Ugs.-Projekt 15: Spacko & Co

Spacko, Spa­cker & Spa­cken – kaum ein Schimpf­wort scheint die letz­ten 20 Jah­re über so beliebt gewe­sen zu sein, und doch gibt es kaum eines, über das man so wenig weiß. Trotz eini­ger Ver­mu­tun­gen und Ver­su­che ist bis­lang nie­man­dem so recht die Erklä­rung gelun­gen, woher es kam. Da es sich selbst­ver­ständ­lich für zeit­ge­nös­si­sche Über­set­zun­gen eig­net, darf es in Slang Guys Wör­ter­buch der deut­schen Umgangs­spra­che natür­lich auf kei­nen Fall fehlen.

Zunächst ein­mal: Egal, was das Wort in den Regio­nen bedeu­tet, in der Jugend­spra­che der letz­ten bei­den Jahr­zehn­te ist es defi­ni­tiv gesamt­deutsch ein Schimpf­wort für jeman­den, den man als »dumm«, »dane­ben« oder »pein­lich« bezeich­nen möch­te. Dazu gibt es Ver­ben wie »abspa­cken« oder »rums­pa­cken«, die soviel bedeu­ten, dass man »rum­blö­delt« oder sich »wie ein Idi­ot« oder »voll dane­ben« benimmt. 

Des­glei­chen ist klar, dass sich die­ses Schimpf­wort stei­gern lässt, etwa zum »Vollspa­cken«.

Wo genau es her­kommt oder wie es ent­stan­den ist? Dar­über lässt sich erst mal nur spe­ku­lie­ren. Wenn man sich etwas umguckt, so sieht man, dass vie­le es ken­nen, aber alle mit einer bestimm­ten Nuan­ce. Das alte Pro­blem mit der Umgangs­spra­che eben. Das immer wie­der dar­auf hin­auf­läuft, dass sie lan­ge nicht gründ­lich genug doku­men­tiert wurde… 

SlangGuy’s Wör­ter­buch der deut­schen Umgangssprache

Was mich anbe­langt, so hat­te ich sei­ner­zeit – Ende der 80er-Jah­re? – erst mal den Ver­dacht, dass es aus dem Eng­li­schen zu uns gekom­men oder unter dem Ein­fluss der eng­li­schen Wör­ter »spack« und »spa­cker« ent­stan­den sei, die eben­falls in den 80ern durch Zusam­men­zie­hung aus »spas­tic« ent­stan­den waren. Aller­dings habe ich, das war ja noch kurz vor dem Inter­net, nicht gleich nach­ge­prüft, ob es da Pop­tex­te, einen Film oder der­glei­chen, sprich einen kon­kre­ten Anlass für eine sol­che Über­nanh­me gab. Aber da es sich um eine bri­ti­sche Bil­dung han­del­te, war das viel­leicht auch eher zwei­fel­haft. Immer­hin, falls dem so war, so hät­te die Tat­sa­che, dass es im Deut­schen Ähn­li­ches gab, zur Popu­la­ri­tät des Schimpf­worts nur bei­tra­gen können. 

Es ist aber auch nicht aus­zu­schlie­ßen, dass es hier­zu­lan­de zu der­sel­ben Ent­wick­lung aus »Spas­ti­ker« gekom­men ist. »Spas­ti­ker« wur­de selbst schon zu »Spast«…

Aber las­sen wir das erst mal außen vor; was lässt sich an mög­li­chen deut­schen Vor­läu­fern finden? 

Die meis­ten Erklä­rungs­ver­su­che set­zen an bei dem Adjek­tiv »spack«. Das kennt man im Nor­den vom Ruhr­pott über Ham­burg bis Ber­lin. Es bedeu­tet »eng«, »eng anlie­gend«, »mager«, »dünn«, »mick­rig« und »spär­lich«. Wie gesagt, müs­sen wir immer berück­sich­ti­gen, dass glei­che Wör­ter in den ver­schie­de­nen Dia­lek­ten durch­aus unter­schied­li­che Bedeu­tun­gen haben können. 

Ety­mo­lo­gisch gemein ist die­sen Bedeu­tun­gen mit eini­ger Sicher­heit das Folgende: 

Spack, spa­ckig, spa­cke­rich, Holl. Spae­kig, sagt man vom Hol­ze, wenn es zusammen­getrocknet, gebors­ten und ver­wit­tert, oder von der Näs­se ver­dor­ben, ver­fault und schimm­lich gewor­den. Daher sagt man von höl­zer­nen Gefä­ßen, wenn sie lan­ge gestan­den haben und nicht ange­feuch­tet wor­den sind, und daher zusam­men zu fal­len dro­hen, weil das Holz zusam­men­ge­trock­net ist, sie sey­en spack. Die­ser Aus­druck ist beim Was­ser­bau vom Hol­ze und Busch­wer­ke sehr gebräuch­lich.1

Inter­es­sant ist hier vor allem das »Busch­werk«, weil es über »dürr« auf die heu­ti­ge Bedeu­tung »lang« und »mager« weist. Der Grimm führt das wei­ter aus und hat auch noch wei­te­re über­tra­ge­ne Bedeutungen: 

SPACK 1) … 201b f., vgl. Stü­ren­burg 249b (von holz u. leder).… . wenn die stam­men­den (beson­ders das zop­fen­de, [der kie­fern]) der frey­en luft, ohne bede­ckung aus­ge­set­zet sind, wer­den sie spack, und sind von der zeit an dem wurm­frasz aus­ge­set­zet, und dem um sich fres­sen­den olme (caries) der­mas­sen unter­wor­fen, dasz auch das schöns­te holz … beym bau nicht ange­wen­det wer­den kann. Hep­pe jagd­lust …; dar­auf eine spa­cke herings­ton­ne, die ein­mal den spring­brun­nen, auf fünf minu­ten, gespeist hat.… — dazu nd. spak­holt ‘anbrü­chi­ges holz in den hei­den.’ … spaeck‑, spaech­holt dür­res (vom win­de gebro­che­nes) holz. Schil­ler-Lüb­ben …

2) bild­lich von men­schen, ‘von alten leu­ten, deren kräf­te schwin­den.’ Dann­eil 202a, old un spaak, hin­fäl­lig. Stü­ren­burg 249b:
denn du, du bist schon spack und spahn,
ein alter stüm­per, der nicht mehr kann.
Droy­sen Aris­toph. 2, 141 (wes­pen 1380).

meklenb. spacklahm, müde. Mi 84a. von der lebens­wei­se: Apher­di­an. p. 154 braucht es auch figür­lich, spar­lich, häuszlich, spack, mäs­zig­lich leben, vive­re par­ce, fru­ga­li­ter, tenui­ter, sobrie.… 

Das ist natür­lich alles recht inter­es­sant, aber wir soll­ten nicht ver­ges­sen, dass es auch bereits ein Sub­stan­tiv um »spack« gab. So hat Mül­lers im Jah­re 1928 erschie­ne­nes Rhei­ni­sches Wör­ter­buch fol­gen­den Eintrag: 

Spa­ckes -ā-, Pl. -əsə Siegld, Simm m.: verächtl.
1. dür­rer, hage­rer Mensch Simm. —
2. lan­ger, unbe­hol­fe­ner Kerl, der sich breit hin­setzt u. zur Arbeit nicht gut zu gebrau­chen ist Siegld-Ld. 

Wir haben da nicht nur – aus der Bedeu­tung »dürr« – den lan­gen Laban, wir haben auch die Bedeu­tung, dass so ein Spa­ckes zu nichts zu gebrau­chen ist. Das wäre ja schon die hal­be Mie­te für unse­ren Zweck. 

Der Erfolg eines Wor­tes ist aber oft nicht zuletzt auf Sach­ver­hal­te zurück­zu­füh­ren, die in ihm mit­klin­gen, ohne expli­zit aus­ge­drückt zu sein. So kann ich mich in dem Fall des Ver­dachts nicht erweh­ren, dass hier das Adjek­tiv »verspackt« mit­klingt, das – eben­falls mit dem oben ange­führ­ten »spack« ver­wandt – sowohl erst mal »aus­ge­trock­net« und dann »ver­schim­melt«, »ver­fet­tet« u.ä. bedeu­tet. Will sagen, dass hier ein wei­te­res nega­ti­ves Ele­ment mitschwingt.

Auf der ande­ren Sei­te könn­te man jedoch auch behaup­ten, dass all die Mühe gar nicht nötig gewe­sen wäre. Es gibt eine weit kür­ze­re und letzt­end­lich sinn­vol­le­re Mög­lich­keit zur Erklä­rung des heu­ti­gen »Spa­cken«. In Mül­lers hier bereits zitier­tem Rhei­ni­schem Wör­ter­buch fin­det sich die­se bereits schwarz auf weiß:

Spa­ckert -ərt, Pl. -də ebd. m.: ver­ächtl. wider­spens­ti­ger Kerl.

Dazu fin­det sich auch gleich das pas­sen­de Adjektiv:

spa­cke­rig Siegld-Obersd 1840 Adj.: sich sper­rend, widerspenstig.

Die­se bei­den Ein­trä­ge schei­nen mir doch eine direk­te Linie zu bil­den zu den heu­ti­gen Bedeutungen.

Inter­es­sant ist, dass in mei­ner gan­zen Samm­lung von jugend­sprach­li­chen Wör­ter­bü­chern den »Spacko« und sei­ne Ver­wandt­schaft bis heu­te nur der nim­mer­mü­de Ehmann anführt, und das schon in sei­nem ers­ten Büchl affen­geil von 1992. Lei­der nennt er das Wort nur als Syn­onym für Dummkopf im hin­te­ren Teil; eigens defi­niert ist es nicht. Hier möch­te ich an die oben zitier­te zwei­te Bedeu­tung des »Spa­ckes« erin­nern. Die aus­ge­zeich­ne­te Samm­lung von Eike Schön­feld aus dem Jah­re 1985 hat das Wort noch nicht. Falls sich dar­aus Schlüs­se zie­hen las­sen, so decken sie sich mit mei­ner Erin­ne­rung: das Wort könn­te Ende der 1980er ent­stan­den sein.

Inter­es­sant wäre hier wirk­lich, auf Erin­ne­run­gen sowohl von älte­ren Leu­ten aus den ent­spre­chen­den Gegen­den zurück­grei­fen zu kön­nen als auch auf die von – mitt­ler­wei­le auch nicht mehr so ganz jun­gen – Leu­ten, die den Spa­cken in den 80ern das ers­te mal gehört und viel­leicht auch benutzt haben. 

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 SlangGuy’s Wör­ter­buch der deut­schen Umgangssprache
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  1. Oeko­no­mi­sche Ency­klo­pä­die von J. G. Krü­nitz []
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