ten umlei­ten (etwas gefin­kelt) — Exch­an­ge Ser­ver …« WWW »Oha, da ver­wen­de ich seit Jah­ren ein Wort … Gefin­kelt ist lus­ti­ger­wei­se laut Duden auch öster­rei­chisch, das war mir neu.« WWW 2007 »Und unge­fin­kelt ist dem­zu­fol­ge das Gegen­teil 😉 Wobei ich das nicht so nega­tiv kon­no­tiert sehen wür­de wie im Duden Bei­spiel. Ich könnt auch “tri­cky” schrei­ben.« WWW 2007 »Eine der Lieb­lings­vo­ka­beln von Fuß­ball­re­por­ter Gerd Ruben­bau­er: ›Eine gefin­kel­te Flan­ke von Mario Bas­ler.‹« Her­mann Ehmann, oberaffengeil

sinn­verw.: cle­ver; tricky;

gefin­kelt

(4) <Adj.> (Klet­tern) bezeich­net beson­ders kom­pli­zier­te bzw. raf­fi­nier­te Züge in einer Kletterroute.

»Was bedeu­tet im Klet­tern ›fin­keln‹? Ich bin letz­te Woche über den Begriff gestol­pert. Das heißt so viel wie ›tri­cky‹ oder ›raf­fi­niert‹. WWW »Der Anfang der zwei­ten Seil­län­ge ist etwas gefin­kelt , ansons­ten eine herr­li­che Tour direkt bei den ›ewi­gen Jagd­grün­den‹ im Zil­ler­tal, wirk­lich emp­feh­lens­wert!« WWW »Ich wollt eigent­lich sagen, dass die tiro­le­ri­sche Bedeu­tung im Sin­ne von ›kom­pli­ziert, anspruchs­voll‹ mir immer bekannt war und ich mich schwer wun­der­te, als die Ver­wen­dung im Sin­ne von ›Griffe/Tritte durch Schla­gen her­ge­stellt‹ unver­mit­telt auf­kam.« WWW

sinn­verw.:tri­cky.

gefin­kelt

(5) <Adj.> (Klet­tern) bezeich­net im Zusam­men­hang mit Klet­ter­rou­ten das Vor­han­den­sein »künst­li­cher« Grif­fe und Tritte.

»Also im Oden­wald­füh­rer fin­dest Du “gefin­kelt” öfters, und es bedeu­tet auch ganz sicher, dass künst­lich nach­ge­hol­fen wur­de.« WWW »›Gefin­kelt‹ bedeu­tet, dass künst­lich Griffe/Tritte erschaf­fen wur­den, die es vor­her nicht gab! zB duch Boh­ren, Mei­ßeln oder Schla­gen von Griffen/Tritten. Unfrei­wil­li­ger Namens­ge­ber ist wohl ein gew. Chris­toph Fin­kel …  seit 2004 Trai­ner des deut­schen Natio­nal­ka­ders im Bould­ern und Sportklettern.«

sinn­verw.:xxx.

gefin­kelt

(6) <Adj.> hin­ter­häl­tig; gemein.

»Das ist aber ein voll gefin­kel­ter Plan.«”’ Her­mann Ehmann, oberaffgeil

sinn­verw.: hinterfotzig.

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 SlangGuy’s Wör­ter­buch der deut­schen Umgangssprache
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  1. © 2000 Duden­ver­lag []
  2. Frau­en­zim­mer []
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